Zum Tod von Hermann Bausinger

Der sanfte Revolutionär

Moritz Ege im Gespräch mit Marietta Schwarz |
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Der Volkskundler und Kulturwissenschaftler Hermann Bausinger ist im Alter von 95 Jahren gestorben. Er gilt als Pionier der Empirischen Kulturwissenschaft. Sein Wissenschaftskollege Moritz Ege betont die Radikalität in Bausingers Denken.
Der Kulturwissenschaftler Hermann Bausinger hat in der Nachkriegszeit das Forschungsgebiet Volkskunde geprägt und verwandelt wie kaum einer. Mit seiner Abwendung von verstaubtem Kulturverständnis, der Aufarbeitung völkischer Ideologie und der Einführung einer neuen Gegenwartsbezogenheit in der Forschung gilt er als Mitbegründer der Empirischen Kulturwissenschaft. Seine Schwerpunkte lagen in der Alltagskultur und der Kultur- und Sozialgeschichte. Nun ist Bausinger im Alter von 95 Jahren gestorben.

Notwendigen ideologischen Bruch vollzogen

Er sei ein sanfter Revolutionär mit gemäßigtem Tonfall gewesen, sagt der Sozialanthropologe und Kulturwissenschaftler Moritz Ege. „Bausinger hat das akademische Fach Volkskunde von Grund auf umgekrempelt.“ Ohne ihn seien die modernen Kulturwissenschaften im deutschsprachigen Raum, aber teilweise auch darüber hinaus, nicht denkbar.
Bausinger habe in der Zeit nach dem Nationalsozialismus einen notwendigen Bruch vollzogen. „Er hat das Erbe der nationalsozialistischen und völkischen Ideologie aufgearbeitet“, und damit die politischen und ideologischen Motive aufgezeigt, die in die Forschung in der Volkskunde hineingewirkt hätten.

Hinwendung zur Alltagskultur

„Die Radikalität seines Denkens bestand darin, dass er den Begriff der Volkskultur entmythologisiert hat und gezeigt hat, dass es nichts in der Gegenwartsgesellschaft gibt, das sich als von der Massenkultur separate Volkskultur bezeichnen lässt“, sagt Ege.

Bausinger hat das akademische Fach Volkskunde von Grund auf umgekrempelt.

Moritz Ege

Genau das sei aber die „Fiktion der alten Volkskunde und des nationalsozialistisch-völkischen Denkens“ gewesen: dass es so etwas wie eine reine, unmodernisierte Volkskultur gebe. Mit diesem Schritt habe Bausinger die gesamte Alltagskultur zum Untersuchungsgegenstand erhoben.
Seine Bücher seien, obwohl von fachhistorischem Interesse, voller kleiner Beobachtungen, Witz und mit feiner Ironie geschrieben. „Es macht Spaß, das zu lesen.“ Er selbst habe Bausinger als bedachten Redner erlebt, der präzise formuliert und zu vielen Dingen etwas zu sagen gehabt habe, sagt Ege. Dabei habe dieser immer unaufgeregt und vermittelnd argumentiert und sich nicht per se einer akademischen Sprache bedient.

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