Zwei Bayer auf Mauritius
Fast 9.000 Kilometer von Deutschland entfernt haben ein bayrischer Bierbrauer und eine Sopranistin auf der Insel Mauritius ein neues Zuhause gefunden. Jetzt gibt es dort ein Brauhaus, Oktoberfeste und die Oper "Verdi" zu hören.
"Mein Gott, wo bin ich hier?"
Kaum ist Markus Hoppe im Stall seines Großvaters, da packt er auch schon mit an, schippt den zottelig schwarzen Angusrindern duftendes Heu vor die schlingenden Zungen.
"Der Markus macht das immer, wenn er kimmt, dann hilft er sofort. Er ist auch ganz a geschickter Kerl, das hat man schon gemerkt, als kloans Baby, wie er bei uns allweil da war am Hof, wie der scho a Gabel oder a Werkzeug richtig in die Hand genommen hat, da hat man das schon kennt, dass das einer werdt, der zu brauchen ist."
August Betzinger hält inne und wischt sich den Schweiß von der Stirn. Er stützt sich auf seine Heugabel, lässt den Blick übers Alpenvorland schweifen: die bewaldeten Hügel, die satten Weiden.
"… dass er Brauer worden ist, das gfreut uns recht aa."
Dass sein Enkel im Lande ist, ist allerdings etwas Besonderes. Eigentlich braut der nämlich Bier auf Mauritius im Indischen Ozean. Markus Hoppe ist hier in Waakirchen bloß im Urlaub. Verkehrte Welt.
"Es ist schon Urlaub, aber es ist anstrengender Urlaub. Normale Leut, die in den Urlaub fahren, fahren irgendwo an den Strand, da, wo ich am Arbeiten bin, und legen sich hin und genießen die Sonne, ich flieg hierher, es ist kalt, man sieht natürlich Freunde, Familie, und es ist sehr sehr schön. Anstrengend, weil man viele Termine hat, wo man sich sehen lassen muss, Geburtstagsfeier, mit Freunden ausgehen, Hoffest hier unten, sehr lustig, sehr schön, aber auch sehr kräftezehrend."
Markus Hoppe bezeichnet sich als Familienmenschen, fest eingebunden auch in den Freundeskreis rund um den Tegernsee. Seine Lehre hat er in Maxlrain gemacht, alles im selben Gäu. Und trotzdem:
"Mein Ziel war eigentlich immer: Du musst ins Ausland gehen. Hab mich erst für Schottland interessiert, hab dann aber das Angebot für Mauritius bekommen, unterschrieben noch vor Vollendung der Ausbildung, hab am 23. Januar meine Gesellenprüfung bestanden und bin am 31. Januar im Flugzeug gesessen und bin nach Mauritius geflogen. Noch nie vorher hier gewesen, noch nie eine Brauerei aufgebaut, bin angekommen und hab erst mal einen Schock gehabt.
Rohbau, die Brauerei soll in dieses Gebäude rein, und zwar in einer Woche. Aber es gibt noch net amal lachend an Fußboden, noch keinen ersten Stock, koa Decken, keine Glaswand – nichts! Lachend Nach einer Woche war die Brauerei drin, alles fertig, und mir ham angefangen, Bier zu brauen. In dem Rohbau. Rundrum is gemauert worden und geflext und geschliffen, und es war eine Katastrophe. Und ich hab gedacht ´mein Gott, wo bin ich hier?!`."
Verdi auf Mauritius
Katrin Caine hatte nie das Ziel, ins Ausland zu gehen. Die strahlend blonde Opernsängerin hatte sich mit ihrem damaligen Mann und ihrem Sohn in München niedergelassen. Sie sang im Staatstheater am Gärtnerplatz und arbeitete als Musikpädagogin. Bis 2006. Da fand sie ihre große Liebe – auf Mauritius.
"Wir ham uns einfach auf ner religiösen Internetseite kennen gelernt, weil wir beide eben ähnliche Interessen ham. Ich war da nur zum Chatten und hab dann aber eben Russell gesehen und hab gesagt: "Boah, das wär’ toll, Mann wie der wär’ toll, aber Mauritius geht ja nicht, is ja so weit weg", und hatte dann aber Schulferien und hab gesagt, den muss ich mir jetzt dann einfach mal anschau’n, bin dann spontan nach Mauritius gefahr’n und ja, und des hat gepasst und dann ham wir eben noch eineinhalb Jahre lang uns alle zwei Monate nur gesehen und dann eben am Schluss doch geheiratet."
Ein gemütliches Sofa, Essecke, liebevoll gehängte Fotos der Familie an den Wänden: es könnte ein deutsches Wohnzimmer sein, das sich Katrin Caine eingerichtet hat, nur dass es nahtlos hinaus in den Garten geht, zum Pool. Dass rundherum fantastische Banyan-Bäume Wurzeln in der Luft wehen lassen. Dass gleich im Hintergrund der Indische Ozean glitzert. Und Oper gibt es in der unabhängigen Republik fast zweitausend Kilometer östlich vom afrikanischen Festland normalerweise nur von DVD. Katrin Caine schafft sich die Gelegenheiten zu Gesangsauftritten selbst.
"Ich hab halt dann gesagt, na ja, wenn's hier nix gibt, dann mach mer halt hier was."
Sie singt in Shows und auf privaten Partys, unterrichtet, hat einen Kinderchor und einen Opernchor aufgebaut.
"Des is Initiative von Privatleuten. Leider, leider nicht staatlich, sondern alles Privatinitiative, alles lokale Ressourcen von Leuten, die eben einfach wirklich Opernliebhaber sind und für die des schade is, dass hier eben ansonsten nix passiert."
Das war neu für die Sängerin aus München mit seinen zwei staatlichen Opernhäusern und seinen öffentlich finanzierten Weltklasse-Orchestern. Aber sie haben es geschafft – und zuletzt Giuseppe Verdis "Traviata" inszeniert.
"Das hat schon noch ganz viel Koloniales"
Auch Markus Hoppe und seine Kollegen haben es geschafft: Im Juni 2012 öffnete die erste Gasthaus-Brauerei von Mauritius ihre Glastüren. Sie liegt am Rand eines der teuren Einkaufszentren, die gerade allerorten in Mauritius entstehen, wie auch Gewerbegebiete mit futuristischen, verspiegelten Bürohochhäusern, Golfplätze, Vergnügungsparks und Siedlungen, Siedlungen, Siedlungen. Bis vor kurzem dienten die Grundstücke noch der Landwirtschaft, waren Zuckerrohrfelder. Wer jetzt auf der Terrasse der Gasthausbrauerei sitzt, den riesigen Parkplatz und den Autobahnanschluss des Einkaufszentrums im Rücken, blickt über eine zersiedelte Landschaft hinunter auf den gewaltigen Ozean.
Innen ist alles sorgfältig durchgestylt – von der rustikalen Holzdecke über die silberglänzenden Lüftungsrohre bis zum viereckigen Porzellanteller. Das Sudhaus und die Thekeneinrichtung wurden in Mauritius geplant und in München gebaut. Sie fuhren im Container über die Weltmeere und kamen fix und fertig an. So wie der Hopfen und das Malz.
"Das Bier ist sehr teuer, also ein Liter Bier kostet umgerechnet 13, 14 Euro. Teurer als auf der Wiesn. Und das ist schon kernig. Man muss auch sagen: sämtliche Rohstoffe sind importiert, ich selber bin importiert, kostet natürlich alles Geld."
Kein Wunder, dass es vor allem geschäftige Businessanzug-Träger sind, die beim betörenden Sonnenuntergang Markus Hoppes Biere kippen und die kulinarische Kreationen wie "indischen Strudel mit Chutney aus würzigen Safran-Kartoffeln auf Kokosmilchsauce" verzehren oder "Orgasmus aus Schokolade" löffeln. Ob sie dabei gerade das nächste Immobilien-Geschäft besiegeln? Normale Arbeiter, gar aus der Landwirtschaft, können sich ein Abendessen mit Markus Hoppes Bier nicht leisten.
"Die Leute verdienen hier nichts, es ist ein Hungerlohn, 6.000 – 8.000 Rupies, das sind 150 – 200 Euro monatlich, die Leute arbeiten aber sechs Tage die Woche und zehn – zwölf Stunden am Tag, moderne Sklaverei. Die Leute kriegen so viel, dass sie sich was zu essen leisten können, aber nicht mehr. Und das ist sehr schade, und hier läuft – in dieser Hinsicht sehr, sehr viel falsch. Ich find es schade für die Leute, aber ich denke mir, das ist nicht mein Thema."
Was tun, wenn man himmelweite Unterschiede zwischen arm und reich wahrnimmt, wie sie einem im Heimatland womöglich gar nicht auffallen?
Katrin Caine, die Sopranistin, die aus München nach Mauritius gezogen ist, gibt sich einerseits schicksalsergeben ...
"Man gewöhnt sich da allerdings auch ziemlich schnell dran, man lebt so miteinander, und des is einfach, wie's is."
...und investiert in Sicherheitsvorkehrungen: Die Siedlung, in der ihr leuchtend oranges Haus steht, ist umzäunt. Wachpersonal hütet den Schlagbaum am Eingang. Andererseits ist Katrin Caine Mormonin und fühlt sich als solche moralisch besonders verpflichtet.
"Dadurch, dass es eben viel, viel Armut und eben auch viel Mangel an Bildung gibt, hat man, wenn man hier is, auch viel mehr direkte Möglichkeiten, was zu machen. In unserer Kirche, da gibt's eben auch Hilfe für Leute, die des wirklich brauchen, eben durch nen Bischof, was mein Mann in dem Fall is, der dann aber wirklich genau weiß, wie's denen geht, was genau die Verhältnisse sind, was die finanziellen Verhältnisse sind, wenn des in nem Staat möglich wäre, ich persönliche fände des gut."
Auf diese Weise halfen sie einer Familie aus ihrer Kirchengemeinde, erzählt die Wahl-Mauritierin. Die sieben Personen hätten in einer Einzimmerwohnung gehaust. Nun habe ihr Mann dafür gesorgt, dass die Eltern etwas lernten.
"Dass beide Eltern am Schluss qualifiziert genug sind, um beide nen ordentlichen Beruf haben zu können, um mit der Familie eben in nem angemessenen Haus leben zu können. Also sie arbeitet jetzt für diesen Kinderchor. Und er arbeitet jetzt als Fahrer für meinen Mann. Und die ham beide für die Verhältnisse aus denen sie kommen, n ganz ordentliches Einkommen."
"Natürliche Symbiose" nennt die Sopranistin das Zusammenwirken von Menschen mit mehr und anderen mit weniger Bildung. Und räumt ein:
"Das hat schon, hat noch ganz viel Koloniales an sich."
Markus Hoppe, der bayerische Bierbrauer, sieht den Unterschied zu seinem Heimatland nicht nur an den Lebensbedingungen der Menschen.
"Wenn ich zum Kitesurfen fahr, fahr ich an einer Wiese vorbei, wo Rinder san. Und die san so dürr, die kann man als Kleiderhaken benutzen. Und bei uns sieht man, die Kühe, die stehen schön im Saft, die ham lächelnd genug zu essen, denen geht es gut!"
"Es ist einfach was Schönes. Wenn ich jetzt die Rinder auf der Weide siehch, es ist a Freude."
Aber so glücklich die Tiere vor dem großen Alpenpanorama sein mögen – nur von seiner kleinen Landwirtschaft hätte Markus Hoppes Großvater August Betzinger nicht leben können. So ging er noch arbeiten, und er verkaufte Wiesen.
"Bei uns ist a sehr schöne Gegend heraußen, und die Leute aus der Stadt und von sonst wo würden natürlich gerne auch hier draußen wohnen, es gibt Bauland, und ja – das verkauft sich, und es ist ganz normal, dass der Ort wächst und dass das größer wird, und ja!"
Das haben sie gemeinsam, das Münchner Umland und die Umgebung der Gasthausbrauerei auf Mauritius: der Siedlungsdruck ist gewaltig. Und in der Spekulation mit Immobilienkapital steckt leicht mal mehr Geld als in der Arbeit. Der Enkel scherzt: Nachdem sein Großvater die Grundstücke verkauft hatte, sei er nur noch arbeiten gegangen, damit er nicht zuhause herumsitze und mit seiner Frau streite. Unternehmungslustig schaut der 78jährige über seine Heugabel hinweg auf Enkel Markus.
"Dass er in die Welt nausreist, das ist ja ganz richtig. Ich find ja das prima. I war au einer, der a bissl in der Welt rumkimma ist. Mit Bergsteigen. Afrika, Mexiko, Ecuador, Kilimandscharo, Tschimbarosso, den mexikanischen 5.000er, ja, da sammer in Waakirchen da vom Alpenverein sammer so a Truppe, die a bissl Höhenbergsteigen gemacht haben. Über 5.000 Meter. Das is einfach ein Glücksgefühl. Wenn man da oben steht. Wenn ich heut noch was im Fernsehen siehch, ´Herrschaft, da warn ma drobe`."
Neues versuchen – privat wie beruflich
Wer die Möglichkeiten hat, dem liegt die Welt zu Füßen. August Betzinger rät allen, die es sich leisten können:
"Naus in die Welt! An Wind um die Nase wehen lassen!"
Enkel Markus hat auf Mauritius Möglichkeiten, die er in Bayern nie hätte. So hat er als neue Sportart das Kitesurfing für sich entdeckt.
"Bei uns kann man Skifahren oder Berggehen also das – jedes Land hat seine Vorteile, und ich vermiss auch sehr meine Berge und meine Seen, aber ich bin mir sicher, wenn ich wieder zuhause bin, werde ich sehr hier den Ozean vermissen und diese lockere und leichte Lebensart. Man geht offener auf Leute zu oder Leute gehen offener auf einen zu. Ich bin auch zuhause relativ offen, aber viele Deutsche sind das eben nicht, aber hier – es ist so leicht, neue Leute kennenzulernen. Es ist so leicht, neue Dinge auszuprobieren."
Auch beruflich genießt der junge Brauer das.
"Bayerische Biere – keine Frage, absolut gut und in dem, was wir machen auch unschlagbar, aber wir haben ein bisschen übersehen, neue Hopfensorten zu probieren und ein bisschen mehr zu experimentieren. Und hier kann ich wirklich machen, was ich will. Wir haben jetzt ein Bier mit drei verschiedenen Hopfensorten, zwei verschiedenen Hefen, eine belgische Hefe, die – ja, besonders gut ist für hochprozentige Biere, und eine andere Hefe, die ähnlich ist wie unsere bayerische Weißbierhefe, also die viele Ester bildet und dieses fruchtige, bananige Nelkenaroma gibt.
Und diese beiden Hefen hab ich gleichzeitig in den offenen Gärtank gegeben, und somit ein komplett neues Bier kreiert, und dieses Bier schmeckt unfassbar gut, 8,5% Alkohol, und einfach schön, so was Neues hier machen zu können. Und in Deutschland ist es einfach schwierig, weil auch der Markt nicht unbedingt dafür da ist, für diese ganz, ganz starken Biere."
Ein besonders leichtes Bier wiederum habe er geschmacklich aufgepeppt, schwärmt der junge Brauer, indem er einen Teil des Hopfens in den Lagertank streute. Das ist unüblich. Außerdem habe er Hopfensorten aus den USA und Neuseeland verwendet, die würzige Aromen von Zitronen beziehungsweise Grapefruit haben.
"Ich versuch, auch hier Biere zu brauen, die in Deutschland neu sind, aber nicht komplett das Alte wegwerfen, sondern alt und neu – also jung und alt kombinieren. Und somit irgendwie den Biermarkt etwas interessanter zu gestalten."
In der Küche der maurizischen Gasthausbrauerei ist Marino Pierrot der Chef, ein dynamischer Hüne mit fast kahl geschorenen Kopf und Designerbrille. Für eine Weile hat er sich Nachhilfe geben lassen - von Markus Hoppes Schwester und Cousine, die zu Besuch da waren.
"I have learnt Oba.... Oba? Yeah, Obatzda sauce. It is a mixture of cheese and beers and that’s all. And frankly it is very, very delicious."
Obatzdn hat er zuzubereiten und zu schätzen gelernt, aus Käse und Bier. Er liebe es, Neues auszuprobieren, ruft Marino Pierrot, und immer hätten seine Rezepte mit Bier zu tun.
"I like to innovate!"
Er kocht Kalbfleisch in Bier. Er reicht Fisch und Pommes Frites mit Bierbutter. Sogar in seinen Milchshake gießt er den Gerstensaft.
"I make the milk shakes with the beers.I use the ideas of Markus, we create something different that has never been existed. The mixture of Germany and Mauritian."
Eine weißblaue Fahne auf großer Fahrt
Er will Neues schaffen, eine Mischung aus Deutschem und Mauritischem. Das gilt in der Gasthausbrauerei fürs Essen wie fürs Drumherum. Etwa das Oktoberfest, das Markus Hoppe dort organisiert hat.
"Und drei Musiker angeheuert. Einer davon war mein Vater, und die anderen beiden mir bis dato unbekannt, und ich waren am Flughafen, und da waren die nicht zu dritt, sondern zu viert, und ich seh meinen Opa da stehen und hab mir gedacht ´das gibt’s ja net`. Also ich hab es wirklich nicht fassen können, er steht da, und es war so ein schönes Wiedersehen, und wir ham a wunderschöne Woche zusammen verbracht auf Mauritius."
"Naa, das lass ich mir net nehme."
Zum Oktoberfest am Indischen Ozean kamen Opa, Vater und Musiker pflichtgemäß mit Lederhosen und Fahne.
"Na die weißblaue bayerische Fahne! Ja! Die hammer m Flughafen in München noch kauft! Weil da ist uns erst die Idee kimma, wir brauchen a Fahne, a bayerische!"
Sie haben sie dort gelassen. Als Gastgeschenk. Und vielleicht kehren sie ja mal zurück zum Oktoberfest-Feiern.
"Ach, das war ein Riesenspaß. Gutes Bier – und schöner wie in München. Gemütlicher. Net so a Trubel, kleiner halt."
Auf die Idee, das originale Oktoberfest zu feiern, kommen sie nicht.
"Nach München fahren? Naaa. Na, das ist nichts mehr für mi. Da bin ich zu alt.
Markus: Aber ich muss sagen, ich war letztes Jahr auf der Wiesn, und ich hat es fast angewidert, weil man sieht 100.000 Menschen, die die Tracht verschandeln, man sieht nur Besoffene, und die Leut ginga nur hi, schaun aus wie im Fasching, und die ganze Welt kriegt an Eindruck, dass das Bayern ist oder dass das München ist, aber eigentlich ist es nur widerlich, weil jeder betrunken ist, alle kotzen überall hin, führen sich auf wie sonst noch was, und deswegen geh ich nicht mehr hin. Nur noch nach Mauritius aufs Oktoberfest."
Oder bevorzugt natürlich bei uns auf die Waldfeste. Also Waldfeste, Maibaum-Aufstellen, diese Geschichten fehlen mir.
Kreol – ein bisschen wie Bayerisch
Die Ex-Münchner, jetzt mauritische Sopranistin Katrin Caine dagegen vermisst auf Mauritius ihre Sprache. Um das Deutsche nicht ganz zu vergessen, habe sie sich vorgenommen, regelmäßig Hermann Hesse zu lesen – und sei nicht dazu gekommen. In Mauritius werden zugleich die englische, die französische, verschiedene chinesische und indische Sprachen gesprochen sowie Kreol, eine Mischung aus allem. Da rede auch sie selbst immer mehr ein Mischmasch und verliere allmählich ihr Deutsch, bedauert sie.
"Wenn mir was Schöngeschriebenes, oder was Schöngesprochenes daherkommt, da freu ich mich natürlich sehr. Was mir fehlt is Bayerisch. Weil Bayerisch spricht ja hier keiner, und ich mag des so gern, ich mag gern Bayerisch hören. Ich hab mir dann - da gibt's, des is so n Krimi "Dampfnudelblues", den der Christian Tramitz gelesen hat und dann bin ich da mit meinem kleinen lila Auto über Mauritius gefahren und hab mir dann des angehört und hab dann über die ganzen bayerischen Witze da gelacht - des fand ich super."
Ein gewisser Ersatz ist für sie das Kreol.
"Weil des hat so nen ganz eigenen Charme, so ne ganz eigene Art zu sprechen und erinnert mich vom Gefühl her ans Bayerische."
Ein wichtiger gefühlsmäßiger Anknüpfungspunkt ist für Katrin Caine auf Mauritius auch die Religion. Nicht dass es dort außergewöhnlich viele Mormonen gäbe, wie sie eine ist. Aber:
"In Deutschland ist ja die drei Themen, man spricht nicht über Religion, nicht wen man wählt und nicht wie viel man verdient, in Mauritius spricht man schon über Religion. Also ganz viele Leute sprechen ganz offen darüber, woran sie glauben und über Gott und ganz viele Facebook-Einträge, die dann immer sind ´Danke Gott für alles`, was man in Deutschland so eher bisschen belächelt wird, ist hier so ganz gang und Gäbe auf der Tagesordnung. Hier wird auch zum Beispiel nach Religion gewählt. Wenn ein Politiker aufgestellt wird, dann macht des n Unterschied, was der eben für ne Religion hat. Man wählt einen, der eben Hindu is, oder Christ, oder was auch immer. Also Religion macht hier wirklich auch nen Unterschied."
Ob das Mauritius weiterbringt? Die Mormonin aus dem kalten Deutschland hat jedenfalls ihren Platz gefunden.
"Ich finde, dass die besondere Wärme, die Mauritius menschlich auch hat schon in nem großen Maße, daher kommt, dass es ein ziemlich religiöses Land is. Also ich persönlich fühl mich wirklich wohl in Mauritius, fühl mich auch zuhause inzwischen."
Die Kühe haben ihr Heu. August Betzinger verstaut die Heugabeln. Enkel Markus ist schon auf dem Weg zum nächsten Termin in seinem knapp bemessenen Urlaub von Mauritius. Der Großvater schaut ihm nach.
"Mir hams gemerkt beim Markus jetzt alloa die acht Monat, der is ja so gereift, in der Zeit, der war alloa da drüben, hat Verantwortung ghabt, die Brauerei, alloa, der ist a Mannsbild worden."
Kaum ist Markus Hoppe im Stall seines Großvaters, da packt er auch schon mit an, schippt den zottelig schwarzen Angusrindern duftendes Heu vor die schlingenden Zungen.
"Der Markus macht das immer, wenn er kimmt, dann hilft er sofort. Er ist auch ganz a geschickter Kerl, das hat man schon gemerkt, als kloans Baby, wie er bei uns allweil da war am Hof, wie der scho a Gabel oder a Werkzeug richtig in die Hand genommen hat, da hat man das schon kennt, dass das einer werdt, der zu brauchen ist."
August Betzinger hält inne und wischt sich den Schweiß von der Stirn. Er stützt sich auf seine Heugabel, lässt den Blick übers Alpenvorland schweifen: die bewaldeten Hügel, die satten Weiden.
"… dass er Brauer worden ist, das gfreut uns recht aa."
Dass sein Enkel im Lande ist, ist allerdings etwas Besonderes. Eigentlich braut der nämlich Bier auf Mauritius im Indischen Ozean. Markus Hoppe ist hier in Waakirchen bloß im Urlaub. Verkehrte Welt.
"Es ist schon Urlaub, aber es ist anstrengender Urlaub. Normale Leut, die in den Urlaub fahren, fahren irgendwo an den Strand, da, wo ich am Arbeiten bin, und legen sich hin und genießen die Sonne, ich flieg hierher, es ist kalt, man sieht natürlich Freunde, Familie, und es ist sehr sehr schön. Anstrengend, weil man viele Termine hat, wo man sich sehen lassen muss, Geburtstagsfeier, mit Freunden ausgehen, Hoffest hier unten, sehr lustig, sehr schön, aber auch sehr kräftezehrend."
Markus Hoppe bezeichnet sich als Familienmenschen, fest eingebunden auch in den Freundeskreis rund um den Tegernsee. Seine Lehre hat er in Maxlrain gemacht, alles im selben Gäu. Und trotzdem:
"Mein Ziel war eigentlich immer: Du musst ins Ausland gehen. Hab mich erst für Schottland interessiert, hab dann aber das Angebot für Mauritius bekommen, unterschrieben noch vor Vollendung der Ausbildung, hab am 23. Januar meine Gesellenprüfung bestanden und bin am 31. Januar im Flugzeug gesessen und bin nach Mauritius geflogen. Noch nie vorher hier gewesen, noch nie eine Brauerei aufgebaut, bin angekommen und hab erst mal einen Schock gehabt.
Rohbau, die Brauerei soll in dieses Gebäude rein, und zwar in einer Woche. Aber es gibt noch net amal lachend an Fußboden, noch keinen ersten Stock, koa Decken, keine Glaswand – nichts! Lachend Nach einer Woche war die Brauerei drin, alles fertig, und mir ham angefangen, Bier zu brauen. In dem Rohbau. Rundrum is gemauert worden und geflext und geschliffen, und es war eine Katastrophe. Und ich hab gedacht ´mein Gott, wo bin ich hier?!`."
Verdi auf Mauritius
Katrin Caine hatte nie das Ziel, ins Ausland zu gehen. Die strahlend blonde Opernsängerin hatte sich mit ihrem damaligen Mann und ihrem Sohn in München niedergelassen. Sie sang im Staatstheater am Gärtnerplatz und arbeitete als Musikpädagogin. Bis 2006. Da fand sie ihre große Liebe – auf Mauritius.
"Wir ham uns einfach auf ner religiösen Internetseite kennen gelernt, weil wir beide eben ähnliche Interessen ham. Ich war da nur zum Chatten und hab dann aber eben Russell gesehen und hab gesagt: "Boah, das wär’ toll, Mann wie der wär’ toll, aber Mauritius geht ja nicht, is ja so weit weg", und hatte dann aber Schulferien und hab gesagt, den muss ich mir jetzt dann einfach mal anschau’n, bin dann spontan nach Mauritius gefahr’n und ja, und des hat gepasst und dann ham wir eben noch eineinhalb Jahre lang uns alle zwei Monate nur gesehen und dann eben am Schluss doch geheiratet."
Ein gemütliches Sofa, Essecke, liebevoll gehängte Fotos der Familie an den Wänden: es könnte ein deutsches Wohnzimmer sein, das sich Katrin Caine eingerichtet hat, nur dass es nahtlos hinaus in den Garten geht, zum Pool. Dass rundherum fantastische Banyan-Bäume Wurzeln in der Luft wehen lassen. Dass gleich im Hintergrund der Indische Ozean glitzert. Und Oper gibt es in der unabhängigen Republik fast zweitausend Kilometer östlich vom afrikanischen Festland normalerweise nur von DVD. Katrin Caine schafft sich die Gelegenheiten zu Gesangsauftritten selbst.
"Ich hab halt dann gesagt, na ja, wenn's hier nix gibt, dann mach mer halt hier was."
Sie singt in Shows und auf privaten Partys, unterrichtet, hat einen Kinderchor und einen Opernchor aufgebaut.
"Des is Initiative von Privatleuten. Leider, leider nicht staatlich, sondern alles Privatinitiative, alles lokale Ressourcen von Leuten, die eben einfach wirklich Opernliebhaber sind und für die des schade is, dass hier eben ansonsten nix passiert."
Das war neu für die Sängerin aus München mit seinen zwei staatlichen Opernhäusern und seinen öffentlich finanzierten Weltklasse-Orchestern. Aber sie haben es geschafft – und zuletzt Giuseppe Verdis "Traviata" inszeniert.
"Das hat schon noch ganz viel Koloniales"
Auch Markus Hoppe und seine Kollegen haben es geschafft: Im Juni 2012 öffnete die erste Gasthaus-Brauerei von Mauritius ihre Glastüren. Sie liegt am Rand eines der teuren Einkaufszentren, die gerade allerorten in Mauritius entstehen, wie auch Gewerbegebiete mit futuristischen, verspiegelten Bürohochhäusern, Golfplätze, Vergnügungsparks und Siedlungen, Siedlungen, Siedlungen. Bis vor kurzem dienten die Grundstücke noch der Landwirtschaft, waren Zuckerrohrfelder. Wer jetzt auf der Terrasse der Gasthausbrauerei sitzt, den riesigen Parkplatz und den Autobahnanschluss des Einkaufszentrums im Rücken, blickt über eine zersiedelte Landschaft hinunter auf den gewaltigen Ozean.
Innen ist alles sorgfältig durchgestylt – von der rustikalen Holzdecke über die silberglänzenden Lüftungsrohre bis zum viereckigen Porzellanteller. Das Sudhaus und die Thekeneinrichtung wurden in Mauritius geplant und in München gebaut. Sie fuhren im Container über die Weltmeere und kamen fix und fertig an. So wie der Hopfen und das Malz.
"Das Bier ist sehr teuer, also ein Liter Bier kostet umgerechnet 13, 14 Euro. Teurer als auf der Wiesn. Und das ist schon kernig. Man muss auch sagen: sämtliche Rohstoffe sind importiert, ich selber bin importiert, kostet natürlich alles Geld."
Kein Wunder, dass es vor allem geschäftige Businessanzug-Träger sind, die beim betörenden Sonnenuntergang Markus Hoppes Biere kippen und die kulinarische Kreationen wie "indischen Strudel mit Chutney aus würzigen Safran-Kartoffeln auf Kokosmilchsauce" verzehren oder "Orgasmus aus Schokolade" löffeln. Ob sie dabei gerade das nächste Immobilien-Geschäft besiegeln? Normale Arbeiter, gar aus der Landwirtschaft, können sich ein Abendessen mit Markus Hoppes Bier nicht leisten.
"Die Leute verdienen hier nichts, es ist ein Hungerlohn, 6.000 – 8.000 Rupies, das sind 150 – 200 Euro monatlich, die Leute arbeiten aber sechs Tage die Woche und zehn – zwölf Stunden am Tag, moderne Sklaverei. Die Leute kriegen so viel, dass sie sich was zu essen leisten können, aber nicht mehr. Und das ist sehr schade, und hier läuft – in dieser Hinsicht sehr, sehr viel falsch. Ich find es schade für die Leute, aber ich denke mir, das ist nicht mein Thema."
Was tun, wenn man himmelweite Unterschiede zwischen arm und reich wahrnimmt, wie sie einem im Heimatland womöglich gar nicht auffallen?
Katrin Caine, die Sopranistin, die aus München nach Mauritius gezogen ist, gibt sich einerseits schicksalsergeben ...
"Man gewöhnt sich da allerdings auch ziemlich schnell dran, man lebt so miteinander, und des is einfach, wie's is."
...und investiert in Sicherheitsvorkehrungen: Die Siedlung, in der ihr leuchtend oranges Haus steht, ist umzäunt. Wachpersonal hütet den Schlagbaum am Eingang. Andererseits ist Katrin Caine Mormonin und fühlt sich als solche moralisch besonders verpflichtet.
"Dadurch, dass es eben viel, viel Armut und eben auch viel Mangel an Bildung gibt, hat man, wenn man hier is, auch viel mehr direkte Möglichkeiten, was zu machen. In unserer Kirche, da gibt's eben auch Hilfe für Leute, die des wirklich brauchen, eben durch nen Bischof, was mein Mann in dem Fall is, der dann aber wirklich genau weiß, wie's denen geht, was genau die Verhältnisse sind, was die finanziellen Verhältnisse sind, wenn des in nem Staat möglich wäre, ich persönliche fände des gut."
Auf diese Weise halfen sie einer Familie aus ihrer Kirchengemeinde, erzählt die Wahl-Mauritierin. Die sieben Personen hätten in einer Einzimmerwohnung gehaust. Nun habe ihr Mann dafür gesorgt, dass die Eltern etwas lernten.
"Dass beide Eltern am Schluss qualifiziert genug sind, um beide nen ordentlichen Beruf haben zu können, um mit der Familie eben in nem angemessenen Haus leben zu können. Also sie arbeitet jetzt für diesen Kinderchor. Und er arbeitet jetzt als Fahrer für meinen Mann. Und die ham beide für die Verhältnisse aus denen sie kommen, n ganz ordentliches Einkommen."
"Natürliche Symbiose" nennt die Sopranistin das Zusammenwirken von Menschen mit mehr und anderen mit weniger Bildung. Und räumt ein:
"Das hat schon, hat noch ganz viel Koloniales an sich."
Markus Hoppe, der bayerische Bierbrauer, sieht den Unterschied zu seinem Heimatland nicht nur an den Lebensbedingungen der Menschen.
"Wenn ich zum Kitesurfen fahr, fahr ich an einer Wiese vorbei, wo Rinder san. Und die san so dürr, die kann man als Kleiderhaken benutzen. Und bei uns sieht man, die Kühe, die stehen schön im Saft, die ham lächelnd genug zu essen, denen geht es gut!"
"Es ist einfach was Schönes. Wenn ich jetzt die Rinder auf der Weide siehch, es ist a Freude."
Aber so glücklich die Tiere vor dem großen Alpenpanorama sein mögen – nur von seiner kleinen Landwirtschaft hätte Markus Hoppes Großvater August Betzinger nicht leben können. So ging er noch arbeiten, und er verkaufte Wiesen.
"Bei uns ist a sehr schöne Gegend heraußen, und die Leute aus der Stadt und von sonst wo würden natürlich gerne auch hier draußen wohnen, es gibt Bauland, und ja – das verkauft sich, und es ist ganz normal, dass der Ort wächst und dass das größer wird, und ja!"
Das haben sie gemeinsam, das Münchner Umland und die Umgebung der Gasthausbrauerei auf Mauritius: der Siedlungsdruck ist gewaltig. Und in der Spekulation mit Immobilienkapital steckt leicht mal mehr Geld als in der Arbeit. Der Enkel scherzt: Nachdem sein Großvater die Grundstücke verkauft hatte, sei er nur noch arbeiten gegangen, damit er nicht zuhause herumsitze und mit seiner Frau streite. Unternehmungslustig schaut der 78jährige über seine Heugabel hinweg auf Enkel Markus.
"Dass er in die Welt nausreist, das ist ja ganz richtig. Ich find ja das prima. I war au einer, der a bissl in der Welt rumkimma ist. Mit Bergsteigen. Afrika, Mexiko, Ecuador, Kilimandscharo, Tschimbarosso, den mexikanischen 5.000er, ja, da sammer in Waakirchen da vom Alpenverein sammer so a Truppe, die a bissl Höhenbergsteigen gemacht haben. Über 5.000 Meter. Das is einfach ein Glücksgefühl. Wenn man da oben steht. Wenn ich heut noch was im Fernsehen siehch, ´Herrschaft, da warn ma drobe`."
Neues versuchen – privat wie beruflich
Wer die Möglichkeiten hat, dem liegt die Welt zu Füßen. August Betzinger rät allen, die es sich leisten können:
"Naus in die Welt! An Wind um die Nase wehen lassen!"
Enkel Markus hat auf Mauritius Möglichkeiten, die er in Bayern nie hätte. So hat er als neue Sportart das Kitesurfing für sich entdeckt.
"Bei uns kann man Skifahren oder Berggehen also das – jedes Land hat seine Vorteile, und ich vermiss auch sehr meine Berge und meine Seen, aber ich bin mir sicher, wenn ich wieder zuhause bin, werde ich sehr hier den Ozean vermissen und diese lockere und leichte Lebensart. Man geht offener auf Leute zu oder Leute gehen offener auf einen zu. Ich bin auch zuhause relativ offen, aber viele Deutsche sind das eben nicht, aber hier – es ist so leicht, neue Leute kennenzulernen. Es ist so leicht, neue Dinge auszuprobieren."
Auch beruflich genießt der junge Brauer das.
"Bayerische Biere – keine Frage, absolut gut und in dem, was wir machen auch unschlagbar, aber wir haben ein bisschen übersehen, neue Hopfensorten zu probieren und ein bisschen mehr zu experimentieren. Und hier kann ich wirklich machen, was ich will. Wir haben jetzt ein Bier mit drei verschiedenen Hopfensorten, zwei verschiedenen Hefen, eine belgische Hefe, die – ja, besonders gut ist für hochprozentige Biere, und eine andere Hefe, die ähnlich ist wie unsere bayerische Weißbierhefe, also die viele Ester bildet und dieses fruchtige, bananige Nelkenaroma gibt.
Und diese beiden Hefen hab ich gleichzeitig in den offenen Gärtank gegeben, und somit ein komplett neues Bier kreiert, und dieses Bier schmeckt unfassbar gut, 8,5% Alkohol, und einfach schön, so was Neues hier machen zu können. Und in Deutschland ist es einfach schwierig, weil auch der Markt nicht unbedingt dafür da ist, für diese ganz, ganz starken Biere."
Ein besonders leichtes Bier wiederum habe er geschmacklich aufgepeppt, schwärmt der junge Brauer, indem er einen Teil des Hopfens in den Lagertank streute. Das ist unüblich. Außerdem habe er Hopfensorten aus den USA und Neuseeland verwendet, die würzige Aromen von Zitronen beziehungsweise Grapefruit haben.
"Ich versuch, auch hier Biere zu brauen, die in Deutschland neu sind, aber nicht komplett das Alte wegwerfen, sondern alt und neu – also jung und alt kombinieren. Und somit irgendwie den Biermarkt etwas interessanter zu gestalten."
In der Küche der maurizischen Gasthausbrauerei ist Marino Pierrot der Chef, ein dynamischer Hüne mit fast kahl geschorenen Kopf und Designerbrille. Für eine Weile hat er sich Nachhilfe geben lassen - von Markus Hoppes Schwester und Cousine, die zu Besuch da waren.
"I have learnt Oba.... Oba? Yeah, Obatzda sauce. It is a mixture of cheese and beers and that’s all. And frankly it is very, very delicious."
Obatzdn hat er zuzubereiten und zu schätzen gelernt, aus Käse und Bier. Er liebe es, Neues auszuprobieren, ruft Marino Pierrot, und immer hätten seine Rezepte mit Bier zu tun.
"I like to innovate!"
Er kocht Kalbfleisch in Bier. Er reicht Fisch und Pommes Frites mit Bierbutter. Sogar in seinen Milchshake gießt er den Gerstensaft.
"I make the milk shakes with the beers.I use the ideas of Markus, we create something different that has never been existed. The mixture of Germany and Mauritian."
Eine weißblaue Fahne auf großer Fahrt
Er will Neues schaffen, eine Mischung aus Deutschem und Mauritischem. Das gilt in der Gasthausbrauerei fürs Essen wie fürs Drumherum. Etwa das Oktoberfest, das Markus Hoppe dort organisiert hat.
"Und drei Musiker angeheuert. Einer davon war mein Vater, und die anderen beiden mir bis dato unbekannt, und ich waren am Flughafen, und da waren die nicht zu dritt, sondern zu viert, und ich seh meinen Opa da stehen und hab mir gedacht ´das gibt’s ja net`. Also ich hab es wirklich nicht fassen können, er steht da, und es war so ein schönes Wiedersehen, und wir ham a wunderschöne Woche zusammen verbracht auf Mauritius."
"Naa, das lass ich mir net nehme."
Zum Oktoberfest am Indischen Ozean kamen Opa, Vater und Musiker pflichtgemäß mit Lederhosen und Fahne.
"Na die weißblaue bayerische Fahne! Ja! Die hammer m Flughafen in München noch kauft! Weil da ist uns erst die Idee kimma, wir brauchen a Fahne, a bayerische!"
Sie haben sie dort gelassen. Als Gastgeschenk. Und vielleicht kehren sie ja mal zurück zum Oktoberfest-Feiern.
"Ach, das war ein Riesenspaß. Gutes Bier – und schöner wie in München. Gemütlicher. Net so a Trubel, kleiner halt."
Auf die Idee, das originale Oktoberfest zu feiern, kommen sie nicht.
"Nach München fahren? Naaa. Na, das ist nichts mehr für mi. Da bin ich zu alt.
Markus: Aber ich muss sagen, ich war letztes Jahr auf der Wiesn, und ich hat es fast angewidert, weil man sieht 100.000 Menschen, die die Tracht verschandeln, man sieht nur Besoffene, und die Leut ginga nur hi, schaun aus wie im Fasching, und die ganze Welt kriegt an Eindruck, dass das Bayern ist oder dass das München ist, aber eigentlich ist es nur widerlich, weil jeder betrunken ist, alle kotzen überall hin, führen sich auf wie sonst noch was, und deswegen geh ich nicht mehr hin. Nur noch nach Mauritius aufs Oktoberfest."
Oder bevorzugt natürlich bei uns auf die Waldfeste. Also Waldfeste, Maibaum-Aufstellen, diese Geschichten fehlen mir.
Kreol – ein bisschen wie Bayerisch
Die Ex-Münchner, jetzt mauritische Sopranistin Katrin Caine dagegen vermisst auf Mauritius ihre Sprache. Um das Deutsche nicht ganz zu vergessen, habe sie sich vorgenommen, regelmäßig Hermann Hesse zu lesen – und sei nicht dazu gekommen. In Mauritius werden zugleich die englische, die französische, verschiedene chinesische und indische Sprachen gesprochen sowie Kreol, eine Mischung aus allem. Da rede auch sie selbst immer mehr ein Mischmasch und verliere allmählich ihr Deutsch, bedauert sie.
"Wenn mir was Schöngeschriebenes, oder was Schöngesprochenes daherkommt, da freu ich mich natürlich sehr. Was mir fehlt is Bayerisch. Weil Bayerisch spricht ja hier keiner, und ich mag des so gern, ich mag gern Bayerisch hören. Ich hab mir dann - da gibt's, des is so n Krimi "Dampfnudelblues", den der Christian Tramitz gelesen hat und dann bin ich da mit meinem kleinen lila Auto über Mauritius gefahren und hab mir dann des angehört und hab dann über die ganzen bayerischen Witze da gelacht - des fand ich super."
Ein gewisser Ersatz ist für sie das Kreol.
"Weil des hat so nen ganz eigenen Charme, so ne ganz eigene Art zu sprechen und erinnert mich vom Gefühl her ans Bayerische."
Ein wichtiger gefühlsmäßiger Anknüpfungspunkt ist für Katrin Caine auf Mauritius auch die Religion. Nicht dass es dort außergewöhnlich viele Mormonen gäbe, wie sie eine ist. Aber:
"In Deutschland ist ja die drei Themen, man spricht nicht über Religion, nicht wen man wählt und nicht wie viel man verdient, in Mauritius spricht man schon über Religion. Also ganz viele Leute sprechen ganz offen darüber, woran sie glauben und über Gott und ganz viele Facebook-Einträge, die dann immer sind ´Danke Gott für alles`, was man in Deutschland so eher bisschen belächelt wird, ist hier so ganz gang und Gäbe auf der Tagesordnung. Hier wird auch zum Beispiel nach Religion gewählt. Wenn ein Politiker aufgestellt wird, dann macht des n Unterschied, was der eben für ne Religion hat. Man wählt einen, der eben Hindu is, oder Christ, oder was auch immer. Also Religion macht hier wirklich auch nen Unterschied."
Ob das Mauritius weiterbringt? Die Mormonin aus dem kalten Deutschland hat jedenfalls ihren Platz gefunden.
"Ich finde, dass die besondere Wärme, die Mauritius menschlich auch hat schon in nem großen Maße, daher kommt, dass es ein ziemlich religiöses Land is. Also ich persönlich fühl mich wirklich wohl in Mauritius, fühl mich auch zuhause inzwischen."
Die Kühe haben ihr Heu. August Betzinger verstaut die Heugabeln. Enkel Markus ist schon auf dem Weg zum nächsten Termin in seinem knapp bemessenen Urlaub von Mauritius. Der Großvater schaut ihm nach.
"Mir hams gemerkt beim Markus jetzt alloa die acht Monat, der is ja so gereift, in der Zeit, der war alloa da drüben, hat Verantwortung ghabt, die Brauerei, alloa, der ist a Mannsbild worden."