Zur richtigen Zeit am richtigen Ort

Von Claudia Wheeler |
Die Fotografin Margaret Bourke-White lichtete Stalins Mutter und den Diktator selbst ab, war Reporterin der US-Armee im Zweiten Weltkrieg und hielt die Befreiung des KZs Buchenwald mit der Kamera fest. Mehr als 150 Bilder der Pionierin sind zurzeit im Berliner Martin-Gropius-Bau zu sehen.
Diese Bilder gingen um die Welt: Überlebende des Konzentrationslagers Buchenwald stehen hinter Stacheldraht, in ihrer gestreiften Häftlingskleidung blicken sie mit großen Augen in die Kamera. Halb verhungerte Menschen in Baracken. Nackte und ausgemergelte Leiber übereinander gestapelt, Weimarer Bürger stehen daneben, halten sich Taschentücher vor den Mund, schauen weg. Margaret Bourke-White war dabei, als die Amerikaner am 11. April 1945 das KZ befreiten – als Kriegsreporterin der US Armee.

"Viele haben gefragt, wie sie bloß in der Lage war, diese entsetzlichen Bilder zu machen, und sie hat gesagt: Ich musste einfach. Der Horror war so unbegreiflich dass ich dachte, die Welt muss das sehen. Die Kamera war für sie eine Barriere zwischen sich und dem Grauen","

so die Kuratorin Olivia Maria Rubio.

""Sie hat auch gesagt, dass sie erst in dem Augenblick, als sie die Abzüge machte, wirklich begriffen hat, was sie da fotografiert hat."

Margaret Bourke-White wollte das Auge ihrer Zeit sein und dieses Ziel hat sie beharrlich verfolgt. Angefangen hatte sie Ende der 1920er-Jahre als Architektur- und Industriefotografin. Ihre spektakulären Aufnahmen von Industrieanlagen standen für einen neuen und vielbeachteten fotografischen Zugang zur rasanten Wirtschaftsentwicklung in den Vereinigten Staaten. Für sie hatte die Welt der Industrie eine unbewusste Schönheit entwickelt, die nur darauf wartete entdeckt zu werden. Sie reiste kreuz und quer durch die USA, fotografierte Fabriken in ihrer ganzen Monumentalität, aber auch einzelnen Maschinen fast wie Skulpturen

"Sie war fasziniert von den Maschinen, von der Industrialisierung. Sie glaubte an die Kraft und Lebendigkeit der Industrie und das wollte sie festhalten. Sie stand ganz im Geist ihrer Zeit als man noch meinte, Technik könne alle Probleme dieser Zeit lösen."

Es waren diese Industriefotos, die ihr die Tür zum renommierten Life Magazin öffneten. Die Ausstellung zeichnet nach, wie Margaret Bourke-White als einzige Frau bei dieser Zeitschrift eine große Karriere machte. Sie wurde um die ganze Welt geschickt - zwischen 1930 und 41 reiste sie mehrere Male in die damalige Sowjetunion, legte mehr als 5000 km zurück, um den Aufbau des Sozialismus zu dokumentieren. Sie interessierte sich aber zunehmend für die Menschen, zeigte die bittere Armut in den ländlichen Gegenden: Frauen die mit ihren Kindern in langen Schlangen nach Lebensmitteln anstehen, Großfamilien, die auf engsten Raum mit Schweinen und Ziegen zusammenleben. 1941 gelang es ihr, Stalin zu portraitieren. Kaum zu glauben, dass die so nah an zwei verschiedene Welten herankamen.

"Sie hatte große Probleme ein Visum zu bekommen doch als sie ihre Fotos vorlegte, die sie in den amerikanischen Industriebetrieben gemacht hatte, da wurden ihr die Türen geöffnet, denn diese ästhetischen Bilder waren ja wunderbare Werbefotos. Sie hatte freie Hand, konnte quer durch das Land reisen und seltsamer Weise wurden ihre Fotos wurden nicht zensiert. Ein Beweis dafür, dass sie sich durchsetzen konnte."

Oft war sie zur richtigen Zeit am richtigen Ort. 1941 war sie in Moskau, als am 19. Juli der Krieg zwischen Deutschland und der Sowjetunion ausbrach. Vom Dach der amerikanischen Botschaft fotografierte sie die Bombardierung Moskaus – als einzige ausländische Fotografin. Zwei Jahre später wurde sie von der US-Regierung als Kriegsfotografin akkreditiert, und war das, was man heute den "embedded journalist" nennt. Das "Life" Magazin veröffentlichte mehrere ihrer großen Reportagen.

"Sie hat für die wichtigsten amerikanischen Magazine gearbeitet. Vor allem die Zeitschrift 'Life' war damals sehr einflussreich und hatte Macht. Und mit dieser Macht im Rücken konnte Margaret Bourke-White überall hin reisen und auch die großen Politiker wie Churchill und Roosevelt fotografieren. Diese Popularität machte sie auch zur ersten weiblichen Kriegsberichterstatterin. 'Life' öffnete ihr wirklich alle Türen."

Die Ausstellung gibt mit rund 150 Fotos nur einen kleinen Einblick in die großartige Bildwelt von Margaret Bourke-White. Sie war zu ihrer Zeit eine Berühmtheit – hatte sie sich doch gegen eine große männliche Konkurrenz durchgesetzt. "I will be a success", hatte sie zu Beginn ihrer Karriere prophezeit. Und mehr als anderen Frauen ihrer Zeit ist ihr dies auch gelungen.

Service:
Die Ausstellung "Margaret Bourke-White. Fotografien 1930 – 1945" ist bis zum 14. April 2013 im Martin-Gropius-Bau in Berlin zu sehen.
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