Zwangsbehandlung in der Psychiatrie verboten

Von Simone Miller |
Der Bundesgerichtshof hat im Juni 2012 die Befugnisse der Psychiater und Psychiaterinnen zur Zwangsbehandlung von Patienten eingeschränkt. Seitdem fehlt es den Ärzten an einer rechtlichen Grundlage, wie sie die jährlich rund 45.000 Zwangseingewiesenen behandeln sollen.
Im März 2011 gab das Bundesverfassungsgericht der Beschwerde eines internierten Straftäters aus Baden-Württemberg Recht. Diesem sollte, zur Behandlung einer Persönlichkeitsstörung, gegen seinen Willen ein Nervendämpfungsmittel gespritzt werden. Eine solche Behandlung - so entschied das Gericht - bedeute einen Verstoß gegen das Rech auf körperliche Unversehrtheit.
Es fehle - so bemängelten die Verfassungsrichter damals, ein Gesetz, das die Voraussetzungen für zulässige Zwangsbehandlungen klar definiert. Die bislang gültigen, weitreichenden Befugnisse der Anstalten würden der Schutzbedürftigkeit der Patientenautonomie und -würde nicht gerecht. Es müsse - so die Richter weiter - gebührend berücksichtigt werden, dass sich die Betroffenen in einer Situation außerordentlicher Abhängigkeit befinden.

Am 20. Juni 2012 entschied der Bundesgerichtshof schließlich, dass so lange keine Zwangsbehandlungen durchgeführt werden dürfen, bis ein neues, den verfassungsrechtlichen Anforderungen genügendes Gesetzt vorliegt. Das betrifft auch die Verabreichung von Psychopharmaka an Psychiatriepatienten, die von Betreuern rechtlich vertreten werden.

Etwa 45.000 Patienten werden jedes Jahr gegen ihren Willen in psychiatrische Kliniken eingewiesen. Von ihnen lassen sich nur die wenigsten freiwillig behandeln. Der Leidensdruck sowohl auf Seiten der Patienten als auch auf Seiten der Psychiater ist groß: Letzten Donnerstag brachte die deutsche Psychiatriegesellschaft ein Memorandum ein, in dem sie die Politik erneut dazu auffordert, die gesetzliche Grundlage zur Regelung von Zwangsbehandlungen so rasch wie möglich vorzulegen.