"Neben Solschenizyn einer der ganz großen Dissidentenschriftsteller"
07:38 Minuten
Niemand habe den Totalitarismus so hochintellektuell verarbeitet wie der Schriftsteller Giwi Margwelaschwili, sagt der Publizist Ekkehard Maaß. 1947 wurde der Autor aus Berlin nach Georgien verschleppt. Erst Jahrzehnte später konnte er seine Texte veröffentlichen.
Auf einer Reise nach Georgien habe er den Schriftsteller Giwi Margwelaschwili 1982 kennengelernt, sagt Ekkehard Maaß. Maaß ist Publizist und betreibt einen Literarischen Salon in Berlin.
"Wir haben uns sofort auf den ersten Blick angefreundet. Ich musste dann immer bei ihm sitzen und seine Texte lesen, denn er war ja ein Autor, der fast 40 Jahre lang für die Schublade schrieb und keine Leser hatte. Und dann guckte er mir über die Schulter, um zu sehen, wie mir die Texte gefallen und wie ich darauf reagiere. Und das waren erst die Kurzprosatexte, dann die Romane. Und ich begriff nach kurzer Zeit, dass ich einen ganz, ganz großen, einen Jahrhundertautor vor mir habe."
Sein Einsatz für eine Veröffentlichung von Margwelaschwilis Büchern sei in der DDR-Zeit gescheitert, sagt Maaß. Und auch in West-Berlin hätten die Verlage keine Verkaufschancen gesehen, wenn Margwelaschwilis Texte ohne eine Erläuterung zu dessen dramatischer Lebensgeschichte, mit der Verschleppung durch die Sowjets und deren Mord am Vater, veröffentlicht worden wären.
Angst vor dem Arbeitslager
"Giwi hatte damals in der Sowjetunion Angst. Er hatte ja auch schon Angst, 1970 Heinrich Böll, dem er vorgelesen hatte, sein Manuskript mitzugeben. Wenn er das getan hätte, wäre er neben Solschenizyn einer der ganz großen Dissidentenschriftsteller der Sowjetunion gewesen. Denn kein anderer hat die totalitären Regime dieses vorigen Jahrhunderts so hochintellektuell und schriftstellerisch verarbeitet wie Giwi Margwelaschwili."
Margwelaschwili habe mit der Nazizeit und der Sowjetherrschaft zwei totalitäre Regime erlebt und die Erfahrung gemacht, wie ideologische Texte zur Machtsicherung und Unterdrückung analysiert wurden. "Wer von der Parteilinie abwich, wer aus dem Textkäfig ausbrechen wollte, landete im Gulag oder im KZ. Und davon ist seine eigene Geschichte geprägt. Und für den Vater endet ein Text ja auch tödlich."
Ein deutscher Schriftsteller georgischer Herkunft
Obwohl Margwelaschwili zwangsweise so viele Jahrzehnte in Georgien leben musste, habe er eine ganz klare Identität gehabt, sagt Maaß. "Er ist in Deutschland aufgewachsen, ist ein deutscher Schriftsteller georgischer Herkunft, aber sein ganzes Denken war westeuropäisch-deutsch, obwohl er auch alle anderen westeuropäischen Sprachen sprach, also Englisch, Italienisch, Spanisch."
Dank des Einsatzes von Armin Mueller-Stahl und Wolf Biermann sei es gelungen, dass Margwelaschwili ab den 1990er-Jahren eine ständige Aufenthaltserlaubnis für Deutschland bekam und dann auch eingebürgert wurde.
(mle)