Zwangsprostitution im Zweiten Weltkrieg

Japan will "Trostfrauen"-Mahnmal verschwinden lassen

05:53 Minuten
Proteste gegen den von Japan geforderten Abbau des Denkmals für die "Trostfrauen" (Zwangsprostituierte in japanischen Militärbordellen) im Zweiten Weltkrieg.
Die Proteste für den Erhalt des "Trostfrauen"-Denkmals haben zumindest einen Aufschub erbracht. © picture alliance / dpa / Bernd von Jutrczenka
Von Christiane Habermalz · 14.10.2020
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Bis zu 200.000 Frauen wurden von der japanischen Armee im Zweiten Weltkrieg zur Prostitution gezwungen. Daran soll eine Statue in Berlin erinnern, die der Korea-Verband aufstellen ließ. Die japanische Regierung fordert die Entfernung des Mahnmals.
"Warum sollen wir uns der japanischen Regierung beugen? Ich verstehe das einfach nicht. Das müssen sie wirklich wohl überlegen", sagt eine Frauenstimme, worauf Applaus und Geschrei ertönt. – "Das Bezirksamt Mitte beugt sich Japan nicht, sondern stimmt sich mit der Landes- und Bundesregierung ab. Und das ist das Einzige, wofür ich auch um Verständnis bitte", sagt Stephan von Dassel daraufhin.

Sexsklavinnen für die japanische Armee

Der grüne Bezirksbürgermeister von Mitte hatte es gestern Nachmittag nicht leicht. Rund 200 Menschen waren zu einer Kundgebung nach Berlin-Moabit gekommen, um gegen den angekündigten Abbau der "Friedensstatue" zu protestieren.
Ein Mahnmal, mit dem der Berliner Verein Korea-Verband an die sogenannten "Trostfrauen" erinnern will: Hunderttausende junge Frauen und Mädchen, vor allem aus Korea und China, die während des Zweiten Weltkrieges verschleppt und gezwungen wurden, für die japanische Armee als Sexsklavinnen zu arbeiten.
Die Aufstellung der Statue für zunächst ein Jahr war vom Korea-Verband, der in Moabit auch ein kleines Museum betreibt, beantragt und vom Bezirksamt genehmigt worden. Doch dann intervenierte die japanische Regierung. Dem Vernehmen nach war es der japanische Außenminister persönlich, der bei seinem Amtskollegen Heiko Maas anrief, um sich über die Aufstellung der Statue zu beschweren.
Daraufhin ordnete das Bezirksamt Mitte die Entfernung der Statue an – Frist: Mittwochabend. Immerhin dieser Termin ist jetzt erst einmal vom Tisch. Der Korea-Verband hat gegen den Abräumbescheid Widerspruch vor dem Verwaltungsgericht eingelegt.
"Wir werden jetzt natürlich nicht auf unserem Bescheid beharren, dass am 14.Oktober dieses Denkmal entfernt werden soll", sagte dazu Bezirksbürgermeister Dassel. "Sondern die Pause, die es jetzt durch die Beratungen im Gericht gibt, dafür nutzen, um noch einmal zu überlegen, welche Argumente dafür und dagegen sprechen."

Konzertierte japanische Proteste gegen Mahnmäler

Das Bezirksamt sei verpflichtet, das friedliche Miteinander im Bezirk zu wahren, so lautete die offizielle Begründung. Das Mahnmal sei eine einseitige Kommentierung von japanischer Politik, und es habe "sehr viele Zuschriften von japanischen Mitbürgern gegeben, die die Friedensstatue nicht als Friedensstatue empfinden würden".
Nataly Han, Vorsitzende des Korea-Verbands, hält das für wenig glaubhaft. Die Japaner, die sie im Viertel kenne, schämten sich eher für die Kriegsverbrechen ihres Landes:
"Ich weiß, dass es in Japan rechte Organisationen gibt, die so organisiert sind, dass sie weltweit, sobald diese Statue aufgestellt werden soll, mit ganz bösen Emails bombardieren, also wirklich Tausende von Emails schicken. Ob das Bezirksamt Mitte diese Emails genau analysiert hat, welche aus Japan stammen und welche aus Deutschland, das weiß ich nicht."
Tatsächlich ist die Berliner Friedensstatue nicht die Einzige, mit der koreanische zivilgesellschaftliche Organisationen versuchen, auf das Schicksal der "Trostfrauen" hinzuweisen. Die goldene Statue wurde im Jahr 2011 von einem koreanischen Künstlerpaar gestaltet. Sie stellt eine Frau mit kurzen Haaren dar, die, die geballten Fäuste im Schoß, auf einem Stuhl sitzt, ein zweiter leerer Stuhl daneben steht für die unzähligen Opfer, die das Martyrium nicht überlebt haben.

Forderungen nach Anerkennung und Entschädigung

Anlass für die Schaffung der Statue war die 1000. Mittwochsdemonstration, ein Protest, mit dem seit 1992 die überlebenden Opfer jede Woche vor der japanischen Botschaft in Seoul für die Anerkennung und Entschädigung ihres Leids kämpfen. 16 Statuen wurden seitdem als Mahnmäler in verschiedenen Ländern aufgestellt – und fast jedes Mal wurden sie nach massiver Intervention Japans wieder abgebaut.
"Auf den Philippinen war das am schlimmsten", meint Han. "Weil die eigene Regierung so unter Druck gesetzt wurde, weil die Philippinen wirtschaftlich abhängig sind von Japan. Da wurde das tatsächlich entfernt. In Südkorea selber hat die südkoreanische Regierung versucht, diese Statue zu verhindern, aber die Studenten haben die Statue erfolgreich verteidigt."
Auch in Deutschland hat die Stadt Freiburg 2016 auf die geplante Errichtung einer Friedensstatue verzichtet, nachdem das Generalkonsulat Japans angedroht hatte, die Städtepartnerschaft mit der japanischen Stadt Matsuyama aufzukündigen.
Massive Interventionen der japanischen Regierung gab es auch auf Vorhaben des Bonner Frauenmuseums und der Gedenkstätte Ravensbrück, eines der Denkmäler aufzustellen. Am Ende ließ man die Pläne in der Schublade.

Opfer akzeptieren offizielle Entschuldigung nicht

Die japanische Regierung hat sich mit der Anerkennung der Kriegsverbrechen lange schwergetan. Die Aufarbeitung und eine öffentliche Debatte begannen erst in den 90er-Jahren, nachdem südkoreanische Zivilorganisationen begannen, aktiv zu werden und Druck zu machen. 2015 hat sich Japan zwar offiziell bei Südkorea entschuldigt, doch die getroffene Regierungsvereinbarung wurde von den Opfern nicht akzeptiert, weil sie nicht miteinbezogen worden waren. Und auch, weil damit ein endgültiger Schlussstrich unter das Thema gesetzt werden sollte, kritisiert Han:
"Das geht einfach nicht. Wenn man seine Schuld und die Vergangenheit anerkannt hat, dann muss man ja weiterhin darüber sprechen. Das muss man ja auch in den Schulen unterrichten, auch in Japan so ein Mahnmal errichten. Und deswegen sagen die Betroffenen: Ich kann deren Entschuldigung nicht annehmen, weil es nicht aufrichtig ist."
Die Statue in Berlin-Moabit wäre das erste Mahnmal in Deutschland auf öffentlichem Grund. Vielleicht sollte sich das Bezirksamt Mitte ein Beispiel nehmen an der Stadt San Francisco. Auch dort hatte Japan mit der Aufkündigung einer Städtepartnerschaft gedroht, sollte die Friedensstatue errichtet werden. Die Antwort der Stadt: Macht doch! Die goldene Statue blieb stehen.
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