"Zusammen lernen, zusammen leben - eine Schule für alle"
Alle Kinder mit einem geistigen oder körperlichen Handicap haben das Recht, auf einer allgemeinen Schule unterrichtet zu werden. Dies garantiert die UN-Behindertenkonvention, die Deutschland im Jahr 2009 unterzeichnet hat.
"Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden", heißt es zudem in Artikel 3 des Grundgesetzes. Die Realität sieht anders aus: Mehr als 85 Prozent der insgesamt rund 400.000 behinderten Kinder und Jugendlichen mit einem besonderen Förderbedarf werden nach wie vor an Förder- oder Sonderschulen unterrichtet, nur 15 Prozent gehen in eine integrative Klasse.
"Wer für sein Kind Integration will, muss kämpfen", ist die Erfahrung von Eva Maria Thoms. Die Mutter einer zehnjährigen Tochter mit Down-Syndrom bemühte sich jahrelang, eine Regelschule für ihre Tochter zu finden. Vergebens.
"Mit der Geburt meiner Tochter sind wir plötzlich in eine gesellschaftliche Randgruppe hineingerutscht, das habe ich mir vorher nicht vorstellen können. Es war für mich abstrakt, wie es ist, wenn man von einem Amt zum nächsten muss. Das war wie ein Kulturschock."
Von 19 Grundschulen mit integrativen Klassen im Kölner Raum waren nur zwei überhaupt bereit, ein Kind mit Down-Syndrom aufzunehmen, "den anderen war das wohl zu viel Behinderung."
Letztlich suchte sie auf eigene Faust eine Schule für ihre Tochter, eine integrative Waldorfschule. Heute gibt die Journalistin ihre Erfahrungen in dem Verein "mittendrin e.V" an andere Eltern weiter, macht Lobbyarbeit, besucht Konferenzen, nimmt an Tagungen teil; Anfang dieser Woche auch an der Tagung der Kultusministerkonferenz, deren Thema ebenfalls die Umsetzung der UN-Behindertenkonvention war."Es ist unter Schulpolitikern inzwischen ein Trend, sich verbal zur Inklusion und zur UN-Konvention zu bekennen, aber wenn man das Kleingedruckte in den Entwürfen für Gesetze und Erlasse liest, bleibt nicht viel übrig."
Ihr Appell: "Wir sollten das ganze Leben sehen und akzeptieren, dass behinderte Kinder dazu gehören, dass sie nicht aus unserer Mitte weggedrängt und in einen goldenen Käfig gesperrt werden dürfen, der im übrigen auch nicht so golden ist. Warum sind wir eigentlich der Meinung, dass wir das Recht haben, Behinderte anders zu behandeln? Die Schule bestimmt die Basis für das weitere Leben, dort findet da soziale Leben statt, und deshalb darf dort nicht künstlich getrennt werden. "
Eine Schule die wegen ihres beispielhaften Integrationsmodells gerade mit dem Deutschen Schulpreis ausgezeichnet worden ist, ist die Waldhofschule in der brandenburgischen Stadt Templin. In dieser integrativen Ganztagsgrundschule lernen insgesamt 260 Schüler gemeinsam – davon haben 40 bis 50 Prozent einen Förderbedarf.
Leiter der Schule ist Wilfried W. Steinert. Sein Motto: "Wir brauchen alle, wir bleiben zusammen, niemand bleibt zurück, niemand wird beschämt."
Im Jahr 2002 begann er das ehemalige Behindertenheim umzugestalten, die Schule auch für Nichtbehinderte zu öffnen. Mit Erfolg: Heute könnte er viermal so viele nicht behinderte Schüler aufnehmen. Die kleinen Klassen, die individuelle Förderung aller Kinder, haben sich herumgesprochen.
Wo liegen für ihn die Stärken einer solche "Schule für alle" und der Inklusion? "In der hohen Lernkompetenz. Lernen kann gelernt werden, und wenn das Lernen gelernt ist, ist das schon die Hälfte der Miete. Zweitens in der hohen Sozialkompetenz." Die Stärkeren könnten den Schwächeren helfen, und die Schwächeren würden angeregt, mehr lernen zu wollen.
Seine Überzeugung: "Die Inklusion kann der Motor der Bildung sein. Davon profitieren alle."
"Zusammen lernen, zusammen leben – eine Schule für alle"
Darüber diskutiert Susanne Führer heute von 9 Uhr 05 bis 11 Uhr gemeinsam mit Eva Maria Thoms und Wilfried W. Steinert. Hörerinnen und Hörer können sich beteiligen unter der Telefonnumer 00800 – 2254 2254 oder per E-Mail: gespraech@dradio.de.
Informationen im Internet:
Über den Verein "mittendrin e.V."
Über die Waldhofschule"
"Wer für sein Kind Integration will, muss kämpfen", ist die Erfahrung von Eva Maria Thoms. Die Mutter einer zehnjährigen Tochter mit Down-Syndrom bemühte sich jahrelang, eine Regelschule für ihre Tochter zu finden. Vergebens.
"Mit der Geburt meiner Tochter sind wir plötzlich in eine gesellschaftliche Randgruppe hineingerutscht, das habe ich mir vorher nicht vorstellen können. Es war für mich abstrakt, wie es ist, wenn man von einem Amt zum nächsten muss. Das war wie ein Kulturschock."
Von 19 Grundschulen mit integrativen Klassen im Kölner Raum waren nur zwei überhaupt bereit, ein Kind mit Down-Syndrom aufzunehmen, "den anderen war das wohl zu viel Behinderung."
Letztlich suchte sie auf eigene Faust eine Schule für ihre Tochter, eine integrative Waldorfschule. Heute gibt die Journalistin ihre Erfahrungen in dem Verein "mittendrin e.V" an andere Eltern weiter, macht Lobbyarbeit, besucht Konferenzen, nimmt an Tagungen teil; Anfang dieser Woche auch an der Tagung der Kultusministerkonferenz, deren Thema ebenfalls die Umsetzung der UN-Behindertenkonvention war."Es ist unter Schulpolitikern inzwischen ein Trend, sich verbal zur Inklusion und zur UN-Konvention zu bekennen, aber wenn man das Kleingedruckte in den Entwürfen für Gesetze und Erlasse liest, bleibt nicht viel übrig."
Ihr Appell: "Wir sollten das ganze Leben sehen und akzeptieren, dass behinderte Kinder dazu gehören, dass sie nicht aus unserer Mitte weggedrängt und in einen goldenen Käfig gesperrt werden dürfen, der im übrigen auch nicht so golden ist. Warum sind wir eigentlich der Meinung, dass wir das Recht haben, Behinderte anders zu behandeln? Die Schule bestimmt die Basis für das weitere Leben, dort findet da soziale Leben statt, und deshalb darf dort nicht künstlich getrennt werden. "
Eine Schule die wegen ihres beispielhaften Integrationsmodells gerade mit dem Deutschen Schulpreis ausgezeichnet worden ist, ist die Waldhofschule in der brandenburgischen Stadt Templin. In dieser integrativen Ganztagsgrundschule lernen insgesamt 260 Schüler gemeinsam – davon haben 40 bis 50 Prozent einen Förderbedarf.
Leiter der Schule ist Wilfried W. Steinert. Sein Motto: "Wir brauchen alle, wir bleiben zusammen, niemand bleibt zurück, niemand wird beschämt."
Im Jahr 2002 begann er das ehemalige Behindertenheim umzugestalten, die Schule auch für Nichtbehinderte zu öffnen. Mit Erfolg: Heute könnte er viermal so viele nicht behinderte Schüler aufnehmen. Die kleinen Klassen, die individuelle Förderung aller Kinder, haben sich herumgesprochen.
Wo liegen für ihn die Stärken einer solche "Schule für alle" und der Inklusion? "In der hohen Lernkompetenz. Lernen kann gelernt werden, und wenn das Lernen gelernt ist, ist das schon die Hälfte der Miete. Zweitens in der hohen Sozialkompetenz." Die Stärkeren könnten den Schwächeren helfen, und die Schwächeren würden angeregt, mehr lernen zu wollen.
Seine Überzeugung: "Die Inklusion kann der Motor der Bildung sein. Davon profitieren alle."
"Zusammen lernen, zusammen leben – eine Schule für alle"
Darüber diskutiert Susanne Führer heute von 9 Uhr 05 bis 11 Uhr gemeinsam mit Eva Maria Thoms und Wilfried W. Steinert. Hörerinnen und Hörer können sich beteiligen unter der Telefonnumer 00800 – 2254 2254 oder per E-Mail: gespraech@dradio.de.
Informationen im Internet:
Über den Verein "mittendrin e.V."
Über die Waldhofschule"