Zunächst kritisiert, dann ein Sensationserfolg

Von Albrecht Dümling |
Bei der Uraufführung im Februar 1904 in Helsinki wurde dieses Werk noch skeptisch aufgenommen. Heute ist das Violinkonzert des Finnen sein einziges Solokonzert, seine meistaufgenommene Komposition und sogar das am häufigsten aufgenommene Konzert des 20. Jahrhunderts.
Das finnische Musikleben, aus dem Komponisten wie Esa-Pekka Salonen, Magnus Lindberg und Kaija Saariaho hervorgingen, gilt heute als vorbildlich. Fast vergessen ist, dass finnische Musik noch vor 100 Jahren nur eine Randerscheinung in Europa war. Finnen, die etwas lernen wollten, mussten ins Ausland gehen.

Auch Jean Sibelius, der ursprünglich Geiger werden wollte, zog nach Berlin und Wien, wo er bei dem Joachim-Schüler Fritz Struß Violine und bei Albert Becker, Karl Goldmark und Robert Fuchs Komposition studierte. Obwohl Sibelius mit Schwedisch als Muttersprache aufgewachsen war, identifizierte er sich mit der nationalfinnischen Bewegung und schuf programmatische Orchesterwerke wie die Kullervo-Symphonie oder die Karelia-Suite. Die Geige, sein Lieblingsinstrument, spielt dagegen in seinem Schaffen eine weniger prominente Rolle. Das Violinkonzert stellt die große Ausnahme dar.

Bei der Uraufführung im Februar 1904 in Helsinki wurde dieses Werk noch skeptisch aufgenommen. Karl Flodin, Finnlands führender Musikkritiker, empfand es als unoriginell. Max von Schillings hatte geplant, das neue Konzert auf einem Tonkünstlerfest des Allgemeinen Deutschen Musikvereins aufführen zu lassen. Nach Durchsicht der Partitur nahm er davon jedoch Abstand, da in dieser "süßlichen und flachen" Musik eine "Chopin-Liszt'sche Phraseologie" dominiere.

Die von zwei so kompetenten Musikern vorgetragene Kritik bewog Sibelius zu einer gründlichen Überarbeitung. Auf Initiative des Verlegers Robert Lienau kam die revidierte Fassung am 19. Oktober 1905 in Berlin zur ersten Aufführung. Der Geiger Karel Halir wurde dabei von der Preußischen Hofkapelle unter Leitung von Richard Strauss begleitet. Obwohl die Resonanz nun freundlicher war, lehnte Joseph Joachim das Konzert des Finnen weiterhin als "scheußlich und langweilig" ab. Dabei hatte einer von Joachims besten Schülern, der zeitweise in Helsinki lebende Willy Burmester, den Komponisten zu diesem Werk angeregt.

In Finnland wie in Deutschland hatte man sich etwas typisch Finnisches erwartet und war enttäuscht, dass sich Sibelius in seinem Violinkonzert an der klassisch-romantischen Tradition orientierte, nicht zuletzt an den virtuosen Solokonzerten Tschaikowskys. Der Solist beginnt über tremolierenden Violinen mit dem ausgedehnten Hauptthema ("dolce ed espressivo"), dessen erste drei Töne grundlegend sind: eine ansteigende Sekunde, der ein Quintfall folgt.

Wie in seinen Symphonien verschleiert Sibelius zunächst die Metrik. Eine kleine Kadenz leitet zum Seitenthema über, das von leidenschaftlichen Sextengriffen beherrscht wird. Eine große Kadenz tritt in diesem Sonatensatz an die Stelle der Durchführung. Originell ist auch, dass die Reprise nicht in d-moll, sondern in g-moll beginnt und erst spät zur Grundtonart zurückkehrt.

Eine ausgedehnte Violinmelodie in B-Dur dominiert den lyrischen Adagio-Satz, den Klarinetten und Oboen einleiten. Die spieltechnisch größten Anforderungen stellt das Finale. Das sehr energische engstufige D-Dur-Hauptthema schwebt über einem ruhelosen Ostinatorhythmus, der dem eines Bolero oder einer Tarantella ähnelt, den Sibelius selbst aber mit einem "Danse macabre" verglich.

Viel positiver als in Deutschland wurde das Werk in den USA rezipiert, wozu nicht zuletzt 1935 Jascha Heifetz mit seiner Schallplattenaufnahme beitrug. Heute ist das Violinkonzert des Finnen sein einziges Solokonzert, seine meistaufgenommene Komposition und sogar das am häufigsten aufgenommene Konzert des 20. Jahrhunderts.