Zum Tod von Chorleiter Gotthilf Fischer

"Ein Animateur im besten Sinne"

04:03 Minuten
Der populäre Chorleiter Gotthilf Fischer 1978 vor dem Capitol in Washington.
"Er war ein absolutes Kultphänomen", sagt Musikjournalist Claus Fischer über seinen Namensvetter, hier in Washington 1978. © Getty Images / Peter Bischoff
Claus Fischer im Gespräch mit Axel Rahmlow |
Audio herunterladen
"Chorpapst" Gotthilf Fischer ist im Alter von 92 Jahren gestorben. Mit seinem enormen Charisma habe er es geschafft, Massen fürs Singen zu begeistern, erinnert sich der Musikjournalist Claus Fischer. Privat sei er aber kein "Showman" gewesen.
Der Chorleiter Gotthilf Fischer ist tot. Er starb bereits am Freitag im Alter von 92 Jahren. Zu bundesweiter Berühmtheit gelangte er, als die Fischer-Chöre 1969 in der Sendung "Dreimal neun" mit Wim Thoelke auftraten. Bald darauf erschien die erste Schallplatte. Fischer dirigierte zwischenzeitlich mehr als 60.000 Sänger auf der ganzen Welt. Sie waren in Freundeskreisen der Fischer-Chöre aktiv. Mehr als 16 Millionen Schallplatten verkaufte er weltweit.

Ein Kultphänomen in langer Tradition

"Er war ein absolutes Kultphänomen, der Chorpapst, weil er es schaffte, die Massen zu begeistern", sagt der Chorexperte und Musikkritiker Claus Fischer (nicht mit Gotthilf Fischer verwandt). Man müsse ihn in der großen Tradition der Gesangsvereine, der Männerchöre und Liedertafeln sehen.

In einem Interview mit Gotthilf Fischer, das Jürgen König 2008 für Deutschlandradio Kultur führte, entspann sich folgender Dialog:
König: Singen Sie eigentlich selber?
Fischer: Wenn es geht, nicht.
König: Warum das denn nicht?
Fischer: Nein.
König: Jetzt haben wir schon so viel auch die heilende Kraft des Singens, wie soll ich sagen, anklingen lassen. Auch nicht unter der Dusche, morgens, wenn keiner Sie hört?
Fischer: Nein, nein. Um Gottes willen. Ich habe einmal am Staatstheater vorgesungen.
König: Oh!
Fischer: Ja.
König: Das heißt, Sie waren schon mal ambitioniert?
Fischer: Ja, fast. Und dann haben die gemeint: "Sie singen so schön, Sie brauchen nimmer kommen."

In den 70er-Jahren habe Gotthilf Fischer die größten Erfolge gefeiert, berichtet der Musikjournalist. Mit den nach ihm benannten Fischer-Chören habe er eine Art "Breitensport" im Chorgesang befördert. Gotthilf Fischer habe "enormes Charisma" gehabt und so viele Menschen zum Singen ermutigt, die keine Noten lesen konnten und sich das eigentlich nicht getraut hätten.
Gotthilf Fischer mit roten Boxhandschuhen und silbernen Siegerkranz 1997.
Hat sich durchgeboxt: Tausendsassa Gotthilf Fischer.© Getty Images / Peter Bischoff
Außerdem habe Fischer die Gabe gehabt, die Chorgruppen perfekt zu koordinieren: "Frage-Antwort-Spiel, die Herren singen das, die Damen singen das. Also ein Animateur im besten Sinne!" Das Ergebnis sei dann zwar keine hohe Kunst gewesen, aber habe allen Beteiligten Spaß gemacht. Und dieser Spaß habe sich auch auf die Zuschauer übertragen.
Im Privatleben sei er nicht der "Showman" gewesen, den er auf der Bühne gab. Von Gotthilf Fischer bleibe nun seine Bescheidenheit, seine schwäbisch-pietistische Gesinnung sowie sein Credo: dass jeder Mensch singen kann.
(jfr)
Mehr zum Thema