Zwangstaufen und Schwertmission
Das Christentums in Europa breitete sich auf vielfältige Weise aus - friedlich und kriegerisch, aus spirituellen und aus profanen Gründen. Eine Ausstellung in Paderborn macht diese Geschichte anschaulich. "Es werden nicht nur die lichtvollen Zeiten präsentiert, sondern auch die dunklen", betont der Leiter des Paderborner Diözesanmuseums, Christoph Stiegemann.
Stephan Karkowsky: Ein Museum war offenbar nicht groß genug für diese Ausstellung, die in Paderborn nun gleich drei belegt. In drei Phasen zeigen sie "Credo – Die Christianisierung Europas im Mittelalter", und darüber wollen wir mit Christoph Stiegemann sprechen, er hat die Ausstellung organisiert und er ist Direktor des Erzbischöflichen Diözesanmuseums Paderborn. Herr Stiegemann, guten Tag!
Christoph Stiegemann: Ich grüße Sie, Herr Karkowsky!
Karkowsky: Lassen Sie mich gleich beginnen mit einer heiklen Frage: Wenn nun die katholische Kirche ihre eigene Geschichte selbst erzählt, das Ganze wird wertgeschätzt vom Päpstlichen Kulturrat im Vatikan, es wird unterstützt von der Schirmherrschaft des christlichen Pfarrers und Bundespräsidenten Gauck – ist das dann zwangsläufig eine Erfolgsgeschichte?
Stiegemann: Nein, ganz und gar nicht. Also wir haben uns schon 2008 gewissermaßen auf den Weg gemacht, uns diesem gigantischen und gewaltigen Thema zu stellen, also eine Entwicklung, die ja Epochen übergreifend, annähernd 1000 Jahre umfasst – wir beginnen in Rom im dritten Jahrhundert und enden im Baltikum im späten 15. Jahrhundert –, und die eigentlich alle Länder des heutigen Europa erreicht in diesem gewaltigen Vorgang von ungeheurer Dynamik. Und das jetzt im Zusammenhang zu präsentieren im Rahmen einer Ausstellung – "Credo – Christianisierung Europas im Mittelalter" – das ist ein Vorgang, der jetzt in kleinster Weise also diese Ausbreitung so als eindimensionale Erfolgsgeschichte präsentiert, sondern wirklich alle Bereiche.
Es ist ein unendlich langwieriger Vorgang von Vor- und Rückschritten, nicht, von Einflüssen, unter denen sich natürlich auch immer die Botschaft selber verändert hat, und das jetzt nicht nur in einem Museum, sondern wirklich in drei Museen, veranstaltet von einer Ausstellungsgesellschaft, in der neben dem Erzbistum Paderborn auch der Landschaftsverband Westfalen-Lippe und die Stadt Paderborn in gleicher Weise beteiligt ist. Und das führt dazu, dass wir nun ein wirklich sehr komplexes Bild dieses großen Prozesses präsentieren können.
Karkowsky: Diese Christianisierung ist auch, aber natürlich nicht nur eine Geschichte der Gewalt gewesen, und dem gehen Sie gar nicht aus dem Weg. Wie stellen Sie das dar?
Stiegemann: Wir wollten ganz bewusst zeigen, also in den drei Häusern, unterschiedliche Themenschwerpunkte. Die Ausstellung beginnt im Diözesanmuseum unter dem Titel "Lux Mundi, Licht der Welt", da geht es um Fragen der Migration von Ideen. Wie verbreitet sich diese Lehre, die frohe Botschaft, die da irgendwie aus dem östlichen Mittelmeerraum kam, binnen 300 Jahren im gesamten Raum des römischen Weltreiches. Und das sind Vorgänge von Übersetzung, also eine Sprache muss gefunden werden für eine Botschaft, die auch in andere Kulturen inkulturiert werden kann.
Es sind also ganz komplexe Vorgänge, unter denen natürlich auch die Lehre sich ständig verändert. Und diese Ausbreitung, die Migration des Glaubens und der Glaubensbotschaft, das ist Thema im Diözesanmuseum, während wir dann so gewissermaßen als Sollbruchstelle die Zeit der Karolinger mit Karl dem Großen benennen können, denn Karl ist der erste, der das Christentum gewissermaßen mit seinen militärischen Expansionsbestrebungen verbindet. Hier gerade in Paderborn, das ist der Genius loci, gründet Karl der Große ein frühes Missionsbistum. Und zuvor hatte er also in einem 30-jährigen Krieg unter unendlichem Blutzoll dieses Sachsenland dem westfränkischen Territorium einverleibt, zugleich auch seine Missionare hier hineingeschickt, und das sind dann Dinge, die mit Gewalt passiert sind. Zwangstaufen, Schwertmission, diese Begriffe, die wir ganz bewusst auch in den Fokus rücken.
Es werden nicht nur die lichtvollen Zeiten präsentiert, sondern auch durchaus die dunklen. All das gehört zusammen, um dann die Entwicklung zu verfolgen mit den in der Missionsbewegung nach Osten, nach Osteuropa, nach Polen, nach Ungarn, nach Tschechien und schließlich hinauf ins Baltikum, wo dann mit den Jagiellonen im späten 15. Jahrhundert wirklich eigentlich Europa dem Christentum zugeführt ist und wir dann einen kurzen Zeitraum auch nur haben von annähernd 50 Jahren, wo von Tallin bis Lissabon, von Neapel bis Reykjavik auf Island das Credo gebetet wurde.
Karkowsky: Nun haben wir hier ja eine Tour de force schon gemacht durch die gesamte Ausstellung. Lassen Sie uns noch mal zurück auf Los gehen, an den Start, in Ihrem Museum. Sie steigen da ein zu einem Zeitpunkt, kann man sagen, da war das Christentum noch nicht viel mehr als eine schnell wachsende Sekte unter vielen?
Stiegemann: Das ist richtig. Also wir eröffnen das Thema mit der Präsenz natürlich auch des bildgewaltigen Polytheismus in der römischen Götterwelt. Und wir haben diesen ganzen Kosmos hier ausgebreitet. Da war es durchaus möglich, dass man auch in Rom schon fremde Gottheiten inkulturierte. Götter, die aus Ägypten kamen, wie Isis, Persephone, Osiris, diese alexandrinische Göttertrias, der es ein eigenes Heiligtum in Rom gab. Oder Mithras, ein blutiger Kult, der aus Persien kam mit einem Stieropfer, insbesondere unter der ja ganz stark militaristischen römischen Legionärswelt Verbreitung fand, und auch hier nördlich der Alpen gibt es viele dieser Mithräen, die wir nachweisen können.
Es gibt also ein ganzes Spektrum unterschiedlicher Glaubensausübungen und -prägungen, und dieser natürlich auch bildgewaltigen Welt setzen wir ein ganz schlichtes Zeugnis entgegen, ein Papyrusfragment, beschrieben mit griechischen Buchstaben, und es ist die älteste Abschrift, die sich erhalten hat vom Brief des Apostels Paulus an die Christengemeinde in Rom. Da würde man heute sagen, das ist so quasi eine völlig andere Qualität, das wäre so per E-Mail. Also das wäre virtuell die Briefkultur, die jetzt also für das Christentum eine ganz neue Dimension und Bedeutung bekommt.
Karkowsky: Sie hören den Direktor des Erzbischöflichen Diözesanmuseums Paderborn, der uns berichtet von einer Ausstellung, die dort morgen beginnt, die Christianisierung Europas im Mittelalter. Herr Stiegemann, dieser Anfang, Mailand 313. Ich glaube, damit geht es los, als zwei römische Kaiser beschlossen, das Christentum als Religion künftig zu tolerieren. Was hatten die für Motive damals in dieser Welt, die Sie uns beschrieben haben?
Stiegemann: Bis zu diesem Zeitpunkt hatte sich wirklich das Christentum schon in vielen Einzelzellen im gesamten römischen Reich verbreitet, und Konstantin musste konstatieren, dass also auch selbst die massiven Christenverfolgungen des Diokletian es nicht mehr vermocht haben, diese Religion einzudämmen. Und so kommt er dazu, zusammen mit seinem oströmischen Mitkaiser Licinius im Jahre 313 Religionsfreiheit zu verkünden. Und damit war das Christentum zum ersten Mal in der Lage, ohne weitere Repressalien zu befürchten, sich frei im römischen Reich entfalten zu können.
Karkowsky: War denn die Kirche zu diesem Zeitpunkt überhaupt schon organisiert?
Stiegemann: Sie ist eigentlich insbesondere dann auch jetzt seit dieser Zeit organisiert in frühen Strukturen der Diözesen. An der Spitze standen dann Bischofsfiguren, und der Kaiser Konstantin versammelte diese Bischöfe dann zu Konzilen, von Nicäa zum Beispiel und Konstantinopel, wo dann eigentlich die Basics, würde man heute sagen, also die Diskussion um die Wesenheit Jesu Christi, also das trinitarische Gottesbild, das wurde da festgeklopft, und damit dann eigentlich die Grundlage geschaffen, über die nun die Ausbreitung sich vollziehen konnte, wobei dann das Christentum eine unglaubliche Flexibilität entwickelt mit den Techniken eigentlich der Antike, die das Christentum ins Mittelalter überliefert. Denn dazwischen geht natürlich die Völkerwanderung über das römische Reich. Das hört sich so nach Wandervogel an, aber es war ein unglaublicher Kulturschock, ein Bruch, und die Kirchenväter überliefern das antike Erbe dann ins Mittelalter und damit eben Techniken, auch zum Beispiel, die Welten jetzt des Götterglaubens auf dem Wege von Allegorie und Mythos durchaus mit ins Christentum einzubeziehen.
Karkowsky: Kann denn Ihre Ausstellung die Kernfrage der Christianisierung beantworten, nämlich was die Menschen des Mittelalters am meisten überzeugt hat von dieser Religion. Also waren das die Wunder, die sonst keiner bieten konnte – also Jesus war ja Exorzist, ein Wunderheiler, ein wundersamer Essensvermehrer, er war ein Wunderwinzer, wenn man das so salopp sagen möchte, er ist auferstanden von den Toten – oder fanden die Menschen damals einfach die Idee gut, nur noch einen Gott anbeten zu müssen?
Stiegemann: Sicherlich hat also diese ganz klare Ausrichtung, auch mit dem ganz klaren Bild der Jenseitsvorstellung, Auferstehung Jesu Christi und das, was den Menschen nach seinem Tod als Christ im Himmelreich erwartet, Auswirkungen gehabt auf den Glaubenswechsel. Für uns eine ganz wichtige Frage, so gewissermaßen diese Schnittstellen ausmachen zu können, und da gibt es dann spannende Phänomene, wo man in den gentilen Ethnien hier nördlich der Alpen, wo es ja keine Schriftlichkeit gab, natürlich auch vagabundierende, wechselnde und wechselhafte Vorstellungen dieses Lebens nach dem Tode vorfand. Und das war natürlich jetzt für die Missionare relativ einfach, da etwas vorzugeben, was eine neue Qualität ins Spiel brachte, wo eben nicht mehr nur der Familienverband von Bedeutung war, sondern der je Einzelne. Dieses Credo, "ich glaube".
Karkowsky: Sie sollten uns als Ausstellungsmacher auch noch Lust machen auf Ihre Exponate. Sie haben mehr als 600 Ausstellungsstücke versammelt – auf welche sind Sie denn besonders stolz?
Stiegemann: Ja, um da anzuschließen, diese Übergangswelten: Wir haben natürlich mit den ganzen Kolleginnen und Kollegen in ganz Europa uns im Vorfeld ausgetauscht und können neueste, sensationelle archäologische Funde zum Beispiel präsentieren. Da haben wir dieses Fürstengrab von Prittlewell, das ist also in Essex, Südengland, bei Southend, eine Grablege eines Fürsten, der so an der Schwelle steht. Es ist eine reich ausgestattete Grabkammer mit fantastischen Stücken, die aus Byzanz eingeführt worden sind. Also man sieht auch, in was für einem regen Austausch durch ganz Europa diese Größen damals, diese Eliten, gestanden haben. Das war im Grunde noch vorchristlich. Also eine Ausstattung, die dem Verstorbenen einen guten Lebensstandard im Grunde auch im Jenseits verschaffen sollte …
Karkowsky: Und das alles gibt es zu sehen ab morgen in dieser großen, dreiteiligen Ausstellung. Da erzählt das Erzbistum Paderborn von der Christianisierung Europas. Organisiert hat das Christoph Stiegemann, er ist Direktor des Erzbischöflichen Diözesanmuseums Paderborn. Herr Stiegemann, Ihnen Dank für das Gespräch!
Stiegemann: Danke!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Christoph Stiegemann: Ich grüße Sie, Herr Karkowsky!
Karkowsky: Lassen Sie mich gleich beginnen mit einer heiklen Frage: Wenn nun die katholische Kirche ihre eigene Geschichte selbst erzählt, das Ganze wird wertgeschätzt vom Päpstlichen Kulturrat im Vatikan, es wird unterstützt von der Schirmherrschaft des christlichen Pfarrers und Bundespräsidenten Gauck – ist das dann zwangsläufig eine Erfolgsgeschichte?
Stiegemann: Nein, ganz und gar nicht. Also wir haben uns schon 2008 gewissermaßen auf den Weg gemacht, uns diesem gigantischen und gewaltigen Thema zu stellen, also eine Entwicklung, die ja Epochen übergreifend, annähernd 1000 Jahre umfasst – wir beginnen in Rom im dritten Jahrhundert und enden im Baltikum im späten 15. Jahrhundert –, und die eigentlich alle Länder des heutigen Europa erreicht in diesem gewaltigen Vorgang von ungeheurer Dynamik. Und das jetzt im Zusammenhang zu präsentieren im Rahmen einer Ausstellung – "Credo – Christianisierung Europas im Mittelalter" – das ist ein Vorgang, der jetzt in kleinster Weise also diese Ausbreitung so als eindimensionale Erfolgsgeschichte präsentiert, sondern wirklich alle Bereiche.
Es ist ein unendlich langwieriger Vorgang von Vor- und Rückschritten, nicht, von Einflüssen, unter denen sich natürlich auch immer die Botschaft selber verändert hat, und das jetzt nicht nur in einem Museum, sondern wirklich in drei Museen, veranstaltet von einer Ausstellungsgesellschaft, in der neben dem Erzbistum Paderborn auch der Landschaftsverband Westfalen-Lippe und die Stadt Paderborn in gleicher Weise beteiligt ist. Und das führt dazu, dass wir nun ein wirklich sehr komplexes Bild dieses großen Prozesses präsentieren können.
Karkowsky: Diese Christianisierung ist auch, aber natürlich nicht nur eine Geschichte der Gewalt gewesen, und dem gehen Sie gar nicht aus dem Weg. Wie stellen Sie das dar?
Stiegemann: Wir wollten ganz bewusst zeigen, also in den drei Häusern, unterschiedliche Themenschwerpunkte. Die Ausstellung beginnt im Diözesanmuseum unter dem Titel "Lux Mundi, Licht der Welt", da geht es um Fragen der Migration von Ideen. Wie verbreitet sich diese Lehre, die frohe Botschaft, die da irgendwie aus dem östlichen Mittelmeerraum kam, binnen 300 Jahren im gesamten Raum des römischen Weltreiches. Und das sind Vorgänge von Übersetzung, also eine Sprache muss gefunden werden für eine Botschaft, die auch in andere Kulturen inkulturiert werden kann.
Es sind also ganz komplexe Vorgänge, unter denen natürlich auch die Lehre sich ständig verändert. Und diese Ausbreitung, die Migration des Glaubens und der Glaubensbotschaft, das ist Thema im Diözesanmuseum, während wir dann so gewissermaßen als Sollbruchstelle die Zeit der Karolinger mit Karl dem Großen benennen können, denn Karl ist der erste, der das Christentum gewissermaßen mit seinen militärischen Expansionsbestrebungen verbindet. Hier gerade in Paderborn, das ist der Genius loci, gründet Karl der Große ein frühes Missionsbistum. Und zuvor hatte er also in einem 30-jährigen Krieg unter unendlichem Blutzoll dieses Sachsenland dem westfränkischen Territorium einverleibt, zugleich auch seine Missionare hier hineingeschickt, und das sind dann Dinge, die mit Gewalt passiert sind. Zwangstaufen, Schwertmission, diese Begriffe, die wir ganz bewusst auch in den Fokus rücken.
Es werden nicht nur die lichtvollen Zeiten präsentiert, sondern auch durchaus die dunklen. All das gehört zusammen, um dann die Entwicklung zu verfolgen mit den in der Missionsbewegung nach Osten, nach Osteuropa, nach Polen, nach Ungarn, nach Tschechien und schließlich hinauf ins Baltikum, wo dann mit den Jagiellonen im späten 15. Jahrhundert wirklich eigentlich Europa dem Christentum zugeführt ist und wir dann einen kurzen Zeitraum auch nur haben von annähernd 50 Jahren, wo von Tallin bis Lissabon, von Neapel bis Reykjavik auf Island das Credo gebetet wurde.
Karkowsky: Nun haben wir hier ja eine Tour de force schon gemacht durch die gesamte Ausstellung. Lassen Sie uns noch mal zurück auf Los gehen, an den Start, in Ihrem Museum. Sie steigen da ein zu einem Zeitpunkt, kann man sagen, da war das Christentum noch nicht viel mehr als eine schnell wachsende Sekte unter vielen?
Stiegemann: Das ist richtig. Also wir eröffnen das Thema mit der Präsenz natürlich auch des bildgewaltigen Polytheismus in der römischen Götterwelt. Und wir haben diesen ganzen Kosmos hier ausgebreitet. Da war es durchaus möglich, dass man auch in Rom schon fremde Gottheiten inkulturierte. Götter, die aus Ägypten kamen, wie Isis, Persephone, Osiris, diese alexandrinische Göttertrias, der es ein eigenes Heiligtum in Rom gab. Oder Mithras, ein blutiger Kult, der aus Persien kam mit einem Stieropfer, insbesondere unter der ja ganz stark militaristischen römischen Legionärswelt Verbreitung fand, und auch hier nördlich der Alpen gibt es viele dieser Mithräen, die wir nachweisen können.
Es gibt also ein ganzes Spektrum unterschiedlicher Glaubensausübungen und -prägungen, und dieser natürlich auch bildgewaltigen Welt setzen wir ein ganz schlichtes Zeugnis entgegen, ein Papyrusfragment, beschrieben mit griechischen Buchstaben, und es ist die älteste Abschrift, die sich erhalten hat vom Brief des Apostels Paulus an die Christengemeinde in Rom. Da würde man heute sagen, das ist so quasi eine völlig andere Qualität, das wäre so per E-Mail. Also das wäre virtuell die Briefkultur, die jetzt also für das Christentum eine ganz neue Dimension und Bedeutung bekommt.
Karkowsky: Sie hören den Direktor des Erzbischöflichen Diözesanmuseums Paderborn, der uns berichtet von einer Ausstellung, die dort morgen beginnt, die Christianisierung Europas im Mittelalter. Herr Stiegemann, dieser Anfang, Mailand 313. Ich glaube, damit geht es los, als zwei römische Kaiser beschlossen, das Christentum als Religion künftig zu tolerieren. Was hatten die für Motive damals in dieser Welt, die Sie uns beschrieben haben?
Stiegemann: Bis zu diesem Zeitpunkt hatte sich wirklich das Christentum schon in vielen Einzelzellen im gesamten römischen Reich verbreitet, und Konstantin musste konstatieren, dass also auch selbst die massiven Christenverfolgungen des Diokletian es nicht mehr vermocht haben, diese Religion einzudämmen. Und so kommt er dazu, zusammen mit seinem oströmischen Mitkaiser Licinius im Jahre 313 Religionsfreiheit zu verkünden. Und damit war das Christentum zum ersten Mal in der Lage, ohne weitere Repressalien zu befürchten, sich frei im römischen Reich entfalten zu können.
Karkowsky: War denn die Kirche zu diesem Zeitpunkt überhaupt schon organisiert?
Stiegemann: Sie ist eigentlich insbesondere dann auch jetzt seit dieser Zeit organisiert in frühen Strukturen der Diözesen. An der Spitze standen dann Bischofsfiguren, und der Kaiser Konstantin versammelte diese Bischöfe dann zu Konzilen, von Nicäa zum Beispiel und Konstantinopel, wo dann eigentlich die Basics, würde man heute sagen, also die Diskussion um die Wesenheit Jesu Christi, also das trinitarische Gottesbild, das wurde da festgeklopft, und damit dann eigentlich die Grundlage geschaffen, über die nun die Ausbreitung sich vollziehen konnte, wobei dann das Christentum eine unglaubliche Flexibilität entwickelt mit den Techniken eigentlich der Antike, die das Christentum ins Mittelalter überliefert. Denn dazwischen geht natürlich die Völkerwanderung über das römische Reich. Das hört sich so nach Wandervogel an, aber es war ein unglaublicher Kulturschock, ein Bruch, und die Kirchenväter überliefern das antike Erbe dann ins Mittelalter und damit eben Techniken, auch zum Beispiel, die Welten jetzt des Götterglaubens auf dem Wege von Allegorie und Mythos durchaus mit ins Christentum einzubeziehen.
Karkowsky: Kann denn Ihre Ausstellung die Kernfrage der Christianisierung beantworten, nämlich was die Menschen des Mittelalters am meisten überzeugt hat von dieser Religion. Also waren das die Wunder, die sonst keiner bieten konnte – also Jesus war ja Exorzist, ein Wunderheiler, ein wundersamer Essensvermehrer, er war ein Wunderwinzer, wenn man das so salopp sagen möchte, er ist auferstanden von den Toten – oder fanden die Menschen damals einfach die Idee gut, nur noch einen Gott anbeten zu müssen?
Stiegemann: Sicherlich hat also diese ganz klare Ausrichtung, auch mit dem ganz klaren Bild der Jenseitsvorstellung, Auferstehung Jesu Christi und das, was den Menschen nach seinem Tod als Christ im Himmelreich erwartet, Auswirkungen gehabt auf den Glaubenswechsel. Für uns eine ganz wichtige Frage, so gewissermaßen diese Schnittstellen ausmachen zu können, und da gibt es dann spannende Phänomene, wo man in den gentilen Ethnien hier nördlich der Alpen, wo es ja keine Schriftlichkeit gab, natürlich auch vagabundierende, wechselnde und wechselhafte Vorstellungen dieses Lebens nach dem Tode vorfand. Und das war natürlich jetzt für die Missionare relativ einfach, da etwas vorzugeben, was eine neue Qualität ins Spiel brachte, wo eben nicht mehr nur der Familienverband von Bedeutung war, sondern der je Einzelne. Dieses Credo, "ich glaube".
Karkowsky: Sie sollten uns als Ausstellungsmacher auch noch Lust machen auf Ihre Exponate. Sie haben mehr als 600 Ausstellungsstücke versammelt – auf welche sind Sie denn besonders stolz?
Stiegemann: Ja, um da anzuschließen, diese Übergangswelten: Wir haben natürlich mit den ganzen Kolleginnen und Kollegen in ganz Europa uns im Vorfeld ausgetauscht und können neueste, sensationelle archäologische Funde zum Beispiel präsentieren. Da haben wir dieses Fürstengrab von Prittlewell, das ist also in Essex, Südengland, bei Southend, eine Grablege eines Fürsten, der so an der Schwelle steht. Es ist eine reich ausgestattete Grabkammer mit fantastischen Stücken, die aus Byzanz eingeführt worden sind. Also man sieht auch, in was für einem regen Austausch durch ganz Europa diese Größen damals, diese Eliten, gestanden haben. Das war im Grunde noch vorchristlich. Also eine Ausstattung, die dem Verstorbenen einen guten Lebensstandard im Grunde auch im Jenseits verschaffen sollte …
Karkowsky: Und das alles gibt es zu sehen ab morgen in dieser großen, dreiteiligen Ausstellung. Da erzählt das Erzbistum Paderborn von der Christianisierung Europas. Organisiert hat das Christoph Stiegemann, er ist Direktor des Erzbischöflichen Diözesanmuseums Paderborn. Herr Stiegemann, Ihnen Dank für das Gespräch!
Stiegemann: Danke!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.