Georg Meck: Auto Macht Geld. Die Geschichte der Familie Porsche Piëch
Rowohlt Berlin, Berlin 2016
304 Seiten, 22,95 Euro
Buddenbrooks in Wolfsburg
Ob Clan-Kämpfe, Abgasbetrug oder Nazi-Vergangenheit - wer über VW schreibt, hat viel Stoff. Gleich zwei Bücher sind nun über den Weltkonzern erschienen. Beide sind flott geschrieben - aber haben sie mehr zu bieten?
Das Beschleunigungsgesetz, dem heute selbst Journalisten diesseits von Boulevard-Alarmismus und Online-Schrotschießerei folgen, gilt auch für Sachbücher. Und so gibt es – nur gut ein Jahr nach dem Auffliegen des Abgasbetrugs – gleich zwei Bücher zum Thema VW. Beide von Journalisten, die seit Jahren zu Firma und Familien recherchieren, beide reportagig-flott geschrieben, also auch für Leser, die weder BWL noch Mechatronik studiert haben. Beide Autoren sind gut vernetzt in Politik und Wirtschaft, schreiben für die sogenannte seriöse Presse und pflegen einen entsprechend dezent kritischen Ton, selbst wo der Stoff strotzt von Indezenz und Unverschämtheit. Soweit die Gemeinsamkeiten. Jetzt zu den Unterschieden.
Georg Meck, Co-Leiter der Wirtschaftsredaktion der "FAZ", nimmt in "Auto Macht Geld" nicht die Konzernfirmen ins Visier, denn:
"VW steht für Deutschland – im Guten wie im Schlechten"
"Der VW-Konzern ist mehr als eine Firma, er steht für Deutschland, im Guten wie im Schlechten. Für deutsche Ingenieurskunst, für das Wirtschaftswunder nach dem Krieg, für den Titel als Exportweltmeister – aber auch für die Verbrechen der Nazis. Kein Konzern schleppt so gewaltige Mythen mit sich herum."
Er konzentriert sich lieber auf die Konzernfamilien Porsche und Piëch:
"… alles in allem gut zweihundert Menschen, um deren Geflecht soll es hier gehen. Um die wichtigsten Köpfe und größten Taten, Intrigen und Affären. Von alledem gibt's reichlich. Keine Familie begleiten so viele Legenden. Was daran ist wahr? Was stimmt nur so halb? Kurz und knapp: Wie tickt diese Familie hinter dem Weltkonzern?"
Er konzentriert sich lieber auf die Konzernfamilien Porsche und Piëch:
"… alles in allem gut zweihundert Menschen, um deren Geflecht soll es hier gehen. Um die wichtigsten Köpfe und größten Taten, Intrigen und Affären. Von alledem gibt's reichlich. Keine Familie begleiten so viele Legenden. Was daran ist wahr? Was stimmt nur so halb? Kurz und knapp: Wie tickt diese Familie hinter dem Weltkonzern?"
Massenhaft Käufer geschröpft
Mal abgesehen vom kessen Superlativismus, den andere legendäre Weltkonzernfamilien – sagen wir: Thyssen, Krupp, Flick, Quandt – belächeln dürften: Meck beantwortet seine eigenen Fragen leider nicht, er wiederholt sie nur immer mal wieder, ebenso wie den Buchtitel, in den er ein klein wenig verliebt scheint. Dennoch erfährt man manches über die Mentalität der VW-Macher: von Ferdinand Porsche, dem durch Nazistaat und Sparer der Zwangsgewerkschaft DAF subventionierten böhmischen Tüftler, über die zwistigen Geschwister Ferry und Louise Porsche nebst Gatten Anton Piëch, einem österreichischen Frühest-Nazi, bis zum bislang letzten Super-Patriarchen Ferdinand Piëch.
Drei Generationen, die Meck – mit Piëch – nach dem Buddenbrook-Prinzip sortiert: Die erste baut auf, die zweite pflegt, die dritte ruiniert. Der Ausgang des Abgasbetrugs wird zeigen, ob die längst herangereifte vierte Generation je den Karren aus dem Dreck ziehen darf oder ob der ganze Laden auseinanderfliegt – ironischerweise just wegen der "Technik", dank der er einst erblüht war: Porsche Senior hatte 1934 den Zuschlag für das Volkswagen-Projekt bekommen, weil er die Kosten bis fast runter auf Hitlers Preislimit frisiert und massenhaft Käufer geschröpft hatte – auch 2006 hat VW die ökologischen wie ökonomischen Kosten dreist nach unten manipuliert und auf "Durchkommen" gezockt.
Drei Generationen, die Meck – mit Piëch – nach dem Buddenbrook-Prinzip sortiert: Die erste baut auf, die zweite pflegt, die dritte ruiniert. Der Ausgang des Abgasbetrugs wird zeigen, ob die längst herangereifte vierte Generation je den Karren aus dem Dreck ziehen darf oder ob der ganze Laden auseinanderfliegt – ironischerweise just wegen der "Technik", dank der er einst erblüht war: Porsche Senior hatte 1934 den Zuschlag für das Volkswagen-Projekt bekommen, weil er die Kosten bis fast runter auf Hitlers Preislimit frisiert und massenhaft Käufer geschröpft hatte – auch 2006 hat VW die ökologischen wie ökonomischen Kosten dreist nach unten manipuliert und auf "Durchkommen" gezockt.
Ein kurioser Konzern
Marc C. Schneider war unter anderem Pressesprecher eines niedersächsischen Ministeriums, dessen Chefin auch im Kuratorium der Volkswagen-Stiftung saß, und ist heute Redakteur bei "Bilanz", dem Wirtschaftsmagazin der "Welt". Sein Buch mit dem bescheidenen Titel "Volkswagen. Eine deutsche Geschichte" war als Biografie über Martin Winterkorn geplant, hat im Gegensatz zu Meck einen Quellenapparat und ein Personenregister und ist fokussiert auf die Firma und ihre spezifischen internen wie externen Dynamiken.
"Das Besondere wie Kuriose am VW-Konzern ist seine vielfältige Gestalt: Er ist eine Aktiengesellschaft mit internationalen Investoren, ein öffentlich beeinflusstes Unternehmen mit einem Bundesland und einem Emirat als Großaktionären, ein in besonderer Weise mitbestimmter Konzern – und seit wenigen Jahren ein Familienunternehmen. Insgesamt kontrollieren die Familien, Niedersachsen und Katar rund neunzig Prozent der Stimmrechte."
Bei Schneider erfährt man, wie das "System VW" immer funktioniert hat – von der Nazizeit mit der Anschubfinanzierung durch beschlagnahmtes Gewerkschaftsvermögen und der bereitgestellten Infrastruktur einschließlich der italienischen Arbeiter für den Bau von Wolfsburg und der Zwangsarbeiter aus Konzentrations- und Kriegsgefangenenlagern für die Rüstungsproduktion, bis hin zum heutigen Status als "Speerspitze der Mitbestimmung", zu dem auch die Mitverantwortung von Betriebsrat und IG Metall für alle Skandale gehört. Schneider porträtiert Manager von Hahn bis Winterkorn und zeichnet falsche Markenpolitik und verpasste Modernisierung ebenso nach wie Skandale um Devisen, Schmiergelder, illegale Sonderboni und schwarze Kassen. Er erkennt auf einen bedrohlichen Sympathieverlust und vermutet dahinter männlich-autokratische Arroganz:
"Das Besondere wie Kuriose am VW-Konzern ist seine vielfältige Gestalt: Er ist eine Aktiengesellschaft mit internationalen Investoren, ein öffentlich beeinflusstes Unternehmen mit einem Bundesland und einem Emirat als Großaktionären, ein in besonderer Weise mitbestimmter Konzern – und seit wenigen Jahren ein Familienunternehmen. Insgesamt kontrollieren die Familien, Niedersachsen und Katar rund neunzig Prozent der Stimmrechte."
Bei Schneider erfährt man, wie das "System VW" immer funktioniert hat – von der Nazizeit mit der Anschubfinanzierung durch beschlagnahmtes Gewerkschaftsvermögen und der bereitgestellten Infrastruktur einschließlich der italienischen Arbeiter für den Bau von Wolfsburg und der Zwangsarbeiter aus Konzentrations- und Kriegsgefangenenlagern für die Rüstungsproduktion, bis hin zum heutigen Status als "Speerspitze der Mitbestimmung", zu dem auch die Mitverantwortung von Betriebsrat und IG Metall für alle Skandale gehört. Schneider porträtiert Manager von Hahn bis Winterkorn und zeichnet falsche Markenpolitik und verpasste Modernisierung ebenso nach wie Skandale um Devisen, Schmiergelder, illegale Sonderboni und schwarze Kassen. Er erkennt auf einen bedrohlichen Sympathieverlust und vermutet dahinter männlich-autokratische Arroganz:
"Volkswagen muss weiblicher werden"
"Das Unternehmen muss dringend dazu kommen, seine Kunden zu respektieren. Mit Abstand am wichtigsten ist aber die kulturelle Erneuerung. In Wolfsburg wird bisher das Heldentum des Einzelnen gefeiert, nicht das Kollektiv des Schwarmes gefördert. Und selbstverständlich muss Volkswagen weiblicher werden. Dieselgate mit verantwortlichen Managerinnen und Ingenieurinnen? Unwahrscheinlich."
Womit wir wieder bei den Gemeinsamkeiten beider VW-Bücher sind: Dass der Konzern eine altbacken männliche Monokultur pflegt, moniert auch Georg Meck, der sie obendrein als "ziemlich deutsch für einen Global Player" bespöttelt. Meck hofft auf die waldorf-geschulten, weniger techno- und autokratischen Generationen vier und fünf – Schneider setzt auf weibliche Kompetenz von außen. Ob "mehr Frau" hilft, ist ironischerweise just heute, angesichts von Theresa "Maybe" und diversen Rechtsruck-Predigerinnen, wieder fraglich. Ebenso wie der Gebrauchswert von Büchern über aktuelle Entwicklungen, die nach dem digitalen Beschleunigungsgesetz schon bei Erscheinen auf dem Markt zum Hinterherhinken verdammt sind.
Mark C. Schneider: Volkswagen. Eine deutsche Geschichte
Berlin Verlag, Berlin 2016
368 Seiten, 22 Euro