Zum Tod von Doğan Akhanlı

Literarischer Botschafter der Versöhnung

11:17 Minuten
Doğan Akhanlı schaut freundlich in Richtung des Betrachters.
Sensibel und widerständig: Doğan Akhanlı lebte seit 30 Jahren im politischen Asyl in Deutschland, zuletzt in Berlin. © imago / Future Image / C. Hardt
Insa Wilke im Gespräch mit Britta Bürger |
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Der Schriftsteller Doğan Akhanlı hat sich zeitlebens für Menschenrechte eingesetzt. Nun ist er im Alter von 64 Jahren gestorben. Literaturkritikerin Insa Wilke hält den Autor für „einen Pionier der transnationalen Erinnerung und Verständigung“.
Als junger Mann engagierte sich Doğan Akhanlı in seiner türkischen Heimat bei den Kommunisten; nach dem dortigen Militärputsch im Jahr 1980 lebte er im Untergrund. Später wurde er mehrfach verhaftet und saß in einem Militärgefängnis ein. Anfang der 90er-Jahre bekam er in Deutschland politisches Asyl. Zeitlebens hat Akhanlı sich für Menschenrechte eingesetzt und die Aufarbeitung der Verbrechen an den Armeniern vom türkischen Staat gefordert.

Literatur, die die Welt weiter macht

In seinen Büchern habe er den Erfahrungen mit der Gewalt im 20. Jahrhundert, auch seinen persönlichen, eine Form gegeben und sie dadurch den Lesern zugänglich gemacht, sagt Literaturkritikerin Insa Wilke. "Das ist eine widerständige Literatur, aber wenn man sich darauf einlässt, dann passiert das, was auch in der Begegnung mit Doğan Akhanlı passiert: dass die Welt weiter wird und dass einem schwere Dinge auf einmal zugänglich werden. Das ist für mich das, was sein literarisches Werk auszeichnet."

In seinem letzten Roman "Madonnas letzter Traum" führt Doğan Akhanlı die türkische und die deutsche Geschichte zusammen. Dabei gehe es um die Geschichte des Völkermords an den Armeniern, "die Geschichte des Dritten Reiches und die Tragödie der Juden", sagt Recai Hallaç , der das Buch ins Deutsche übersetzt hat. "Da versteht man, dass diese Blutspur oder die Spur der Gewalt, die Spur der Vernichtung eine ist, die in verschiedenen Ländern zu verschiedenen Zeiten immer weitergeführt wurde." Und diese Spur bringe Akhanlı dann wiederum mit seiner eigenen Geschichte zusammen.

Porträtfoto des Schriftstellers Doğan Akhanlı
© imago / Jürgen Heinrich
Akhanlı sei ein Pionier des "transnationalen Erinnerungsraums", so Wilke. "Es geht ihm darum, klarzumachen was Gewaltgeschichte und auch staatlich ausgeübte Gewalt für Folgen hat, für ganze Gesellschaften, auch in den nächsten Generationen."

Warmherzigkeit und Verständnis

Seine Bücher und sein Handeln seien ein großes Plädoyer dafür gewesen, die gegenseitigen Gewaltgeschichten kennenzulernen, um einander zu verstehen und miteinander leben zu können. Trotz allem, was er erlebt habe, sei Akhanlı ein dem Leben zugewandter Mann gewesen. "Er hat große Warmherzigkeit und Verständnis für andere Menschen ausgestrahlt, selbst für diejenigen, die Gewalt ausgeübt hatten."
Wilke erzählt, dass Akhanlı sie vor Jahren nach Berlin eingeladen habe, um ihr die deutsch-türkische Geschichte der Stadt zu zeigen. "Ich habe es immer aufgeschoben, weil immer irgendetwas zu tun war. Es sind diese Dinge, die man nicht aufschieben darf. Ich bereue das, und ich kann nur sagen: Ich werde es nachholen und dabei an ihn denken – und hoffen, dass seine Arbeit fortgesetzt wird."
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