Meister der musikalischen Schockwellen
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Bob Marley und Paul McCartney produzierten Songs bei ihm, als Erfinder der Dub-Musik mischte er die Musikwelt auf: Der jamaikanische Reggaemusiker Lee "Scratch" Perry gilt den einen als Genie, anderen als nahe am Wahnsinn. Jetzt ist er mit 85 gestorben.
Wenn der jamaikanische Premierminister höchstpersönlich den Tod eines Reggaemusikers verkündet, dann muss der jemand ganz Besonderes gewesen sein. Tatsächlich nennt der Premier Andrew Holness auf Twitter den am 29. August im Alter von 85 Jahren verstorbenen Lee "Scratch" Perry eine "Legende".
Der Schweizer "Tagesanzeiger" dagegen würdigt ihn als "den verrücktesten Schwyzer". Denn dort, im Kanton Schwyz, hatte Perry längere Zeit gelebt und für einiges Aufsehen gesorgt.
Er, ein Junge vom Land, aus der Provinz Hannover, sei kein glänzender Sänger gewesen, aber intelligent, ein guter Tänzer und mit einem guten Gespür dafür ausgestattet, "zur richtigen Zeit bei den richtigen Leuten" zu sein, sagt Musikjournalist Andreas Müller. Und die Hauptstadt Kingston sei der einzige Ort, an dem das auf Jamaika möglich gewesen sei.
Riesige Fangemeinde in England
In dieser Atmosphäre und mit guten Verbindungen nach England produzierte Perry "innerhalb kurzer Zeit eine Unmenge von Songs. Viele von ihnen sind längst Klassiker." Denn: "Insbesondere in England, wo die riesige Gruppe von Migranten aus der Karibik nach Musik aus der alten Heimat giert", habe der Reggaemusiker eine große Fangemeinde gehabt, erzählt Müller.
Perry traf auch auf Bob Marley, mit dem er einige Songs aufnahm. In der Weißen-Welt sah man ihn gerne als leicht wahnsinniges Genie, als schillernden Freak, der sich verrückt kleidete und unermüdlich vermeintlich kosmische Weisheiten von sich gab. Aber zugleich war Perry auch der Mann, der als Erfinder des Dub gilt und damit die Clubmusik der letzten Jahrzehnte beeinflusste und revolutionierte.
Der endgültige große Durchbruch kam mit Perrys eigenem Produktionsstudio Black Ark, so Müller weiter: "Dieses Studio ist wie ein Organismus. Mit einfacher Technik ausgestattet, aber quasi Teil des Produzenten. Lee Perry macht das Studio zum Instrument – mischt live, fertigt Mixe an, die er in Echtzeit wieder auseinandernimmt, direkt aufs Masterband. Und wird dabei zum Virtuosen."
Produktiv bis zum Schluss
Das Black Ark habe "musikalische Schockwellen" in die Welt gesendet, beschreibt Müller Perrys Wirkung. Viele Musikgrößen, bis hin zu Paul McCartney, hätten bei Perry ihre Songs aufgenommen.
1979 brannte das Black Ark-Studio nieder – zeitweilig geriet Perry unter Verdacht, den Brand selbst gelegt zu haben. Er ging ins Ausland: In die USA, dann in die Schweiz und blieb weiter als Produzent aktiv und äußerst produktiv.