Zurück zur Natur
Vor 100 Jahren, am 7. Juni 1905, gründeten die Dresdner Architekturstudenten Karl Schmidt-Rottluff, Erich Heckel, Fritz Bleyl und Ernst Ludwig Kirchner die Künstlergruppe Brücke. Sie wollten zu neuen Ufern der Kunst aufbrechen, sich von der von ihnen als starr empfundenen akademischen Malerei abgrenzen. Wichtige Impulse gab ihnen die Natur.
Die Künstler kehrten der Großstadt immer wieder den Rücken. Sie reisten - immer in verschiedener Besetzung - in die Dresdner Umgebung und an die Ostsee, wo unzählige ihrer Werke entstanden sind. Auch als die Künstlergruppe sich auflöste, zog sich jeder Einzelne in den Sommermonaten in die Natur zurück. Noch heute - 100 Jahre später - kann man auf ihren Spuren wandeln und viele Bildmotive wieder finden.
Eine halbe Autostunde von Dresden entfernt liegt Moritzburg. Eine leicht hügelige Landschaft mit weitläufigen Feldern, einem großen See und kleinen Teichen. An den Ufern stehen Bäume und wachsen dichte Schilfgürtel. Dazwischen viele versteckte und einsame Badestellen. Genau das suchen die Brücke Künstler: Abgeschiedenheit in der Natur. Kunsthistorikerin Konstanze Rudert, schon lange den Brücke Künstlern auf der Spur.
Konstanze Rudert: "Als es darum ging, auch eine Gegend ausfindig zu machen, wo man den Akt in der Natur studieren kann und das freie Bewegen in der Natur skizzieren kann, Studien machen kann. Da ist man nach Moritzburg gezogen in den Sommermonaten. Im Grunde waren es drei Jahre 1909, 1910, 1911."
Max Pechstein, Erich Heckel und Ernst Ludwig Kirchner genießen das freie, zwanglose Leben. Sie spannen Hängematten zwischen die Bäume, picknicken im Gras, spielen, baden nackt im See. Jede Situation wird in schnell hingeworfenen Zeichnungen festgehalten. Sie malen leuchtend bunte Landschaftsbilder, und immer wieder ihre badenden Modelle.
Pechstein: "Wir Malersleute zogen frühmorgens mit unseren Geräten schwer bepackt los, hinter uns die Modelle mit Taschen voller Fressalien und Getränke. Wir lebten in absoluter Harmonie, arbeiteten und badeten. Fehlte als Gegenpol ein männliches Modell, so sprang einer von uns Dreien in die Bresche."
Das Malen in der Natur bleibt für jeden Künstler, auch nach der Auflösung der Gruppe, ein Lebensprinzip. Viele Spuren finden sich auch an der schleswig-holsteinischen Küste. So entdeckt Erich Heckel im Sommer 1913 auf der Suche nach einem einsamen Ort am Meer das Dörfchen Osterholz an der Flensburger Förde. So klein, dass es gar nicht auf der Landkarte verzeichnet ist.
Osterholz. Das sind ein paar Häuser, verstreut zwischen Rüben-, Raps- und Maisfeldern. Heckel kauft sich hier nach dem ersten Weltkrieg ein altes Bauernhaus - direkt an der Steilküste der Ostsee. Bis in die 50er Jahre hinein verbringt der Künstler die Sommer in Osterholz. Das flache Reetdachhaus - ein weißer Ziegelbau mit Fenstern rundherum - und die Umgebung haben sich nicht verändert, so Ulrich Schulte-Wülwer vom Museumsberg Flensburg.
Ulrich Schulte Wülwer: "Die Lage des Hauses ist einzigartig gewesen. Es war ein großer Obstgarten da, es war ein Blumengarten dort und dann ein Stück Feld, das nach 50 Metern steil abfällt. Man kann sich da so mit einer Treppe nach unten begeben und es gehört eben auch als Eigentum ein Stück Strand dazu. Heute ist dies noch der einsamste Ort an der ganzen Ostseeküste. Die Landschaft ist leicht gewellt, sie ist geradezu lieblich, und in einem ständigen Wechsel von Wolken, Sonne, Regen, Wind. "
Heute gehört das Haus dem Ehepaar Koch. Sie zeigen dem Besucher gerne die Umgebung, die Heckel zu unzähligen Bildern inspiriert hat. Allein während seines ersten Aufenthalts 1913 malt er 50 Bilder. Die meiste Zeit verbringt Heckel am Strand. Vom Grundstück aus führt ein kleiner Waldweg hinunter zum Wasser.
Inge Koch/Karl-Dieter Koch: "Also, Heckels sind hier immer runter zum Strand gegangen. Er hat ja ganz viel am Strand gemalt, weil eben diese Steilküsten so imposant waren von unten. Das ist eben das schöne so an der Küste: es ist jeden Tag ein anderes Bild, ein anderes Seestück. Also, das war das, was wahrscheinlich eben auch Erich Heckel so animiert hat, dieses ist also wirklich noch Natur, es ist ja wie ein Wunder, das es jetzt noch so ist."
Heckel gewinnt der Landschaft immer neue Facetten ab. Und er nimmt das zentrale Thema der Brücke wieder auf: der Mensch in der Natur. Genau wie Ernst Ludwig Kirchner auf der Ostseeinsel Fehmarn.
Ernst Ludwig Kirchner: "Ocker, blau, grün sind die Farben von Fehmarn. Wundervolle Küstenbildungen, manchmal von Südseereichtum. Tolle Blumen mit fleischigen Stilen."
Von 1912 bis 1914 verbringt Kirchner seine Sommer auf Fehmarn, damals noch eine abgeschiedene und touristenfreie Insel.
Kirchner zieht es an die Steilküste. Er wohnt in Staberhuk - ein abgelegener Ort an der südöstlichen Spitze der Insel.
Dietrich Reinhardt: "Das Wunderschöne ist ja, dass man hier an der Süd-Ost-Ecke von Fehmarn nach wie vor sehr einsam ist, weil man nicht mit dem Auto hinfahren kann. Fehmarn hat eine lange, lange Südküste und dann diese feuchte Vegetation. Die Bäume und Pflanzen gehen bis ins Wasser runter. Das ist eben die Südseeatmosphäre, wie Kirchner das beschrieben hat. "
Dietrich Reinhardt vom Ernst Ludwig Kirchner Verein hat eine Wanderkarte entworfen. Mit ihr kann man den Motiven des Künstlers nachspüren und nachvollziehen, wie Kirchner die Ostseeinsel gesehen hat: als exotische Wildnis. Mit viel Fantasie kann man tatsächlich hier und da die von Kirchner heraufbeschworene Südseeatmosphäre atmen. Türkisfarbiges Meer, dichtes Blätterdickicht. Seine Lieblingsmotive aber sind Badende. Das Bild "ins Meer Schreitende" hängt als Kopie in der kleinen Insel Bibliothek. Es gibt genau das Gefühl wieder, das die Brückekünstler in der Natur suchen.
Dietrich Reinhardt: "Wenn man sich das anguckt, sieht man die Farben der Körper sind genau die gleichen Farben wie die Lehmabbrüche. Die Formen der Körper sind die gleichen wie die großen Findlinge, die hier an der Küste liegen. Also, man fühlt hier und sieht hier die Einheit von Mensch und Natur, die er in diesem großartigen Bild von 1912 darstellt."
Was Fehmarn für seine Kunst bedeutet, fasst Kirchner später in seinen Erinnerungen so zusammen:
Kirchner: "Hier lernte ich die letzte Einheit von Mensch und Natur gestalten und vollendete das, was ich in Moritzburg begonnen hatte. "
Eine halbe Autostunde von Dresden entfernt liegt Moritzburg. Eine leicht hügelige Landschaft mit weitläufigen Feldern, einem großen See und kleinen Teichen. An den Ufern stehen Bäume und wachsen dichte Schilfgürtel. Dazwischen viele versteckte und einsame Badestellen. Genau das suchen die Brücke Künstler: Abgeschiedenheit in der Natur. Kunsthistorikerin Konstanze Rudert, schon lange den Brücke Künstlern auf der Spur.
Konstanze Rudert: "Als es darum ging, auch eine Gegend ausfindig zu machen, wo man den Akt in der Natur studieren kann und das freie Bewegen in der Natur skizzieren kann, Studien machen kann. Da ist man nach Moritzburg gezogen in den Sommermonaten. Im Grunde waren es drei Jahre 1909, 1910, 1911."
Max Pechstein, Erich Heckel und Ernst Ludwig Kirchner genießen das freie, zwanglose Leben. Sie spannen Hängematten zwischen die Bäume, picknicken im Gras, spielen, baden nackt im See. Jede Situation wird in schnell hingeworfenen Zeichnungen festgehalten. Sie malen leuchtend bunte Landschaftsbilder, und immer wieder ihre badenden Modelle.
Pechstein: "Wir Malersleute zogen frühmorgens mit unseren Geräten schwer bepackt los, hinter uns die Modelle mit Taschen voller Fressalien und Getränke. Wir lebten in absoluter Harmonie, arbeiteten und badeten. Fehlte als Gegenpol ein männliches Modell, so sprang einer von uns Dreien in die Bresche."
Das Malen in der Natur bleibt für jeden Künstler, auch nach der Auflösung der Gruppe, ein Lebensprinzip. Viele Spuren finden sich auch an der schleswig-holsteinischen Küste. So entdeckt Erich Heckel im Sommer 1913 auf der Suche nach einem einsamen Ort am Meer das Dörfchen Osterholz an der Flensburger Förde. So klein, dass es gar nicht auf der Landkarte verzeichnet ist.
Osterholz. Das sind ein paar Häuser, verstreut zwischen Rüben-, Raps- und Maisfeldern. Heckel kauft sich hier nach dem ersten Weltkrieg ein altes Bauernhaus - direkt an der Steilküste der Ostsee. Bis in die 50er Jahre hinein verbringt der Künstler die Sommer in Osterholz. Das flache Reetdachhaus - ein weißer Ziegelbau mit Fenstern rundherum - und die Umgebung haben sich nicht verändert, so Ulrich Schulte-Wülwer vom Museumsberg Flensburg.
Ulrich Schulte Wülwer: "Die Lage des Hauses ist einzigartig gewesen. Es war ein großer Obstgarten da, es war ein Blumengarten dort und dann ein Stück Feld, das nach 50 Metern steil abfällt. Man kann sich da so mit einer Treppe nach unten begeben und es gehört eben auch als Eigentum ein Stück Strand dazu. Heute ist dies noch der einsamste Ort an der ganzen Ostseeküste. Die Landschaft ist leicht gewellt, sie ist geradezu lieblich, und in einem ständigen Wechsel von Wolken, Sonne, Regen, Wind. "
Heute gehört das Haus dem Ehepaar Koch. Sie zeigen dem Besucher gerne die Umgebung, die Heckel zu unzähligen Bildern inspiriert hat. Allein während seines ersten Aufenthalts 1913 malt er 50 Bilder. Die meiste Zeit verbringt Heckel am Strand. Vom Grundstück aus führt ein kleiner Waldweg hinunter zum Wasser.
Inge Koch/Karl-Dieter Koch: "Also, Heckels sind hier immer runter zum Strand gegangen. Er hat ja ganz viel am Strand gemalt, weil eben diese Steilküsten so imposant waren von unten. Das ist eben das schöne so an der Küste: es ist jeden Tag ein anderes Bild, ein anderes Seestück. Also, das war das, was wahrscheinlich eben auch Erich Heckel so animiert hat, dieses ist also wirklich noch Natur, es ist ja wie ein Wunder, das es jetzt noch so ist."
Heckel gewinnt der Landschaft immer neue Facetten ab. Und er nimmt das zentrale Thema der Brücke wieder auf: der Mensch in der Natur. Genau wie Ernst Ludwig Kirchner auf der Ostseeinsel Fehmarn.
Ernst Ludwig Kirchner: "Ocker, blau, grün sind die Farben von Fehmarn. Wundervolle Küstenbildungen, manchmal von Südseereichtum. Tolle Blumen mit fleischigen Stilen."
Von 1912 bis 1914 verbringt Kirchner seine Sommer auf Fehmarn, damals noch eine abgeschiedene und touristenfreie Insel.
Kirchner zieht es an die Steilküste. Er wohnt in Staberhuk - ein abgelegener Ort an der südöstlichen Spitze der Insel.
Dietrich Reinhardt: "Das Wunderschöne ist ja, dass man hier an der Süd-Ost-Ecke von Fehmarn nach wie vor sehr einsam ist, weil man nicht mit dem Auto hinfahren kann. Fehmarn hat eine lange, lange Südküste und dann diese feuchte Vegetation. Die Bäume und Pflanzen gehen bis ins Wasser runter. Das ist eben die Südseeatmosphäre, wie Kirchner das beschrieben hat. "
Dietrich Reinhardt vom Ernst Ludwig Kirchner Verein hat eine Wanderkarte entworfen. Mit ihr kann man den Motiven des Künstlers nachspüren und nachvollziehen, wie Kirchner die Ostseeinsel gesehen hat: als exotische Wildnis. Mit viel Fantasie kann man tatsächlich hier und da die von Kirchner heraufbeschworene Südseeatmosphäre atmen. Türkisfarbiges Meer, dichtes Blätterdickicht. Seine Lieblingsmotive aber sind Badende. Das Bild "ins Meer Schreitende" hängt als Kopie in der kleinen Insel Bibliothek. Es gibt genau das Gefühl wieder, das die Brückekünstler in der Natur suchen.
Dietrich Reinhardt: "Wenn man sich das anguckt, sieht man die Farben der Körper sind genau die gleichen Farben wie die Lehmabbrüche. Die Formen der Körper sind die gleichen wie die großen Findlinge, die hier an der Küste liegen. Also, man fühlt hier und sieht hier die Einheit von Mensch und Natur, die er in diesem großartigen Bild von 1912 darstellt."
Was Fehmarn für seine Kunst bedeutet, fasst Kirchner später in seinen Erinnerungen so zusammen:
Kirchner: "Hier lernte ich die letzte Einheit von Mensch und Natur gestalten und vollendete das, was ich in Moritzburg begonnen hatte. "