Zuneigung zur Vielfalt des Lebens
Der portugiesische Literaturnobelpreisträger José Saramago verstarb 2010. Posthum erscheint nun ein frühes Werk von ihm, der Ende der 40er-, Anfang der 50er-Jahre unter der Salazar-Diktatur verfasste Roman "Claraboia".
Das Manuskript wurde Jahrzehnte später in jenem Verlag gefunden, der dem 31-Jährigen damals nicht einmal eine abschlägige Antwort gegeben hatte. Der inzwischen berühmte Saramago erhielt die Nachricht vom Manuskriptfund eines Morgens bei der Rasur, so schildert es das Vorwort von Pilar del Río, der Präsidentin der José Saramago-Stiftung, und zögerte nicht, es sofort abzuholen. Zu Lebzeiten veröffentlichen aber wollte er den Roman nicht.
Dafür gibt es gute Gründe – dagegen allerdings auch. "Claraboia" nach der 1947 verfassten Novelle "Land der Sünde" Saramagos zweites Werk, ist kein perfektes Werk. Aber es enthält in nuce vieles von dem, was den Verfasser später zu einem der bekanntesten portugiesischen Schriftsteller machen sollte: starke Frauen und suchende Männer, Zuneigung zur Vielfalt des Lebens, die Familie als Hölle, ein Erzähler, der Überblick bewahrt und mit ironischen Kommentaren für Distanz sorgt, dazu Verbeugungen vor Shakespeare, Pessoa, Beethoven.
All dies bündelt der Ort: "Claraboia" schildert über einige Monate hinweg Schicksale in einem Lissabonner Mietshaus. Die Mieter sind Kleinbürger und kleine Selbständige, die die bescheidene Wohnung nur mit Mühe finanzieren. Ein Schusterehepaar nimmt einen Untermieter auf, eine hübsche Frau lässt sich von einem Fabrikanten aushalten und wird von einer jüngeren Konkurrentin ausgestochen, die mit ihren Eltern ebenfalls im Haus wohnt. Die Eltern sind auf das Salär der Tochter angewiesen und freuen sich über den Aufstieg, halb wissend, dass er sich ihrem Körper verdankt.
Vom zweiten Motivkreis erzählt Saramago alternierend: Zwei Ehepaare hassen sich mit aller Kraft, was in einem Fall auf eine Trennung hinaus läuft, im zweiten auf ein verzweifeltes, masochistisches Begehren mit ehelicher Vergewaltigung. Und eine Heranwachsende verspürt nach der Lektüre von Diderots Roman "Die Nonne" erotische Gefühle für ihre Schwester.
Dafür gibt es gute Gründe – dagegen allerdings auch. "Claraboia" nach der 1947 verfassten Novelle "Land der Sünde" Saramagos zweites Werk, ist kein perfektes Werk. Aber es enthält in nuce vieles von dem, was den Verfasser später zu einem der bekanntesten portugiesischen Schriftsteller machen sollte: starke Frauen und suchende Männer, Zuneigung zur Vielfalt des Lebens, die Familie als Hölle, ein Erzähler, der Überblick bewahrt und mit ironischen Kommentaren für Distanz sorgt, dazu Verbeugungen vor Shakespeare, Pessoa, Beethoven.
All dies bündelt der Ort: "Claraboia" schildert über einige Monate hinweg Schicksale in einem Lissabonner Mietshaus. Die Mieter sind Kleinbürger und kleine Selbständige, die die bescheidene Wohnung nur mit Mühe finanzieren. Ein Schusterehepaar nimmt einen Untermieter auf, eine hübsche Frau lässt sich von einem Fabrikanten aushalten und wird von einer jüngeren Konkurrentin ausgestochen, die mit ihren Eltern ebenfalls im Haus wohnt. Die Eltern sind auf das Salär der Tochter angewiesen und freuen sich über den Aufstieg, halb wissend, dass er sich ihrem Körper verdankt.
Vom zweiten Motivkreis erzählt Saramago alternierend: Zwei Ehepaare hassen sich mit aller Kraft, was in einem Fall auf eine Trennung hinaus läuft, im zweiten auf ein verzweifeltes, masochistisches Begehren mit ehelicher Vergewaltigung. Und eine Heranwachsende verspürt nach der Lektüre von Diderots Roman "Die Nonne" erotische Gefühle für ihre Schwester.
Kunst, Freundschaft und Skeptizismus
Aufgehoben werden Not wie Hass oder Liebe im dritten Motivkreis, dem Genuss der Kunst und der Freundschaft. Die Übertragungen klassischer Musik im Radio wirken erhebend auf einige Mieter, und der einsame Untermieter befreundet sich mit seinen Vermietern, dem liebevollen Schusterehepaar. Er legt seinen Skeptizismus ab und bricht am Ende auf, um die Welt auf seine Weise zu ändern. Nicht zufällig bleibt der Roman in diesen Passagen sehr allgemein: Salazars Diktatur ist spürbar.
Saramago erzählt unterhaltsam, aber ein wenig plan. Thesenhaft wirken vor allem die Dialoge über die weltverändernde Freundschaft. Mit ihnen dürfte Saramago, der 1969 undogmatisches Mitglied der KP wurde und bis zu seinem Tod blieb, nicht mehr einverstanden gewesen sein. Er verwand die Enttäuschung, vom Verlag nicht einmal eine Absage für das Manuskript von "Claraboia" zu erhalten, arbeitete für Verlage, übersetzte und verfasste Lyrik. Erst 1977 erschien wieder ein Roman, das "Handbuch der Malerei und der Kalligraphie". Der Rest ist bekannt.
Besprochen von Jörg Plath
Saramago erzählt unterhaltsam, aber ein wenig plan. Thesenhaft wirken vor allem die Dialoge über die weltverändernde Freundschaft. Mit ihnen dürfte Saramago, der 1969 undogmatisches Mitglied der KP wurde und bis zu seinem Tod blieb, nicht mehr einverstanden gewesen sein. Er verwand die Enttäuschung, vom Verlag nicht einmal eine Absage für das Manuskript von "Claraboia" zu erhalten, arbeitete für Verlage, übersetzte und verfasste Lyrik. Erst 1977 erschien wieder ein Roman, das "Handbuch der Malerei und der Kalligraphie". Der Rest ist bekannt.
Besprochen von Jörg Plath
José Saramago: Claraboia oder Wo das Licht einfällt. Roman
Aus dem Portugiesischen von Karin von Schweder-Schreiner
Hoffmann & Campe, Hamburg 2013
349 Seiten, 22,99 Euro
Aus dem Portugiesischen von Karin von Schweder-Schreiner
Hoffmann & Campe, Hamburg 2013
349 Seiten, 22,99 Euro