Der Nobelpreis als "Glückskatastrophe"
Der ungarische Literatur-Nobelpreisträger Imre Kertész ("Roman eine Schicksallosen") ist tot. Was verstand der jüdische Autor unter dem Begriff "schicksallos" und wie hat der Nobelpreis sein Leben verändert? Darüber sprechen wir mit Literaturkritiker Jörg Plath.
Wie so viele Holocaust-Überlebende hätten auch den Ungarn Imre Kertész die Schuldgefühle eines Davongekommenen geplagt, sagt Literaturkritiker Jörg Plath. So habe er erst später - 1975 - seinen "Roman eines Schicksallosen" schreiben können.
Dieses Buch über einen 14-jährigen Jungen, der erst die Selektion nach dem Transport ins KZ und dann die Zeit im KZ selbst überlebt, habe erst durch die Veröffentlichung in Deutschland die ihm gebührende Aufmerksamkeit erhalten, sagt Plath. Für ihn sei der Roman "eine wahnsinnige Entdeckung" gewesen. "Es ist ein fesselndes Buch."
Sein Leitmotiv: Totalitarismus
Trotz allem habe Kertész sich nicht primär als Produzent von "Holocaust-Literatur" sehen wollen, sondern als einen Künstler, dessen Leitmotiv der Totalitarismus gewesen sei. Diesen habe er dann auch in Ungarn erleben müssen. Dort habe Kertész es als auch jüdischer Schriftsteller ohnehin nicht leicht gehabt.
Selbst als man ihm 2002 - als erstem ungarischen Autor – den Literatur-Nobelpreis verlieh, habe es, neben stolzen und lobenden Simmen, auch "sehr starke anti-semitische Äußerungen gegeben: Das sei also nun ein Jude, der ausgezeichnet worden war. Man hat ihn dann noch einmal ausgegrenzt."
Imre Kertész selbst habe den Preis als seine "Glückskatastrophe" bezeichnet: Zum einen habe ihm das Preisgeld endlich ein wenig Luxus in seinem Leben ermöglicht. Zum anderen habe der große Medienhype ihm aber auch Zeit und Energie zum Schreiben geraubt.