Sinnbild für das ewige Leben
Eichen können groß und alt werden - gute Gründe dafür, warum sie in so vielen Religionen eine herausragende Rolle spielen. Auch in Deutschland lassen sich Bäume entdecken, die manchen als heilig gelten.
Die Hüterin des Wallfahrtsortes "Marienkapelle" geht auf das Heiligtum zu, spricht dabei.
"Und es heißt, es traute sich niemand mehr in dieses Tal wie nur ein Schäfer. Und der weidete hier seine Schafe."
Erika Kiewitt war lange Zeit die "Hüterin" der Marienkapelle in Marienborn – dem ältesten Wallfahrtsort Deutschlands.
"Und da sah er, wie Frauen mit brennenden Fackeln zu einer alten Eiche gingen, nahe eines Brunnens, sich verneigten und beteten. Und diese alte Eiche stand hinter der Kapelle bis 1956, war schon mit Ketten gesichert, und fiel dann doch [bei] einem Gewitter zum Opfer."
Eiche kommt schon im Alten Testament vor
Die Geschichte vom Schäfer und dem Brunnen wird die "Legende von Marienborn" genannt.
"Dann trieb der Schäfer seine Schafe zu diesem Brunnen, um sie zu tränken. Aber sie tranken nicht von dem Wasser, sie schreckten zurück. Also hat es diese Bedeutung, das Wasser ist nicht für das Vieh bestimmt, sondern für die Menschen. Dann sah er in einem Traum, wie Maria ihren Sohn bat, er möchte ihr doch diesen Ort schenken, so lange die Welt besteht. Dass man seine Sorgen und Bitten hier vortragen kann. Dann stieg sie in den Brunnen, und der Sohn danach, und dann fand man diese kleine Figur in diesem Brunnen."
Weiter heißt es, zwei Engel stiegen aus den Wolken mit einem Kreuz und hielten das Kreuz über den Brunnen als Zeichen, dass das Wasser gesegnet sei.
"Das ist die Quelle?"
"Ja."
"Ja."
"Die Stimme des Herrn lässt Eichen wirbeln, und reißt Wälder kahl. In seinem Tempel ruft alles: Ehre!"
Psalm 29,9
"Es gibt die Eiche in der Bibel schon im Alten Testament. Die Eiche ist ein Vergleich für starke Herrscher, aber das ist doch eher marginal. Und entsprechend wird es dann auch nicht in die Hermeneutik übernommen, in die Bibeldeutung."
Erklärt Beatrice Trinca, Religionswissenschaftlerin an der Freien Universität Berlin.
Majestätischer Wuchs
Kein anderer Baum wurde in nahezu allen vorchristlichen Kulturen wegen seiner Schönheit, seines majestätischen Wuchses und seines Alters so verehrt wie die Eiche, die bis zu 1000 Jahre alt werden kann.
"Und der Engel des Herrn kam, und setzte sich unter die Eiche bei Ofra."
Ri 6,11
Den Germanen war die Eiche heilig, sie nannten den Baum "Fürst der Wälder". Auch im antiken Griechenland spielte die dort heimi-sche Zerr-, oder Traubeneiche eine wichtige Rolle. So war das dem Zeus gewidmete Eichenorakel zu Dodona in Nordgriechenland der Sitz des ältesten hellenischen Orakels. Die Priester deuteten den Willen der Götter aus dem Rauschen der Eichenblätter. Auch für die Römer war die Eiche heilig, sie widmeten den Baum dem Gott Jupiter. Den Galliern galten Eichenwälder als heilige Orte in denen sie den stärksten und höchsten Eichen Opfer darbrachten.
Die Kelten nannten die Eiche "Duir", und feierten in heiligen Ei-chenhainen religiöse Feste. Die Misteln, die auf den Eichen wach-sen, wurden von den Druiden, den "Eichenpriestern" Galliens, mit großem rituellen Aufwand geerntet und galten als sehr kostbar.
"...und zog dem Mann Gottes nach und fand ihn unter einer Eiche sitzen und sprach zu ihm: Bist du der Mann Gottes, der von Juda gekommen ist? Er sprach: Ja."
1, Kön 13, 14
Als das Christentum nach Deutschland kam, wurden viele der Hei-ligen Eichen gefällt. Besonders das Fällen der Donareiche - dem germanischen Gott Donar oder auch Thor geweiht - bei Geismar im heutigen Hessen ist bis heute überliefert.
"Gerade an der Eiche haben sich in der Zeit der Christianisierung die Geister ge-schieden. Es gab ja die für die Germanen heilige Eichen, die zum Teil von christli-chen Missionaren gefällt wurden in ihrem religiösen Eifer. Dann wurde das auch für das Christentum instrumentalisiert, verwendet in dem Sinne, dass es die Marien-eichen gab. Auf der einen Seite sind es die Legende, die sagen, dass ein Bild Mariens in der Eiche erschienen ist, und so entstanden Wallfahrtsorte. Das fließt ja zum Beispiel auch in Ortsnamen ein, zum Beispiel Mariaeich bei München. Natürlich hat man das auch gemacht, dass man Marienikonen an Eichen gehängt hat zum Zweck der Wallfahrt."
Nach der von Willibald von Mainz verfassten Vita Sancti Bonifatii befand sich der englische Missionar Bonifatius auf einer Missionsreise. Um den Großteil der noch nicht vom Christentum bekehrten Chatten vom neuen Glauben zu überzeugen, ließ er im Jahr 723 in Gegenwart zahlreicher Chatten die Heilige Eiche in Geismar fällen. Sie beschimpften und verwünschten Bonifatius, doch der Gott Donar schickte nicht die von den Heiden erwarteten Blitze. Überzeugt davon, dass der christliche Gott stärker war als Donar, ließen sich die Chatten von Bonifatius taufen.
"Das ist keine Parallelwelt, sondern das ist eigentlich unsere natürliche Umgebung. Wir haben uns so ein bisschen abgekoppelt, weil wir Natur häufig von der technischen Seite angehen. Das wird dann wissenschaftlich sehr hart beschrieben: Bäume als eine Art Bioroboter, Holzlieferanten, Sauerstofflieferanten…aber ads sind sie natürlich nicht in erster Linie. Das sind eigene Wesen mit einer eigenen Gefühlswelt einem eigenen Lebenssinn, und die haben eben die ganze Zeit neben uns herexistiert, ohne dass wir genau hingeguckt haben."
Sagt Peter Wohlleben, Förster und Autor des Bestsellers: "Das geheime Leben der Bäume". Und Beatrice Trinca von der Freien Universität in Berlin meint zur Eiche als Symbol im Christentum...
"Natürlich, die Eiche als Holz…es wurde als unzerstörbares Holz angesehen, ist ein Sinnbild für das ewige Leben, die Eiche in ihrer Fruchtbarkeit, sie hat ja sehr viele Früchte, und wurde als Sinnbild für die rasche Verbreitung des Christentums angesehen."
Eichen wurden selbst als Götter verehrt
Und Absalom begegnete den Männern Davids und ritt auf einem Maultier. Und als das Maultier unter eine große Eiche mit dichten Zweigen kam, blieb sein Haupt an der Eiche hängen, und er schwebte zwischen Himmel und Erde....
2. Sam.18,9
Eichen machen wie kein anderer Baum durch ihre Langlebigkeit Zeit sichtbar. In früheren Religionen besaßen Eichen eine numinose Dignität, wurden also selbst als Götter verehrt oder als deren Symbol und Wohnsitz. Unter ihren Kronen fanden schon Gottesdienste statt, lange bevor es Tempel und Kirchen gab. Eichen und generell Bäume sind für viele ein Symbol des Christentums.
"Wenn man jetzt die Bibel nimmt: die Bibel selbst galt in der Hermeneutik als Wald, in dem man nach süßen Früchten sucht, da sind die süßen Früchte des Verstehens. Das ist natürlich ein Bild für das Verstehen."
In der christlichen Bildkultur galt das Motiv der honigtriefenden Eiche als Zeichen für die Zeit, die kommen wird, wenn Jesus da ist. Für Augustinus war der Honig selbst ein Bild für die Zärtlichkeit Gottes und seiner Güte. Beides, die Eiche und der Honig verbinden sich in der christlichen Mythologie. Der goldene Honig für die nahende goldene Zeit, der Eichenbaum mit seinem dauerhaften Holz und langen Leben als Baum des ewigen Lebens und ewigen Heils. Doch egal, ob als "Königin des Waldes" oder als "weiser Vaterbaum", der den Menschen bei verwirrten Emotionen hilft, so der mittelalterliche Glaube – die Eiche ist auch heute noch ein Baum von hoher Symbolkraft.