Zuspitzung und Boulevard
Medien machen auch Politik, oder versuchen es zumindest. Was die zunehmende Zuspitzung und Boulevardisierung für die Demokratie bedeutet, darüber diskutierte man jetzt auf einer Tagung in der Landesvertretung Rheinland-Pfalz in Berlin.
Wenn am Donnerstag wider Erwarten Angela Merkel ihre Kanzlermehrheit zu den Euro-Rettungsprogrammen ohne Abweichler zusammenbekäme, könnte man sich die entsprechenden Kommentare in den Zeitungen gut vorstellen, nach dem Motto: wie gut doch die Kanzlerin ihren Laden zusammenhält. Wenig wahrscheinlich, dass das so kommt, aber dennoch: Das ewige Auf und Ab der Meinungen – das heute hier und Morgen da der austauschbaren Positionen – das sei Demokratie gefährdend, so eine der Thesen der heutigen Debatte.
Ein anderes schönes Beispiel für die zunehmende Boulevardisierung der Medien ist der Fall Guttenberg. Nachdem nach wochenlanger Debatte der damalige Verteidigungsminister zurücktrat, und fast alle Medien sich über den Fall empört hatten, schrieb eine Zeitung: "Was der deutschen Politik jetzt fehlt". Dieses Phänomen, dass man binnen 24 Stunden das Gegenteil zur gestrigen Meinung schreibt, stets nach Gewinnern und Verlierern fragt, schwarz oder weiß, und kaum den Raum dazwischen sehe, habe auch mit der mangelnden Haltung vieler Journalisten zu tun. Das meint zumindest Stephan-Andreas Castorff, einer der beiden Chefredakteure des Berliner "Tagesspiegel". Ihm gehe es vor allem um Glaubwürdigkeit:
"Keiner hat ein Monopol auf die Wahrheit, einer meiner persönlichen Leitsätze. Nur weil ich einer der zwei ersten Redakteure einer Tageszeitung bin, die offensichtlich nicht so schlecht ist, heißt das nicht, dass ich alles besser weiß. Ich tue zwar manchmal so, aber es stimmt nicht. Keiner hat ein Monopol auf die Wahrheit."
Aber, so Castorff, diese Haltung widerspreche einer weitverbreiteten Vorstellung, dass Journalisten zu allem und jedem sofort eine Meinung haben müssen – auch zu Themen, von denen sie kaum eine Ahnung hätten. Dass sich nicht alle Themen sogleich nach schwarz und weiß einordnen lassen, hat auch Auswirkungen auf die Berichterstattung. Brüssel und Europa etwa entzögen sich weitgehend dem Freund-Feind-Schema, meint die Hauptstadtkorrespondentin des "Spiegel" Ulrike Demmer. Daher sei der Job in Brüssel oft auch so unbeliebt:
"… weil das ist so kompliziert, das will immer keiner hören in den Zentralredaktionen. Und obwohl wir alle wissen, dass in Brüssel wahnsinnig viel entschieden wird, dass schon wahnsinnig viele nationale Politik in Brüssel entschieden wird, kommt es hier kaum an."
Das rasende Tempo der Berichterstattung sei ein weiteres Problem der heutigen Medienlandschaft, vor allem im Internet. Dazu komme noch, meint Lutz Tillmanns, Geschäftsführer des Deutschen Presserats, dass man immer öfter regelrechte Kampagnen beobachten könne in den Zeitungen: Gegen oder für bestimmte Politiker, bestimmte politische Vorhaben oder auch mal gegen die Justiz und einzelne Richter. Das sei erstmal nicht per se abzulehnen, aber:
"Wo es dann problematisch wird, wenn schlecht recherchiert wird, wenn Persönlichkeitsrechte verletzt werden oder wenn etwa einzelne Richter repräsentativ für die Justiz den Kopf, förmlich den Kopf hinhalten müssen. Dann sind denke ich mal, Grenzen überschritten, und dann muss auch, denke ich, die Selbstregulierung ziehen."
Ein großes Problem sei auch, so Tillmanns, dass es immer wenige redaktionell eigenständige Zeitungen in Deutschland gebe – der Markt verenge sich zunehmend auf ein paar wenige Qualitätsmedien – und mancher Teil der Berichterstattung unterhalb dieser Schwelle sei doch oft recht dürftig, so Tillmanns.
Doch auch wenn in den nächsten Jahren Onlinemedien an Bedeutung gewinnen werden, und sicher noch so manche Kampagne in den Boulevardmedien gefahren werden wird, sollte man den Einfluss der Medien auf Politik und Demokratie nicht überschätzen, meint Stephan- Andreas Castorff:
"Der Einfluss des Journalismus auch in harten Situationen, auf Fakten bezogen, ist gering. Du kannst bewusst machen, betroffen machen, kannst informieren, aber dann ist es so, dass das "Politikmachen" eine ganz andere Sache ist. Es gibt einen einzigen Fall, wo ich sagen würde, da hat es wirklich irgendwie geklappt: Das war als die 'Bild'-Zeitung eine Kampagne für einen Bundeskulturminister gemacht hat. Rausgekommen ist kein Bundeskulturminister, aber immerhin ein Staatsminister für Kultur. Ist nicht das Schlechteste."
Ein anderes schönes Beispiel für die zunehmende Boulevardisierung der Medien ist der Fall Guttenberg. Nachdem nach wochenlanger Debatte der damalige Verteidigungsminister zurücktrat, und fast alle Medien sich über den Fall empört hatten, schrieb eine Zeitung: "Was der deutschen Politik jetzt fehlt". Dieses Phänomen, dass man binnen 24 Stunden das Gegenteil zur gestrigen Meinung schreibt, stets nach Gewinnern und Verlierern fragt, schwarz oder weiß, und kaum den Raum dazwischen sehe, habe auch mit der mangelnden Haltung vieler Journalisten zu tun. Das meint zumindest Stephan-Andreas Castorff, einer der beiden Chefredakteure des Berliner "Tagesspiegel". Ihm gehe es vor allem um Glaubwürdigkeit:
"Keiner hat ein Monopol auf die Wahrheit, einer meiner persönlichen Leitsätze. Nur weil ich einer der zwei ersten Redakteure einer Tageszeitung bin, die offensichtlich nicht so schlecht ist, heißt das nicht, dass ich alles besser weiß. Ich tue zwar manchmal so, aber es stimmt nicht. Keiner hat ein Monopol auf die Wahrheit."
Aber, so Castorff, diese Haltung widerspreche einer weitverbreiteten Vorstellung, dass Journalisten zu allem und jedem sofort eine Meinung haben müssen – auch zu Themen, von denen sie kaum eine Ahnung hätten. Dass sich nicht alle Themen sogleich nach schwarz und weiß einordnen lassen, hat auch Auswirkungen auf die Berichterstattung. Brüssel und Europa etwa entzögen sich weitgehend dem Freund-Feind-Schema, meint die Hauptstadtkorrespondentin des "Spiegel" Ulrike Demmer. Daher sei der Job in Brüssel oft auch so unbeliebt:
"… weil das ist so kompliziert, das will immer keiner hören in den Zentralredaktionen. Und obwohl wir alle wissen, dass in Brüssel wahnsinnig viel entschieden wird, dass schon wahnsinnig viele nationale Politik in Brüssel entschieden wird, kommt es hier kaum an."
Das rasende Tempo der Berichterstattung sei ein weiteres Problem der heutigen Medienlandschaft, vor allem im Internet. Dazu komme noch, meint Lutz Tillmanns, Geschäftsführer des Deutschen Presserats, dass man immer öfter regelrechte Kampagnen beobachten könne in den Zeitungen: Gegen oder für bestimmte Politiker, bestimmte politische Vorhaben oder auch mal gegen die Justiz und einzelne Richter. Das sei erstmal nicht per se abzulehnen, aber:
"Wo es dann problematisch wird, wenn schlecht recherchiert wird, wenn Persönlichkeitsrechte verletzt werden oder wenn etwa einzelne Richter repräsentativ für die Justiz den Kopf, förmlich den Kopf hinhalten müssen. Dann sind denke ich mal, Grenzen überschritten, und dann muss auch, denke ich, die Selbstregulierung ziehen."
Ein großes Problem sei auch, so Tillmanns, dass es immer wenige redaktionell eigenständige Zeitungen in Deutschland gebe – der Markt verenge sich zunehmend auf ein paar wenige Qualitätsmedien – und mancher Teil der Berichterstattung unterhalb dieser Schwelle sei doch oft recht dürftig, so Tillmanns.
Doch auch wenn in den nächsten Jahren Onlinemedien an Bedeutung gewinnen werden, und sicher noch so manche Kampagne in den Boulevardmedien gefahren werden wird, sollte man den Einfluss der Medien auf Politik und Demokratie nicht überschätzen, meint Stephan- Andreas Castorff:
"Der Einfluss des Journalismus auch in harten Situationen, auf Fakten bezogen, ist gering. Du kannst bewusst machen, betroffen machen, kannst informieren, aber dann ist es so, dass das "Politikmachen" eine ganz andere Sache ist. Es gibt einen einzigen Fall, wo ich sagen würde, da hat es wirklich irgendwie geklappt: Das war als die 'Bild'-Zeitung eine Kampagne für einen Bundeskulturminister gemacht hat. Rausgekommen ist kein Bundeskulturminister, aber immerhin ein Staatsminister für Kultur. Ist nicht das Schlechteste."