Zwei Filme über die "Transición"

Die dunklen Seiten der 80er-Jahre in Spanien

Die spanische Schauspielerin Emma Suarez in einer Filmszene von "Julieta" von Regisseur Pedro Almodóvar
Die spanische Schauspielerin Emma Suarez in einer Filmszene von "Julieta" von Regisseur Pedro Almodóvar © picture alliance / dpa / Cannes Film Festival / Handout
Von Wolfgang Martin Hamdorf |
Um spanische Zeitgeschichte geht es in zwei Filmen, die nun ins Kino kommen: "La Isla Minima" von Alberto Rodriguez und "Julieta" von Pedro Almodóvar zeigen die Unsicherheiten der Nach-Franco-Ära in den 80er-Jahren - bis in die Gegenwart hinein.
Filmausschnitt: "Liebe Antía, ich werde dir alles erzählen, wozu ich bisher keine Gelegenheit hatte, weil du ein Kind warst und es mir zu schmerzhaft erschien. Wo soll ich anfangen?"
Eine Mutter schreibt einen langen Brief, an ihre einzige Tochter, die vor zwölf Jahren den Kontakt zu ihr abgebrochen hat. Ihre Lebensbeichte beginnt in den achtziger Jahren, in den bonbonfarbenen Zeiten des Aufbruchs und der Lebensfreude nach Francos Tod, als sie Antías späteren Vater kennenlernte, für dessen Tod sie sich immer noch schuldig fühlt. Für den 66-jährigen Regisseur Pedro Almodóvar ist sein zwanzigster Film in erster Linie:
"Ein Drama, trockenes, ein schlichtes aber schweres Drama, bei dem es nichts zu lachen gibt, aber auch keine Tränen fließen, denn die Protagonistin hat keine Tränen mehr."
In "Julieta" hat Almodóvar auf die für ihn charakteristische Mischung aus Melodram und Humor verzichtet. Sein neuer Film erzählt eindringlich vom unaufhaltsamen Fluss des Lebens, von Schuldgefühlen und nicht bewältigter Trauer. Dem Regisseur geht es in erster Linie um ganz elementare Themen.

Die schmerzlichen Seiten der Familienbeziehungen

"Jeder kennt dieses Gefühl, jeder hat einen Vater und eine Mutter gehabt, manche von Euch haben ihre Eltern noch. Viele von Euch haben vielleicht auch Kinder. Mein Film erzählt von diesen Beziehungen zwischen Eltern und Kindern, die sind natürlich ganz vielfältig, aber ich erzähle von den schmerzlichen Seiten dieser Beziehungen."
"Julieta" erzählt das Leben einer Frau, die in den achtziger Jahren jung war. In ihrer Entwicklung spiegelt sich auch das sich wandelnde Lebensgefühl der spanischen Gesellschaft wider: von der Euphorie der jungen Demokratie in den Achtzigern, über die Katerstimmung der neunziger Jahre bis in die Gegenwart hinein.
Aber dieser Zeitbezug ist bei Almodóvar, wie auch in seinen früheren Filmen, allenfalls zwischen den Zeilen sichtbar. Er ist kein Chronist spanischer Zeitgeschichte und schon gar kein politischer Regisseur. Seine Erinnerung an die achtziger und neunziger Jahre ist ganz persönlich, manifestiert sich in der liebevollen Ausstattung der Räume, in kleinen Details und Gegenständen, manche von ihnen aus seiner privaten Sammlung, in den Mustern der Tapeten und in den warmen Farben, die den Blick 30 Jahre zurück immer ins Nostalgische gleiten lassen.

"Julieta", Spanien
Regie: Pedro Almodóvar, Darsteller: Emma Suárez, Adriana Ugarte, 96 Min.

Eine wesentlich politischere Sicht auf die Vergangenheit zeigt dagegen der 45-jährige andalusische Regisseur Alberto Rodriguez: Sein sehr atmosphärischer Krimi "La Isla Minima" (Mörderland) spielt im Schwemmland der andalusischen Atlantikküste und rekonstruiert die frühen achtziger Jahre als eine Zeit, die noch stark von Angst und Unsicherheit geprägt war.
"Man lebte mit zusammengebissenen Zähnen, das charakterisiert diese Jahre besonders: Diese allgegenwärtigen sozialen und politischen Konflikte, die Eskalation der Gewalt. Das war die Grundströmung für unseren Film, diese Zerrissenheit zeigt sich auch in den beiden Kommissaren, von denen jeder eine politische Richtung verkörpert."
Es geht um einen klassischen Kriminalfall südlich von Sevilla: Ein Serienmörder tötet mehrere junge Frauen in den verlorenen Dörfern am Mündungsdelta des Guadalquivir. Zwei Kommissare ermitteln in dem scheinbar unlösbaren Fall und es bleibt fraglich, ob ihre Vorgesetzten wirklich eine Aufklärung wünschen.

Unsicheres und tückisches gesellschaftliches Klima

All das im Jahre 1980, fünf Jahre nach dem Tod des Diktators, aber auch ein Jahr vor dem Putschversuch des Oberst Tejeros am 23. Februar 1981. Eine Zeit, in der das gesellschaftliche Klima ebenso unsicher und tückisch war, wie die Landschaft in der die beiden Kommissare ermitteln. Beide verkörpern Positionen, so der Schauspieler Raul Avellano, die bis heute die spanische Gesellschaft prägen.
"Zwei Polizisten, der eine kommt aus dem alten Regime, der andere, also meine Rolle, glaubt an moderne, demokratischen Werte. Sie verkörpern die 'beiden Spanien' in die unser Land bis heute gespalten ist. Der Film führt in eine Zeit zurück, die so verwirrend war wie die Transición, dem Übergang nach Francos Tod und in ein abgelegenen Dorf, das dieses zurückgebliebene archaische Spanien jener Jahre charakterisiert. Das ist die Dimension, die den Film über eine normale Krimigeschichte hinaushebt."
Während Almodóvar das Drama seiner Protagonistin in bonbonfarbene Nostalgie bettet, zeigt Rodriguez über einen konventionellen Kriminalfall in schmutzigen gedämpften Farben die tiefen Risse der spanischen Gesellschaft. Aber das entspricht durchaus auch einer gewandelten Einschätzung der Vergangenheit.
Während über Jahre hinweg die Zeit der "Transición", die achtziger Jahre, in Spanien als eine Zeit des kulturellen und politischen Aufbruchs gesehen wurde, gibt es immer mehr Filme, meist jüngerer Regisseure, die das Zwiespältige und die dunklen Seiten des Übergangs von der Diktatur zur Demokratie thematisieren.

"La Isla Minima" (Mörderland), Spanien
Regie: Alberto Rodriguez, Darsteller: Javier Gutiérrez, Raúl Arévalo, María Varod, 105 Min.

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