Eine frivole Komödie, als alle politische Filme machen wollten
Es war der erste Slacker-Film überhaupt. Und das, bevor der Begriff des "Slackers" überhaupt erfunden wurde. "Zur Sache, Schätzchen" ist heute vor 50 Jahren in die Kinos gekommen. Und hat eine ganze Generation geprägt.
Heute vor 50 Jahren war Premiere eines deutschen Kinofilms, der die Jugendsprache nachhaltig beeinflusst hat und natürlich die Karriere von Uschi Glas, denn die war das Schätzchen in "Zur Sache Schätzchen" – eine, man kann sagen, frivole Komödie von Regisseurin May Spils mit ihrem Partner Werner Enke in einer der Hauptrollen. Warum wirkt der Zauber dieses Films heute noch nach und welche Bedeutung hatte er für das ikonische Jahr 1968? Das besprechen wir mit der Kulturjournalistin Manuela Reichart.
Frau Reichart, ich erinnere mich vor allem an den Striptease von Uschi Glas auf der Polizeiwache. Was fällt Ihnen denn als Erstes ein zum Film?
Manuela Reichart: Der Anfang, also wo man ja sieht, wie Leute in einen Laden einbrechen, und man sieht das dann aus der Perspektive von Werner Enke, der ja die Hauptrolle spielt. Und der guckt aus seinem Fenster und sieht, was die da machen, und es interessiert ihn überhaupt nicht. Er ruft weder die Polizei noch macht er sonst irgendwas, sondern setzt sich einfach wieder an seinen Tisch und lässt die Dinge so geschehen. Und das zeigt schon ganz viel über diese Figur und erzählt viel über die Figur. Da war ja auch so ein Begriff, der dann in die allgemeine Sprache übergegangen ist, vor allen Dingen die der Jugend: Er war ein "Gammler". Und zum ersten Mal konnte man im bundesdeutschen Kino einen solchen Mann sehen, der so in den Tag hineinlebte und dem es dabei eigentlich ganz gut ging.
Karkowsky: Genau, heute würde man Slacker zu ihm sagen, dieser Nichtstuer Martin. Er hat zwar immer einen flotten Spruch auf Tasche, aber sonst nichts vor im Leben. So in dieser Szene, wo Martin mit Barbara spricht und seine Haltung zur Arbeit klar macht:
"Ich kann nicht arbeiten."
"Du kannst ein bisschen arbeiten, ein bisschen Geld verdienen."
"Nein, ich kann nicht arbeiten, ich hab's versucht. Erst war ich Student, dann hab ich im Büro gearbeitet, in ner Molkerei und so weiter, Blutspender … Es geht nicht. Und jetzt bin ich Werbetexter."
Karkowsky: Was war denn wirklich das Neue an diesem Gammlertypen, diesem arbeitsscheuen Bürgerschreck?
Reichart: Ja, wobei man noch eine Sache sagen muss – das hat der Werner Enke nämlich mal erzählt –, diese ganzen Sprüche, die dann so in den allgemeinen Jugendslang eingegangen sind, die kamen von seiner Großmutter. Er hat nämlich erzählt, dass die immer zu ihm gesagt hat, "fummel nicht so viel am Fahrrad rum", da kam dann dieses Fummeln her, oder so ein anderer Begriff, "das wird böse enden", das hätte sie auch zu ihm gesagt, "mach mal 'ne anständige Lehre, sonst wird das böse enden". Und als er dann die Dialoge geschrieben hat für diesen Film – beziehungsweise es waren ja ganz viel so Stehgreifdialoge –, dann hat er sich daran erinnert.
Das Besondere an diesem Film war, glaube ich, dass da zwei Leute, die waren beide 27 Jahre alt, die Regisseurin und ihr Hauptdarsteller, die haben eine Schwabinger Komödie gemacht und das in einer Zeit, 68, wo ja eigentlich die Leute Anfang der 60er gesagt haben, hier, Opas Kino ist tot, wir machen jetzt das politisch engagierte Kino, wir wollen die Gesellschaft verändern, wir wollen einwirken. Und da sind die beiden hergekommen und haben eine Komödie gemacht und gesagt, uns interessiert die Wirklichkeit gar nicht besonders, so das, was ihr da macht, und haben im Grunde diese Generation der Leute vor ihnen versucht, vom Sockel zu stoßen.
Das war der erfolgreichste Film 68, und diese Figur, die Enke da gespielt hat, hatte es so einfach noch nicht gegeben. Das war ja kein Mann, der irgendwas wollte oder was in Bewegung setzte, sondern der die Dinge so hat sein lassen, wie sie waren. Und das war, glaube ich, schon ziemlich verrückt. Und im Grunde – man hat ihm dann ja vorgeworfen im Film, dass das eben irgendwie politisch engagiert war –, war es natürlich trotzdem ein Kommentar zu 68. Denn das, was dann später kam, seien es die Hippies oder sei es eine bestimmte Bewegung, das hat er ja vorweggenommen und hat gesagt, hier, es gibt noch was anderes, wir müssen nicht so wahnsinnig viel uns an dieser Leistungsgesellschaft orientieren.
Karkowsky: Nun war ja der Vorwurf des Unpolitischen auch bedingt dadurch, dass sie den Schluss verändert haben, das hat Werner Enke mal erzählt. Die sind am dritten Drehtag überrascht worden von der Nachricht – in Berlin wurde der Student Benno Ohnesorg erschossen bei Demonstrationen gegen den Schah – und daraufhin haben sie das Drehbuch geändert. In der ersten Fassung stirbt Martin ebenfalls durch eine Polizeikugel, vor allem nach seinem Dauerspruch …
"Dein Bett könntest du auch mal neu beziehen."
"Ich weiß, es wird böse enden."
Karkowsky: "Es wird böse enden" – aber man wollte den Film nicht als Abbildung der Realität verstanden wissen und lässt ihn deshalb am Ende lieber überleben. Das ist doch wirklich ziemlich unpolitisch.
Reichart: Das ist, glaube ich, nicht unpolitisch, weil das Ganze war ja gar nicht eine politische Geschichte, dieses Ende, sondern die haben sich orientiert an dem großen Film von Jean-Luc Godard "Außer Atem", wo Belmondo am Ende stirbt. So wollte Enke auch sterben, also ein Kinotod. Und dass sie dann reagiert haben auf die Wirklichkeit und gesagt haben, wir wollen die Wirklichkeit nicht abbilden, ja, das war im Sinne der 68er vielleicht unpolitisch, aber wenn wir den Film heute sehen, sehen wir es natürlich auch als eine Art von Dokument, als ein gesellschaftspolitisches Dokument der Zeit und der Empfindungen dieser jungen Leute, die sie eben waren. Uschi Glas war noch drei Jahre jünger, die war 24.
Karkowsky: 50 Jahre "Zur Sache Schätzchen". Heute vor 50 Jahren hatte der Film Premiere, am 4. Januar 1968, und wir haben darüber gesprochen mit der Kulturjournalistin Manuela Reichart. Frau Reichart, besten Dank!
Reichart: Danke Ihnen!