Zum Tod von Eva-Maria Hagen

Für sie gab es keine Halbheiten

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Porträt von Eva-Maria Hagen.
Trotz dünner Stimme sorgte sie für Gänsehaut: Die Sängerin und Schauspielerin Eva-Maria Hagen ist im Alter von 87 Jahren gestorben. © imago images / Sabine Gudath
Von Peter Claus · 19.08.2022
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Die Schauspielerin und Sängerin Eva-Maria Hagen gehörte zu den großen Künstlern in der DDR. Mit der Ausbürgerung Wolf Biermanns ging sie nach Westdeutschland. Nun ist sie mit 87 Jahren gestorben.
Eva-Maria Hagen inszenierte sich zeitlebens als Objekt der Begierde, als Anwältin der Gefühle, als Mädchen voller Träume, als Gefährtin. Und sie brauchte Lieder. Im Laufe der Zeit verstand sie sich, auch wenn sie immer wieder Schauspielrollen übernahm, vor allem als Sängerin.
„Ich brauche keine Juwelen, ich brauche keine tollen Kleider, ich brauche Lieder“, sagte sie einmal. Viele bekam sie von ihrem langjährigen Lebensgefährten Wolf Biermann geschenkt, von dem wohl wichtigsten Mann in ihrem Leben.

Im leichten Fach erfolgreich

Verliebt haben sich die beiden ineinander, als Eva-Maria Hagen, die gelernte Maschinenschlosserin, 1943 in Polen geboren, einer der Stars der DDR-Filmgesellschaft DEFA war – erfolgreich vor allem im leichten Fach als aufreizende Sirene, gelegentlich aber auch als Charakterdarstellerin, wie in der Fallada-Adaption „Wolf unter Wölfen“ des DDR-Fernsehens.
1965 haben sich Eva-Maria Hagen und der da schon in Ungnade gefallene Lieder- und Theatermacher Wolf Biermann kennengelernt. Es war das Jahr, da die SED-Führung zum Sturm gegen alle Freidenker in der DDR blies, Filme, Bücher und Lieder verbot.
Das Zusammenleben mit dem verfemten Biermann brachte auch Eva-Maria Hagen ins Abseits. Sie wurde an ein Provinztheater versetzt und feierte dort einen ihrer größten Theatererfolge: als erste Eliza Doolittle der DDR im Musical „My fair Lady“. Das Singen wurde ihr zum Rettungsanker.

Auf Tour mit Soloabenden

Ob Volkslied, Ballade oder Polit-Song – bis ins hohe Alter bewahrte sie ihre Jungmädchenstimme, die alle Lebenssehnsucht energisch beschwor, auch wütend, immer effektvoll. Ihr Motto: „Ich mache keine Kompromisse, das kann ich nicht, da gibt’s für mich keine Halbheiten.“
Das galt für die Liebe, die Kunst, die Politik. So hielt sie auch zu Biermann, Karriere auf oder ab. Konsequenz: 1977 musste sie die DDR verlassen. In der Bundesrepublik spielte sie in vielen Kino- und Fernsehfilmen, vor allem für anspruchsvolle Autorenfilmer, übernahm wichtige Theaterrollen, etwa „Die Kameliendame“ in Düsseldorf, Fräulein Schneider im Musical „Cabaret“ in Berlin.

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Vor allem aber tourte sie mit vielen Soloabenden durchs Land. Sie sang, erzählte von sich und Biermann und all den anderen Männern – und blickte kritisch auf den zerschlagenen Traum vom besseren Deutschland zurück:
„Weil ich ja auch geprägt bin, und weil das ja auch so mein Traum war, dass es menschlicher zugehen wird in der Welt, durch den Kommunismus – hatte ich mir so sehr erhofft. '68 schon, und immer wieder, wenn es solche Klippen gab, habe ich gedacht: 'Ja, jetzt gibt’s nen Ruck und dann geht’s gar nicht anders, dann geht die Lawine los.‘'"

Die Liebe ist das A und O

Klar entblößte sie die Lügen, auf die die DDR-Oberen einst gesetzt hatten: „Die Emanzipation der Frau im Osten – das kann man vergessen. Die durfte natürlich dann schuften wie der Mann, musste arbeiten, das war klar, der Mann, das war viel zu wenig Geld, Kinder kriegen, soviel sie wollte – aber an wichtigen Knotenpunkten, in der Kultur, in der Gesellschaft – wen gab’s denn schon in der Regierung?!“ 
Doch bei allem Engagement für gesellschaftliche Fragen – das Entscheidende für Eva-Maria-Hagen, ihr Credo: „Die Liebe ist schon immer das A und O!“
Eigeninterpretin und Brecht- und Biermann-Stimme – so wird Eva-Maria Hagen in Erinnerung bleiben – als singende Schauspielerin, die zur schauspielernden Sängerin wurde, die mit dünner Stimme eine Kraft entwickeln konnte, dass die Zuhörer eine kollektive Gänsehaut befiel.
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