"Für solche Ikonen gibt es keine Nachfolger"
Frankreich trauert um Johnny Hallyday: Die Rock-Ikone starb im Alter von 74 Jahren. Ein Teil seines Ruhmes sei dadurch zustande gekommen, dass er sich immer als einfachen Menschen bezeichnet habe, meint unser Frankreich-Korrespondent Jürgen König.
Ute Welty: Er galt bis zuletzt als einer der ganz großen Stars im französischen Showbusiness, Jonny Hallyday. In der vergangenen Nacht ist er mit 74 Jahren an den Folgen einer Krebserkrankung gestorben. Seine musikalische Laufbahn beginnt in den frühen Sechzigern mit Schlagern, später spezialisiert er sich auf Rockmusik. Mit seinen Konzerten füllte er die großen Säle und die großen Stadien, und Generationen von Franzosen haben ihn angehimmelt und haben ihn gefeiert. Wir sind jetzt mit unserem Korrespondenten Jürgen König verbunden. Guten Morgen, Herr König!
Jürgen König: Guten Morgen, Frau Welty!
Welty: Die Begeisterung war generationenübergreifend. Ist jetzt auch die Trauer generationenübergreifend?
König: Ich war natürlich nicht dabei, als in den Medien über den Tod von Elvis Presley berichtet wurde, aber ich war dabei, als über den Tod von Michael Jackson berichtet wurde. Ich habe das miterlebt. Und Sie müssen sich das ungefähr in dieser Größenordnung auch jetzt in Frankreich vorstellen. Es ist praktisch monothematisch in allen Radiokanälen, in allen Fernsehstationen das alles dominierende Thema. Frankreich weint an diesem Morgen, das ist der Tenor der Berichterstattung. Traurig, traurig, traurig, solche Zitate werden hier weitergegeben.
Jonny Hallyday starb ja an einem Krebsleiden. Von dieser Erkrankung hatte er im März zum ersten Mal in der Öffentlichkeit gesprochen. Seither war dieses Thema immer in der französischen Öffentlichkeit gewesen, sie hatte sozusagen an seinem Kampf gegen den Krebs größten Anteil genommen, zumal für 2018 noch eine Tournee geplant war. Und umso größer ist jetzt der Schmerz eben darüber, dass Johnny Hallyday diesen Kampf verloren hat.
Viele Sänger, Musiker, Schauspieler haben sich schon am frühen Morgen geäußert. Vor seinem Wohnhaus in der Nähe von Paris haben sich schon in der Nacht hunderte, wahrscheinlich inzwischen tausende von Fans versammelt. Auch Staatspräsident Macron hat sich sofort in der Nacht geäußert. Er hat in einer Erklärung, aber auch auf Twitter hat er sich geäußert, in einer Erklärung schrieb er dann: "Von Johnny Hallyday werden wir weder den Namen noch die Schnauze noch die Stimme vergessen. Er hat einen Teil von Amerika in unser nationales Pantheon gebracht. In jedem von uns steckte etwas von Johnny Hallyday." Also, Sie merken, Frankreich wird heute den ganzen Tag letztlich nur ein großes Thema kennen.
"Das war eine Jahrhundertfigur"
Welty: Was hat denn seine Größe, was hat seine Bedeutung ausgemacht, zum einen musikalisch, aber eben dann auch persönlich?
König: Er war schon zunächst einmal ein sehr, sehr guter Sänger. Ob man ihn mag oder nicht, hat damit gar nichts zu tun, er hatte eine grandiose Stimme. Und er hat einfach immer wieder versucht und es auch geschafft, mit dieser Stimme die unterschiedlichsten Dinge anzustellen. Sie haben seine Biografie schon kurz angerissen. Er hat eigentlich mit Schlagern begonnen, wechselte dann nach und nach in das Rock-Metier über, wobei diese Unterscheidung in Frankreich nie ganz so strikt war.
Er hat auch am Ende Rocktitel gesungen, die, würde ich mal sagen, auch durchaus schlagerartig waren. Er hatte 1960 seinen ersten Bühnenauftritt, damals mit 17 Jahren. Er hatte in diesem Jahr am Anfang noch einen kurzen Auftritt, ein kürzeres Konzert, sagen wir mal. Insgesamt hatte er 67 Bühnenjahre auf dem Buckel. Er hat im Jahr 2000 vor einer halben Million Zuschauern auf dem Feld unter dem Eiffelturm sein 40-jähriges Bühnenjubiläum mit einem Gratiskonzert gefeiert.
Wenn Sie nach seiner Größe fragen: Ich glaube, ein Teil seines Ruhms kam dadurch zustande, dass er sich immer als einen einfachen Menschen bezeichnet hat. Er hatte auch viele Affären, Drogenprobleme, musste mit dem Vorwurf der Vergewaltigung leben. Das alles hat ihm aber nie geschadet. Ich glaube, eher im Gegenteil, die Menschen haben ihn, glaube ich, immer gerade deshalb sozusagen als einen von uns wahrgenommen.
Er war auch in den frühen 60er-Jahren, da hat sich die Arbeiterklasse sozusagen in ihm ihr Idol ausgeguckt, noch in der Vor-Achtundsechziger-Phase kam es bei Open-Air-Konzerten von Johnny Hallyday schon zu großen Straßenprotesten, teilweise zu Straßenschlachten, wenn ich es richtig erinnere, 1963 muss das gewesen sein. Also er war sozusagen ein in Anführungsstrichen ganz normaler Mensch und ein toller Musiker. Und als solcher haben ihn wirklich Millionen Franzosen geliebt. Und auch, die ihn nicht zumindest in den letzten zehn, 20 Jahren nicht mehr so verehrt haben, die haben ihn doch immer geachtet und auch gekannt. Er war also auch in der Öffentlichkeit immer ein Name, der zählt.
Welty: Sehen Sie jemanden in der französischen Musikszene, der bereit ist, sein Erbe anzutreten?
König: Nein, überhaupt nicht, gar nicht. Germaine Violet würde einem als Erstes einfallen, aber das sind – ich glaube, es ist nicht zu hoch gegriffen, wenn man sagt, das war eine Jahrhundertfigur, Johnny Hallyday, zumindest aus französischer Sicht, aber auch darüber hinaus. Er war halt in seiner Karriere immer wesentlich auf Frankreich konzentriert, nicht zuletzt schon allein, weil er französisch sang und das sozusagen nur hier in dieser Größenordnung möglich war. Und für solche Ikonen gibt es keine Nachfolger. Ich glaube auch, jeder muss so seinen eigenen Weg finden, eine musikalische oder auch eine Bühnenkarriere zu durchleben und in dieser Karriere groß zu werden. Aber das ist tatsächlich unerreichbar, was Johnny Hallyday gemacht hat und auch nicht wiederholbar. Also, Jahrhundertfigur, wenn ich es so – eben dachte ich, na ja, ist vielleicht doch ein bisschen hoch gegriffen, der Ausdruck –, aber nein, ich glaube nicht.
Welty: Frankreichs Rock-Ikone ist tot. Vergangene Nacht ist Johnny Hallyday im Alter von 74 Jahren gestorben. Dazu aus Paris Jürgen König.
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