Immer ein Kämpfer
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Theodor Wonja Michael war einer der letzten Schwarzen Zeitzeugen der NS-Diktatur. Bis zu seinem Tod setzte er sich für Schwarze Menschen in Deutschland ein, gab Interviews, Lesungen und diskutierte auf Podien. Nun ist er im Alter von 94 Jahren verstorben.
"In Deutschland, wenn jemand fremd aussieht, dann muss er von irgendwo Fremden herkommen. Den Leuten muss ich dann immer sagen: Ich bin Berliner", sagte Theodor Wonja Michael zu Lebzeiten. 1925 wurde Michael geboren. Sein Vater stammte aus Kamerun, seine Mutter aus Ostpreußen. Sie starb früh und seine Pflegeeltern stellten ihn Ende der 1920er-Jahre in Völkerschauen aus. Die Nationalsozialisten entzogen Michael seinen Pass, er durfte die Schule nicht beenden, musste die letzten Kriegsjahre Zwangsarbeit leisten und war in einem Arbeitslager interniert.
"Für mich war spannend, eine Person zu treffen, die ganz viele Epoche miterlebt hat, die mir maximal aus dem Geschichtsunterricht bekannt waren, aber nie aus der Perspektive einer schwarzen Person", sagt Tahir Della von der "Initiative Schwarze Menschen in Deutschland", der Michael 1996 zum ersten Mal traf.
"Konkret die Zeit zwischen 1933 und 1945 war für mich immer eine Epoche, in der ich mir kaum vorstellen konnte, dass es schwarze Menschen gab, die hier gelebt haben und überlebt haben."
Gezwungen zu Propagandafilmen
Um zu überleben, spielte Michael unter anderem in Propagandafilmen der UFA mit, in denen er den unzivilisierten Schwarzen darstellen sollte. "Er hat im Rückblick immer deutlich beschrieben, wie unangenehm, wie schlimm das war und gleichzeitig noch mal verdeutlicht, dass es auch zum Überleben gehörte. In Berlin bei der UFA, das war für ihn eine Nische die Zeit zu überleben", so Tahir.
Nach 1945 holte Michael das Abitur nach und studierte unter anderem Politikwissenschaften in Hamburg und Paris. Er arbeite, diesmal freiwillig, als Schauspieler und Synchronsprecher. Später wurde er Journalist und Chefredakteur der Zeitschrift "Afrika Bulletin". 1971 begann er für den Bundesnachrichtendienst zu arbeiten, wurde verbeamtet und damit der erste schwarze Bundesbeamte im höheren Dienst. So erzählt er es auch in seiner Autobiografie "Deutsch sein und schwarz dazu: Erinnerungen eines Afro-Deutschen".
Stets gesellschaftlich engagiert
Die NS-Zeit und die schrecklichen Rassismuserfahrungen hätten ihn nicht gebrochen. Er sei bis zum Schluss ein positiver und offener Mensch geblieben, erzählt Tahir. Der immer deutlich gemacht habe, dass er Teil der deutschen Gesellschaft sei und sich das nicht nehmen ließe.
Bis zu seinem Tod setzte sich Michael für die schwarze deutsche Community ein. Selbst im hohen Alter gab er noch Interviews, Lesungen und diskutierte auf Podien mit.
"Am meisten hat er vermisst, dass die Gesellschaft endlich anerkennt, dass schwarze Menschen in Deutschland präsent sind, ihre Perspektiven einbringen und dass das eine Bereicherung für Deutschland ist und dass das wirklich immer umfassend gesehen wird. Das war für ihn immer zentral: Wir sind hier, wir bleiben auch hier und wir wollen auch gehört werden", sagt Tahir.
(nho)