Zum Tod von Manfred Stolpe

Vater des modernen Brandenburg

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Manfred Stolpe 2014
Große Verdienste in Brandenburgs Anfangsjahren: der ehemalige Ministerpräsident Manfred Stolpe (SPD). © imago stock&people
Von Vanja Budde |
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Der SPD-Politiker Manfred Stolpe ist im Alter von 83 Jahren gestorben. Er war der erste Ministerpräsident von Brandenburg. Nach der Wende musste er sich gegen Vorwürfe zu seiner DDR-Vergangenheit verteidigen. Die überschatteten seine Verdienste.
Seine letzten Jahre verbrachte Manfred Stolpe zusammen mit seiner Frau Ingrid in Potsdam in einem Seniorenheim direkt an der Havel. Als die Stimme noch einigermaßen mitmachte, empfing er dort gerne Besucher.
"Ich habe die Gabe, dass ich gut zuhören kann und auch immer überlege, was den anderen bewegt. Und es kam hinzu, dass ich eine sehr fromme Mutter hatte, die mich geprägt hat und die mich automatisch zum Glauben und zur Kirche gebracht hat. Das schafft dann doch ein bisschen Abstand von den Aufgeregtheiten des Tages."

Außenseiter wider Willen

Manfred Stolpe wurde am 16. Mai 1936 im heute polnischen Stettin geboren. 1955 machte er das Abitur in Greifswald. In die FDJ trat er noch ein, den kommunistischen Jugendverband der DDR. Es sei ihm immer wichtig gewesen, kein Außenseiter zu sein, sagte Stolpe, um mitbestimmen zu können. Außenseiter war er dann aber doch: Er engagierte sich in der evangelischen Kirche und weigerte sich, SED-Parteimitglied zu werden. Nach dem Jura-Studium in Jena heuerten Kirchenkreise in Greifswald Stolpe als Juristen an. Startpunkt einer Karriere als später wichtigster Vermittler zwischen Kirche und Staat in der DDR.
"Die nahmen uns so lange ernst, wie sie das Gefühl hatten, die Kirchenleitung hat die Gemeinden hinter sich", sagte er.
Schon in den 60er-Jahren führte Stolpe als Chefjurist der Kirche erste Gespräche mit dem Ministerium für Staatsicherheit. Die Vorwürfe von ehemaligen Bürgerrechtlern, dass er als "IM-Sekretär" Spitzeldienste geleistet, Kircheninterna verraten und Informationen aus der DDR-Opposition geliefert habe – die hat Stolpe stets vehement bestritten.
"Denn jeder, der die Verhältnisse kannte, musste eigentlich wissen: Wenn man etwas erreichen wollte, Leute aus dem Gefängnis holen wollte oder Menschen die Ausreise vermitteln, dann musste man auch mit denen reden, die den Schlüssel hatten."

"Alles zitterte, und er überhaupt nicht"

In den Zeiten der Wiedervereinigung habe der stets auf Ausgleich bedachte Manfred Stolpe wie ein Rettungsanker gewirkt, erinnert sich Matthias Platzeck:
"Die erste persönliche Begegnung war in den Wendemonaten 1989/90, wo Manfred Stolpe auf mich schon bei der ersten Begegnung den Eindruck gemacht hatte, dass er das Gegenteil von all dem ist, was da rings herum stattfand, so atemlos, manchmal auch ein bisschen ratlos. Alles zitterte, und er überhaupt nicht."
Mit Manfred Stolpe als Spitzenkandidat im gerade neu geschaffenen Bundesland Brandenburg holte die SPD auf Anhieb 38 Prozent. Er war der erste sozialdemokratische Ministerpräsident im Osten und gründete eine Ampelkoalition mit Bündnis 90/Die Grünen und der FDP.
"Ich habe Politik immer als eine Möglichkeit verstanden, Freiräume zu schaffen, Lebensbedingungen zu verbessern. Wir haben ja selbst in der DDR erfahren können, dass über die Jahre ja einiges leichter wurde, dass der Druck gemindert wurde."

Wiedervereinigung ein Schock

"Im Rückblick wird vieles verstellt durch die Auseinandersetzung darüber, ob er IM gewesen ist, was man in der politischen Auseinandersetzung nicht behaupten darf, nach einem Verfassungsgerichtsurteil, das er erwirkt hatte", sagt Axel Vogel, , heute grüner Umweltminister, kam 1991 nach Brandenburg.
"Es war wirklich eine Gründungsphase, wo sich Leute getroffen haben, die dieses Land gemeinsam nach vorne bringen wollten und Stolpe stand an der Spitze. Das, muss ich sagen, ist wirklich ein historischer Verdienst von ihm."
Denn die "blühenden Landschaften" ließen auf sich warten. Stattdessen gingen Anfang der 90er-Jahre zehntausende Industrie-Arbeitsplätze verloren. Dennoch nannte Stolpe die Wiedervereinigung 1999 eine "erstaunliche und großartige Gemeinschaftsleistung". Doch der Umgang miteinander müsse erst noch gelernt werden, sagte er bei der ersten Sitzung des nach Berlin umgezogenen Bundestages im dortigen Reichstagsgebäude. Und er betonte, wie groß der Umbruch für die Menschen im Osten war:
"Die Erfahrungen sind oft ein Schock gewesen, vor allem die nicht erwarteten Erfahrungen, zu denen insbesondere die unerwartete Massen- und Langzeitarbeitslosigkeit gehört."

Versprechen gebrochen

Zu Stolpes Regierungsbilanz gehört aber auch das Abbaggern von Dörfern in der Lausitz für den Braunkohle-Tagebau, trotz gegenteiliger Versprechungen. Wirtschaftliche Großprojekte, die eigentlich "Leuchttürme" werden sollten, setzte die Landesregierung spektakulär in den märkischen Sand, vernichtete 240 Millionen Steuergelder.
"Ich hätte misstrauischer sein müssen, auch bei Gesprächen in DDR-Zeiten, auch bei Gesprächen mit Wirtschaftsvertretern nach 1990. Also es tut mir leid, aber ich hätte wirklich misstrauischer, man kann auch sagen: sorgfältiger sein müssen."
2002 gab Stolpe sein Amt als Ministerpräsident an seinen Nachfolger Matthias Platzeck ab. Doch er blieb nicht lange ohne Posten, wurde Bau- und Verkehrs-Minister im Kabinett des SPD-Bundeskanzlers Gerhard Schröder. Nach der Bundestagswahl 2005 und dem anschließenden Regierungswechsel zu einer großen Koalition schied Stolpe auch aus seinem letzten politischen Amt aus. Inzwischen war er an Darmkrebs erkrankt. Die Ärzte gaben ihm 2004 nur noch drei Jahre Lebenszeit. Zwölf Jahre später, 2016, feierte er seinen 80. Geburtstag. Als ein Mann, der mit sich im Reinen war.
"Ich habe auch, glaube ich, keinen reingelegt, keiner könnte sich beklagen, dass er da irgendwie von mir gelinkt worden wäre."
Manfred Stolpe gehörte zu jenen Ost-Politikern, die seit der Wiedervereinigung dazu beitrugen, das Selbstwertgefühl der Menschen aus dem untergegangenen Land im Lot zu halten. Nicht nur in Brandenburg genießt er darum ein hohes Ansehen.
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