"Mit ihm endet das klassische französische Chanson"
Charles Aznavour war der im Ausland bekannteste französische Chansonnier und stand vor weniger als zwei Wochen noch auf der Bühne. Jetzt ist er im Alter von 94 Jahren gestorben. Dominique Horwitz und Jürgen Liebing über ein ungewöhnlich reiches Künstlerleben.
Die Melodien, die Charles Aznavour geschaffen habe, seien unverwechselbar, sagt der deutsch-französische Chansonnier Dominique Horwitz im Deutschlandfunk Kultur. Er sei als einzelne Erscheinung möglicherweise nur mit Jacques Brel zu vergleichen. "Er hat von etwas erzählt, was die Menschen kannten und was sie berührte: nämlich von der Liebe, vom Mann-Sein, vom Verhältnis von Mann und Frau."
Eine Generation, die viel Leid erlebt hat
Aznavour gehöre zusammen mit Yves Montand und Jacques Brel einer Generation an, die sehr viel Leid erlebt habe - insbesondere Aznavour durch seine armenische Abstammung. Dadurch ließen sich seine mitunter leicht ins Zynische oder Desillusionierte gehenden Texte erklären, so Horwitz weiter.
Aznavour als Zentrum des französischen Chansons
Als Édith Piaf Aznavour entdeckte, sei dies die Zeit des klassischen französischen Chansons gewesen, sagt Musikkritiker Jürgen Liebing. Er betrachte Aznavour als eine Art Zentrum des Chansons. Alle anderen seien Beispiele für Extreme gewesen.
"Jacques Brel hat sich so verausgabt, dass er irgendwann nicht mehr konnte. George Brassens war der Intellektuelle. Yves Montand hat mehr geschauspielert. Aznavour aber hat über alles gesungen. Er hat Liebeslieder gemacht, aber auch politische Statements abgegeben, er hat geschauspielert und man stelle sich das mal vor: über 3000 Chansons geschrieben. Und er war der letzte Überlebende. Mit ihm endet das klassische französische Chanson."
Auch wenn er auf deutsch sang, habe er nie sein Niveau verlassen, im Gegensatz zu Mireille Mathieu, so Horwitz. "Es wurde nie zu einer Schmonzette." Jürgen Liebing fügt hinzu: "Auch seine armenische Herkunft habe er nie verleugnet, und gerade in seinen letzten Jahren war dies auch ein politisches Statement dieses großen Künstlers."
(rad)