Hören Sie hier unsere Erinnerungssendung zu Georg Katzer aus unserer Sendung "Neue Musik".
Ein politischer Komponist fernab von Propaganda
06:35 Minuten
Georg Katzer war alles Aufgesetzt-Künstlerische fremd. Ihm sei es um den musikalischen und menschlichen Diskurs gegangen, erinnert sich Musikredakteur Rainer Pöllmann. Nun ist Katzer, der als wichtigster Komponist der DDR galt, gestorben.
Auf seiner Homepage zeigte sich Georg Katzer immer als nahbarer Mensch, auch mal im Garten, mit Katze, Strohhut und Spaten. Er war kein Mann, der sich künstlerisch überhöht in aufwendig inszenierten Fotos präsentierte.
Deutschlandfunk Kultur-Musikredakteur Rainer Pöllmann kannte den am 10. Januar 1935 in Niederschlesien geborenen Komponisten, der lange als kulturelles Aushängeschild der DDR galt, gut. "Er war ein Vertreter der mittleren Komponistengeneration, die in den 1930er-Jahren geboren wurden", ordnet Pöllmann den Komponisten ein.
Er war im Kreis von Friedrich Goldmann, Friedrich Schenker und Reiner Bredemeyer zu finden.
Komponist im Diskurs
Er habe sich immer als politischer Komponist verstanden, nie als Propagandist der herrschenden Lehre, so Pöllmann. In den 1980er-Jahren, in ideologisch zur Ruhe gekommenen Verhältnissen, sei er dann auch von der DDR selbst anerkannt worden, erläutert Pöllmann. Daraufhin konnte er freier arbeiten, als die meisten Literaten oder bildende Künstler in seiner Zeit.
Katzer habe sich nie vereinnahmen lassen, berichtet Pöllmann. Und so konnte sein Werk in den 1980er-Jahren eine Wirkung entfalten, die auch im Westen wahrgenommen wurde. Seine Titel sprächen von der kritischen Auseinandersetzung mit seiner Umgebung.
"Versuchte Annäherungen" entstand im Jahr 1988 und sei geradezu prophetisch für das Verhältnis der beiden deutschen Staaten gewesen, sagt Pöllmann. Auch "Dialog imaginäre", eine ganze Werkreihe aus den Jahren 1982 bis 1991, zeige schon im Titel, dass Katzer immer im Gespräch bleiben wollte.
Sein letztes Werk "discorso" wurde im letzten Winter, am 30. Dezember 2018 vom Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin uraufgeführt.
Dieser Diskurs, das "Miteinander ins Gespräch kommen", sei dem Komponisten immer wichtig gewesen, erinnert sich Pöllmann, dass These und Antithese einander gegenüber stünden. Katzer habe dabei immer aufzeigen wollen, dass es eine Lösung gebe, auch wenn sie nicht "keine konfliktfreie oder unkomplizierte" sein mag.
Katzer war es wichtig, nicht "in den eigenen Schützengräben zu verharren, sondern miteinander ins Gespräch zu kommen." Das sei ganz wesentlich für ihn gewesen. "Als Komponist und auch als Mensch", betont Pöllmann.
Diskurs mit Handwerk
Der Komponist sei bei all dem ein Vertreter seiner Zeit gewesen. Pöllmann beschreibt die Situation der Künstler damals so: Die in der DDR aufgewachsenen und ausgebildeten Komponisten hätten immer an die Sprachfähigkeit von Musik geglaubt. "Nicht unbedingt an die Botschaft im Sinne einer Propaganda, aber doch, dass Musik etwas zu sagen hat, ein kommunikatives Mittel ist." Für Katzer sei das eine zentrale Bedeutung von Musik gewesen.
Pöllmann fährt fort: "Darüber hinaus war er einfach ein sehr gut technisch ausgebildeter Komponist." Er sei nicht auf der Suche nach den ganz großen Avantgardismen gewesen, aber er habe immer sehr genau gewusst, wie er arbeite. "Und wie er im jeweiligen Sinn einer Stückidee dann diese musikalischen, kompositorischen Mittel verwendet hat."
Georg Katzer hat sein Handwerk auch weitergegeben, zum Beispiel in Meisterklassen an der Akademie der Künste in Ost-Berlin. Dabei habe er so unangepasste Komponisten wie Helmut Oehring hervorgebracht. Katzer war es schließlich auch, der das erste Studio für elektronische Musik in der DDR gründete.
Schwere Zeiten nach dem Mauerfall
Als 1989 die Wende kam, war Georg Katzer Mitte 50. "Es ist ihm ergangen, wie allen 'DDR-Komponisten'. Es gab Anfang der 90er-Jahre einen kurzen Boom, als 'der Westen' sich plötzlich für dieses fremde Land DDR und seine Komponisten interessiert hat", berichtet Pöllmann. Doch dieser Boom sei schnell zu Ende gegangen.
"Und die Komponisten, die eine Infrastruktur hatten, ein Auftragswesen, Institutionen und Ensembles, die ihre Werke aufgeführt haben – all das ist binnen Kurzem zusammengebrochen oder hat sich radikal transformiert." Auch Katzer habe das Wegfallen dieser Infrastruktur betroffen.
Er sei, wenn auch am wenigsten von seiner Generation, doch ins Abseits geraten. "Er hat das vor zehn Jahren beim Festival Ultraschall Berlin, als wir 20 Jahre nach dem Mauerfall einen kleinen Rückblick auf die DDR gemacht haben, in sehr bitteren Worten bekannt."
(cdr)