Zurück zur Natur - Die neue Lust am Gärtnern
Der Sommer ist da! Und schon sieht man sie allerorten graben, pflanzen, jäten und ernten - die Hobbygärtner. Egal ob im Schrebergarten, auf dem Balkon oder im Hausgarten - jede noch so kleine Möglichkeit, zu gärtnern, wird ausgenutzt. Längst haben die Schrebergärten auch den Ruf des Spießer- und Rentnerparadieses abgestreift: Heute pachten immer mehr junge Familien kleine Parzellen, um sich ein Stück Natur in die Stadt zu holen. Statt perfekt geschnittenem Rasen mit Gartenzwerg-Idyll wächst in ihren Gärten Biogemüse, lärmen Kinder. Und spätestens, seit die US-Präsidenten-Gattin Michelle Obama vor den Fernsehkameras ihren Nutzgarten am Weißen Haus einweihte, ist Gärtnern bzw. das so genannte "Urban Farming" gesellschaftsfähig geworden.
Insgesamt gibt es in Deutschland über eine Million Kleingärten, mit einer Fläche von mehr als 46.000 Hektar, organisiert in 15.000 Gartenvereinen der unterschiedlichsten Couleur. Die wechselvolle Geschichte, aber auch die soziale und kulturelle Vielfalt und Bedeutung der Schrebergärten zeichnet Stefan Leppert in seinem Buch "Paradies mit Laube" nach. Der Landschaftsarchitekt ist selbst passionierter Schrebergärtner in Münster und Autor diverser Bücher rund ums Gärtnern und die Gartenkultur weltweit. Sein bilderreiches Buch ist eine augenzwinkernde Liebeserklärung, die auch das Schräge der Kleingartenvereine spiegelt, das Verbindende, Multikulturelle.
"Es ist eine Welt für sich, in der man sich ein stückweit anders verhält als draußen. Draußen nehme ich mir nicht die Zeit, im Supermarkt mit alten Leuten zu reden – das mache ich hier. Dieses Miteinander, generationsübergreifend – das ist auch anders als im Sportverein, dort ist man altersmäßig gleich. Hier kriegt man eine Parzelle zugeteilt und muss lernen, miteinander klarzukommen."
In Zeiten der Entfremdung von den Nahrungsmitteln, wollten sich die Menschen zumindest etwas Ursprünglichkeit zurück holen. Der Scherbergarten sei " .. aktive Erholung, bei der man Kohl pflanzt, sich seine Tomaten anschaut, wie sie wachsen, rot werden. Etwas selbst zu säen, der Rhythmus der Natur, das sind Dinge, die drohten, verschüttet zu werden."
Nicht zu vergessen die ökologische Komponente: "Solche Gärten sind alles kleine Naturschutzgebiete. Sie glauben nicht, was es dort alles für Nischen gibt, im Gegensatz zu den ordentlicheren Hausgärten. In jedem Schrebergarten gibt es eine Kruschelecke, wo sich etwas ansiedeln kann. Das sind Lebensräume, sie sind rar, dort gibt es eine unglaubliche Vogelvielfalt, das vier,- fünf- zehnfache an Tierarten, die höher ist, als in jedem Park."
Marco Clausen steht für eine andere Art des Gärtnerns: das sogenannte "Urban Gardening". Auf einer ehemaligen Baubrache mitten im trubeligen Berliner Bezirk Kreuzberg betreibt der Historiker, gemeinsam mit dem Filmemacher Robert Shaw, den "Prinzesinnengarten". Sie verstehen ihren Garten als "alternatives städtisches Grün, als Bildungsgarten und Instrument, um die Nachbarschaft in dem sozial schwachen Quartier zu stärken und zu aktivieren."
Ihr Ziel: Soziale, ökologische und partizipative Landwirtschaft zu betreiben, mitten in eine sozialen Brennpunkt, mit den Bewohnern des Kiezes. Ganz nach dem Vorbild der urbanen Landwirtschaft, wie sie Robert Shaw auf Kuba kennen gelernt hat.
Ihr Firmenname "Nomadisch Grün" ist Programm: Alle Pflanzen in diesem eher fröhlich-chaotisch Paradies befinden sich in mobilen Kästen: In Transportkörben für Brot sprießen Salatköpfe, in Säcken wachsen Kartoffelpflanzen, zum Ernten werden sie einfach umgekippt. In großen Plastiktonnen blühen Seerosen, in Limokästen Kräuter und Blumen. Alles könnte sofort wegtransportiert werden, wenn die Brache – wie geplant – an einen Investor verkauft werden sollte. Donnerstags gemeinsames Gärtnern angesagt – jeder, der mag, kann mitmachen, es gibt Workshops für Schulklassen, Vorträge über Umweltschutz, Biodiversität, alternative Stadtprojekte.
Marco Clausen sieht diese gemeinsame städtische Landwirtschaft auch als "Versuchslabor für eine nachhaltige Stadt der Zukunft. Am Ende ist es auch die Frage, wie eine Stadt aussehen soll. Es gibt immer mehr schrumpfende Städte, die Leute werden älter, da kann die urbane Landwirtschaft eine Möglichkeit sein - auch des sozialen Miteinanders."
"Zurück zur Natur - Die neue Lust am Gärtnern". Darüber diskutiert Stephan Karkowsky heute von 9 Uhr 05 bis 11 Uhr gemeinsam mit Marco Clausen und Stefan Leppert. Hörerinnen und Hörer können sich beteiligen unter der Telefonnummer 00800 / 2254 2254 oder per E-Mail unter gespraech@dradio.de.
Informationen im Internet:
Prinzessinengarten
Stefan Leppert
Literaturhinweis:
Stefan Leppert: Paradies mit Laube. Deutsche Verlags-Anstalt 2009
"Es ist eine Welt für sich, in der man sich ein stückweit anders verhält als draußen. Draußen nehme ich mir nicht die Zeit, im Supermarkt mit alten Leuten zu reden – das mache ich hier. Dieses Miteinander, generationsübergreifend – das ist auch anders als im Sportverein, dort ist man altersmäßig gleich. Hier kriegt man eine Parzelle zugeteilt und muss lernen, miteinander klarzukommen."
In Zeiten der Entfremdung von den Nahrungsmitteln, wollten sich die Menschen zumindest etwas Ursprünglichkeit zurück holen. Der Scherbergarten sei " .. aktive Erholung, bei der man Kohl pflanzt, sich seine Tomaten anschaut, wie sie wachsen, rot werden. Etwas selbst zu säen, der Rhythmus der Natur, das sind Dinge, die drohten, verschüttet zu werden."
Nicht zu vergessen die ökologische Komponente: "Solche Gärten sind alles kleine Naturschutzgebiete. Sie glauben nicht, was es dort alles für Nischen gibt, im Gegensatz zu den ordentlicheren Hausgärten. In jedem Schrebergarten gibt es eine Kruschelecke, wo sich etwas ansiedeln kann. Das sind Lebensräume, sie sind rar, dort gibt es eine unglaubliche Vogelvielfalt, das vier,- fünf- zehnfache an Tierarten, die höher ist, als in jedem Park."
Marco Clausen steht für eine andere Art des Gärtnerns: das sogenannte "Urban Gardening". Auf einer ehemaligen Baubrache mitten im trubeligen Berliner Bezirk Kreuzberg betreibt der Historiker, gemeinsam mit dem Filmemacher Robert Shaw, den "Prinzesinnengarten". Sie verstehen ihren Garten als "alternatives städtisches Grün, als Bildungsgarten und Instrument, um die Nachbarschaft in dem sozial schwachen Quartier zu stärken und zu aktivieren."
Ihr Ziel: Soziale, ökologische und partizipative Landwirtschaft zu betreiben, mitten in eine sozialen Brennpunkt, mit den Bewohnern des Kiezes. Ganz nach dem Vorbild der urbanen Landwirtschaft, wie sie Robert Shaw auf Kuba kennen gelernt hat.
Ihr Firmenname "Nomadisch Grün" ist Programm: Alle Pflanzen in diesem eher fröhlich-chaotisch Paradies befinden sich in mobilen Kästen: In Transportkörben für Brot sprießen Salatköpfe, in Säcken wachsen Kartoffelpflanzen, zum Ernten werden sie einfach umgekippt. In großen Plastiktonnen blühen Seerosen, in Limokästen Kräuter und Blumen. Alles könnte sofort wegtransportiert werden, wenn die Brache – wie geplant – an einen Investor verkauft werden sollte. Donnerstags gemeinsames Gärtnern angesagt – jeder, der mag, kann mitmachen, es gibt Workshops für Schulklassen, Vorträge über Umweltschutz, Biodiversität, alternative Stadtprojekte.
Marco Clausen sieht diese gemeinsame städtische Landwirtschaft auch als "Versuchslabor für eine nachhaltige Stadt der Zukunft. Am Ende ist es auch die Frage, wie eine Stadt aussehen soll. Es gibt immer mehr schrumpfende Städte, die Leute werden älter, da kann die urbane Landwirtschaft eine Möglichkeit sein - auch des sozialen Miteinanders."
"Zurück zur Natur - Die neue Lust am Gärtnern". Darüber diskutiert Stephan Karkowsky heute von 9 Uhr 05 bis 11 Uhr gemeinsam mit Marco Clausen und Stefan Leppert. Hörerinnen und Hörer können sich beteiligen unter der Telefonnummer 00800 / 2254 2254 oder per E-Mail unter gespraech@dradio.de.
Informationen im Internet:
Prinzessinengarten
Stefan Leppert
Literaturhinweis:
Stefan Leppert: Paradies mit Laube. Deutsche Verlags-Anstalt 2009