Zustand der Großen Koalition

Von Sandkörnern, Badeschlappen und streitenden Eltern

Zwei Badelatschen am Strand
Symbol Badelatschen: Wer über sie streitet, macht was falsch. Und will den anderen nur ärgern. © imago stock&people
Wolfram Eilenberger im Gespräch mit Korbinian Frenzel · 19.09.2018
In der Großen Koalition werden Entscheidungen gefällt, die kaum noch jemand versteht oder verstehen will: Für den Philosophen Wolfram Eilenberger verhalten sich Union und SPD zueinander wie Ehepartner, die sich verbittert um Nichtigkeiten streiten.
Welches Bild gibt die Große Koalition derzeit ab? Der Philosoph Wolfram Eilenberger:
"Das Bild einer schlechten Ehe ist das, was am ehesten metaphorisch tragfähig ist, und wenn sich Eltern kurz vor dem Urlaub darüber streiten, ob man die Badeschlappen jetzt mitnimmt oder nicht, dann tun sie das nicht, weil das sachlich wichtig ist, sondern weil sie einander weh tun wollen."

Symbolische Niederlage für die Sozialdemokraten

Das sagte Eilenberger vor dem Hintergrund der Causa Maaßen - einem hohen Beamten, der Fehler machte und dafür befördert wurde. Der Noch-Verfassungsschutzchef wird Staatssekretär. Innenminister Horst Seehofer wollte nicht auf ihn verzichten - und die SPD konnte sich nur bedingt durchsetzen.
Bundesinnenminister Horst Seehofer und die SPD-Vorsitzende Andrea Nahles verlassen ein Krisengespräch mit Kanzlerin Angela Merkel zu Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen.
Jeden Tag ein neues Sandkorn im Getriebe: Bundesinnenminister Seehofer und die SPD-Vorsitzende Nahles verlassen ein Krisengespräch mit Kanzlerin Merkel zu Noch-Verfassungsschutzpräsident Maaßen.© dpa-Bildfunk / Bernd von Jutrczenka
Deswegen fühlt sich der gesamte Vorgang nun wie eine Niederlage für die Sozialdemokraten an. Die SPD sei der symbolische Verlierer, sagte Eilenberger im Deutschlandfunk Kultur.
Die Partei sei vorgeprescht und habe Konsequenzen aus Maaßens Äußerungen zu den Vorgängen in Chemnitz gefordert - bekommen hat sie eine Beförderung.
Das sei der Wählerschaft nicht als Erfolg vermittelbar, so der Philosoph: "Das ist vielleicht auch die Unfähigkeit, Prozesse vom Ende her zu antizipieren".

Koalition der Mutlosen

Übrig bleibe eine SPD, die sich durch Mutlosigkeit auszeichne, so Eilenberger. Dass die SPD den Sprung zur Selbstbestimmung und zum Kontrast nicht wage, sei eine große Gefahr und nutze weder ihr selbst noch der Union. Und eine "Koalition der Mutlosen" sei schlecht für die Demokratie.
Wolfram Eilenberger
Wolfram Eilenberger: Wo bleibt der Mut, die Koalition zu beenden?© Deutschlandradio / Manfred Hilling
Jeden Tag dringe ein weiteres Sandkorn ins Getriebe der Koalition ein - und irgendwann komme dann eins, das das ganze System stoppe, sagte der Publizist.
Bis dahin wird vermutlich weitergestritten. Man wolle sich momentan gegenseitig die Lust am Leben und am Regieren nehmen, analysierte Eilenberger: "Ohne den inneren Mut zu besitzen, diese Beziehung zu beenden, was vielleicht für die Kinder auch besser wäre: also die Wähler". (ahe)
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