Human Rights Watch: "Das hat keine Tradition in der Ukraine"
Zustände, die an sowjetische Gulags erinnern: Angesichts der Berichte des Deutschlandfunk-Recherchepools über Zwangsarbeit in der Ost-Ukraine fordert Human Rights Watch ein Handeln der internationalen Staatengemeinschaft. Direktor Wenzel Michalski kritisiert ein vorwiegend geopolitisches Denken.
Wenzel Michalski, Direktor des deutschen Büros der Organisation Human Rights Watch, hat das Versagen der internationalen Staatengemeinschaft angesichts der Berichte über die von Separatisten betriebenen Zwangsarbeits-Lager in den besetzten Gebieten der Ost-Ukraine kritisiert. Ein Recherche-Pool vom Deutschlandfunk hat diese Zustände offen gelegt und darüber in einer "Weltzeit"-Reportage von Sabine Adler berichtet.
Angesichts dieser Problematik müsse man der internationalen Staatengemeinschaft Vorwürfe machen, sagt Michalski im Deutschlandfunk Kultur. Länder, die Einfluss auf Russland hätten, müssten sich "viel mehr stark machen", fordert er - auch vor dem Hintergrund der Minsker Gespräche zur Krise in der Ukraine:
"Es geht sehr selten um die Menschenrechte, um die Rechte der Menschen, die in diesen besetzten Gebieten liegen. Sondern die Diskussionen sind immer nur geopolitisch gehalten. Und das ist schon ein Vorwurf, den wir Staaten wie Deutschland oder Frankreich machen."
Angesichts dieser Problematik müsse man der internationalen Staatengemeinschaft Vorwürfe machen, sagt Michalski im Deutschlandfunk Kultur. Länder, die Einfluss auf Russland hätten, müssten sich "viel mehr stark machen", fordert er - auch vor dem Hintergrund der Minsker Gespräche zur Krise in der Ukraine:
"Es geht sehr selten um die Menschenrechte, um die Rechte der Menschen, die in diesen besetzten Gebieten liegen. Sondern die Diskussionen sind immer nur geopolitisch gehalten. Und das ist schon ein Vorwurf, den wir Staaten wie Deutschland oder Frankreich machen."
"Ich sehe keine Einsicht der Russen"
Seiner Einschätzung nach habe die russische Regierung zur Zeit überhaupt kein Interesse daran, den Rebellen "irgendwie dazwischen zu funken", so äußert sich Michalski. Vielmehr unterstütze Russland die Rebellen sogar bei Taten, die Menschenrechte verletzten, Menschen quälten oder sogar folterten und auch verschwinden ließen:
"Ich sehe zur Zeit da überhaupt keine Einsicht der Russen. Es sei denn, andere Länder dringen auf die Russen und verhandeln Entsprechendes oder üben Druck aus. Dann lässt sich da vielleicht etwas bewegen."
"Ich sehe zur Zeit da überhaupt keine Einsicht der Russen. Es sei denn, andere Länder dringen auf die Russen und verhandeln Entsprechendes oder üben Druck aus. Dann lässt sich da vielleicht etwas bewegen."
"Zwangsarbeit hat keine Tradition in der Ukraine"
Michalski verwies darauf, dass es in der Ukraine vor der Besetzung der Gebiete durch die Rebellen keine Zwangsarbeit gegeben habe:
"Das hat keine Tradition in der Ukraine. Sondern sie würden unter Haftbedingungen sitzen, die vielleicht nicht so mit skandinavischen oder deutschen Verhältnissen zu vergleichen sind. Sie mussten auch arbeiten, bevor die von Russland unterstützten Rebellen das Gebiet erobert haben. Aber es gab keine Zwangsarbeit. Sie wurden nicht dazu gezwungen."
"Das hat keine Tradition in der Ukraine. Sondern sie würden unter Haftbedingungen sitzen, die vielleicht nicht so mit skandinavischen oder deutschen Verhältnissen zu vergleichen sind. Sie mussten auch arbeiten, bevor die von Russland unterstützten Rebellen das Gebiet erobert haben. Aber es gab keine Zwangsarbeit. Sie wurden nicht dazu gezwungen."
Das Interview im Wortlaut:
Christine Watty: Wir können diesen Menschen nicht helfen, den Häftlingen also, die nach Ablauf ihrer Freiheitsstrafen in den besetzten Teilen der Ostukraine weiter zu Zwangsarbeit verpflichtet werden. Aber wer kann denn helfen? Ich bin verbunden mit Wenzel Michalski von Human Rights Watch. Schönen guten Morgen, Herr Michalski!
Wenzel Michalski: Guten Morgen!
Watty: Wie bewerten Sie die Erkenntnisse über die Situation in den Arbeitslagern in den besetzten Teilen der Ostukraine?
Michalski: Das ist natürlich ganz schrecklich. Wir hatten ähnliche Fälle dokumentiert im Jahr 2014. Da waren die Kämpfe in vollem Gange und Gefangene, Reguläre, also Zivilisten, Zivilbevölkerung, Leute, die etwas ausgefressen haben und deswegen im Gefängnis saßen, die wurden dann zu Zwangsarbeit verdonnert. Und bis heute geht das noch, das haben wir dokumentiert.
Es gibt allerdings auch Menschen, die würden sich wünschen, solche Arbeiten zu vollbringen. Und zwar sind das solche, die gefangen werden wegen in Anführungsstrichen Spionage, und da haben wir drastische Fälle dokumentiert mit Folter und so weiter.
"Zwangsarbeit ist nie erlaubt"
Watty: Gehen wir mal Schritt für Schritt vor. In diesen Fällen, die wir recherchiert haben in den besetzten Gebieten der Ostukraine, ist die Zwangsarbeit an dieser Stelle erlaubt oder eben nicht?
Michalski: Nein, Zwangsarbeit ist nie erlaubt. Das ist eine Versklavung, und wie das Wort eben sagt, "Zwang", die Menschen werden dazu gezwungen, etwas zu tun, was sie sonst nicht machen würden. Es ist ja auch üblich, auch bei Gefangenen, dass sie eine gewisse Bezahlung bekommen. Auch das ist eben da nicht gegeben.
Watty: Okay, dann meinte ich die Arbeit im Rahmen einer Freiheitsstrafe. Wie wäre denn die Situation der Häftlinge, hätte es die Besetzung der Gebiete dort nicht gegeben?
Michalski: Dann gäbe es keine Zwangsarbeit. Es hat keine Tradition in der Ukraine, sondern die würden unter Haftbedingungen sitzen, die vielleicht nicht so mit skandinavischen oder deutschen Verhältnissen zu vergleichen sind.
Sie mussten auch arbeiten, vorher, bevor die von Russland unterstützten Rebellen das Gebiet erobert haben, aber es gab keine Zwangsarbeit. Sie wurden nicht dazu gezwungen.
Könnte Russland Einfluss auf die Separatisten nehmen?
Watty: Russland könnte Einfluss nehmen auf die Separatisten. Sehen Sie da eine Chance?
Michalski: Man soll die (Hoffnung) nie aufgeben, aber so, wie ich die russische Regierung zurzeit einschätze, haben die überhaupt gar kein Interesse, den Rebellen irgendwie dazwischenzufunken. Russland unterstützt die Rebellen auch in Taten, die Menschenrechte verletzen und Menschen quälen. Wir haben, wie ich eben schon erwähnt habe, auch Fälle von knallharter Folter und Verschwindenlassen dokumentiert. Ich sehe zurzeit da überhaupt keine Einsicht der Russen, es sei denn, andere Länder dringen auf die Russen und verhandeln Entsprechendes oder üben Druck aus. Dann lässt sich da vielleicht was bewegen.
Watty: Kiew sagt, das haben wir auch eben im Beitrag von Sabine Adler gehört, da können wir leider auch nichts machen, wir haben quasi keine rechtliche Möglichkeit, dort einzugreifen. Ist das zu kritisieren? Damit meine ich natürlich, kann man das Kiew wiederum vorwerfen und sagen, es müsste aber irgendwas passieren, denn irgendjemand muss natürlich an dieser Stelle eingreifen.
Michalski: Aber Kiew kann da schlecht eingreifen, denn das sind ja Gebiete, auf die die Regierung Anspruch erhebt. Die haben da überhaupt keine Einflussmöglichkeiten, keine Macht. Wir müssen erstmal froh sein, dass die Kämpfe zurzeit eingestellt worden sind.
"Es geht sehr selten um die Menschenrechte"
Wem man da Vorwürfe machen kann, ist der internationalen Staatengemeinschaft, Länder, die Einfluss haben auf Russland, wenn das auch unter Putin sehr eingeschränkt ist, die müssen sich viel mehr stark machen dafür. Es geht auch, zum Beispiel jetzt das Stichwort Minsker Gespräche, sehr selten um die Menschenrechte, um die Rechte der Menschen, die in diesen besetzten Gebieten leben, sondern die Diskussionen sind immer nur geopolitisch gehalten. Und das ist schon ein Vorwurf, den wir Staaten wie Deutschland oder Frankreich machen.
Watty: Danke schön an Wenzel Michalski von Human Rights Watch. Seine Einschätzungen zur Deutschlandfunk-Kultur-Recherche war das, nach der Gefangene in den besetzten Gebieten in der Ostukraine auch über das Ende ihrer Haftzeit in Arbeitslagern festgehalten werden, um dort Zwangsarbeit zu verrichten.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandfunk Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Links zu ukrainischen Portalen, die das Thema aufgreifen: