Zwei Heimaten
Akos Domas neuester Roman heißt "Die allgemeine Tauglichkeit", wie schon in seinem Debüt stellt er darin Figuren vor, die mehr oder weniger freiwillig am Rand der Gesellschaft leben. Doma stammt aus Ungarn, lebt aber seit 1977 in Deutschland und schreibt auch auf Deutsch.
"Hat man keine Arbeit, hat man nichts. Hat man Arbeit, und sei es die erbärmlichste, lächerlichste Arbeit, wie zum Beispiel Autos zusammenschrauben oder Souvenirs verkaufen oder in einem Büro hocken, hat man etwas, das einen hält."
Akos Doma hat sich zum Lesen die Haare aus der Stirn gestrichen. Er hat ein markantes Gesicht, dunkle Augen, schwarze Brille. Im kommenden Jahr wird er 50, doch er wirkt jünger.
"Wir sind haltlos. Ungehalten. Es ist bitter nicht auserwählt zu sein. Zu nichts. Zu sehen, dass es ohne einen auch gut läuft, vermutlich besser als mit einem. Also liegen wir still und picheln vor uns hin und warten, dass etwas passiert."
Amir, Igor, Ludovik und Ferdinand haben sich eingerichtet am Rand der Gesellschaft, in einem heruntergekommenen Abbruchhaus. Sie vagabundieren in den Tag hinein - und sind mit ihrer Situation gar nicht so unzufrieden. Ihr Leben ändert sich, als Albert einzieht. Er bringt das Haus in Ordnung, will ihnen Arbeit verschaffen und sie in die Gesellschaft zurückführen, auch wenn sie sich anfangs dagegen sträuben.
"Es gibt die äußere Welt, die Welt des Erfolgs, des Ruhms, aber diese Welt verrät nichts von dem was innen ist. Und bei meinen Figuren ist außen wenig, die sind das was man vielleicht Verlierer nennen würde oder zu kurz Gekommene oder gesellschaftliche Außenseiter. Aber ich versuche diese Figuren mit einem reichen Innenleben auszustatten."
Akos Doma, geboren 1963 in Budapest, ist mit seinem Roman "Die allgemeine Tauglichkeit" eine unterhaltsame Satire gelungen, eine Satire auf den grassierenden Selbstoptimierungswahn, auf unsere neoliberal geprägte Gesellschaft, in der für viele nur Erfolg und Statussymbole zählen. Seine Figuren stehen quer zum Mainstream.
"Bei ihnen gibt es so etwas wie Freundschaft, wie Gemeinschaft. In meinem ersten Roman zumindest so etwas wie Liebe, der jetzige handelt weniger von Liebe, sondern von Freundschaft, - also es geht um das Innen und Außen, um Kälte gegen Wärme, also ich entwerfe Gegenwelten, so würde ich sagen."
Diese Gegenwelten entwirft er nachts, wenn Frau und Kinder schlafen. Um fünf Uhr früh kommen ihm die besten Ideen. Sein erster Roman "Der Müßiggänger" spielt in der kleinen bayerischen Universitätsstadt Eichstätt, wo er und seine Familie wohnen. Im Buch heißt der Ort Bruchtal. Auch in dieser Geschichte zieht sich der Hauptheld zurück, geht in die innere Emigration, wohnt in einem Abbruchhaus. In dem Buch stecke viel selbst erlebtes, sagt Akos Doma.
"Ich fühle mich von solchen Settings angezogen. Mich reizt das Neue nicht, das Abgeschleckte, das Glatte, ich mag die Sachen mit Patina, ich mag Geschichte, ich mag Sachen, die gelebt haben."
Akos Doma liebt die Außenseiter, die Unangepassten, was vielleicht auch in seiner wechselvollen Biografie begründet ist. Seine Eltern, beides Biologen, fliehen mit ihm und seiner Schwester 1971 aus Ungarn, mit dem Auto über Jugoslawien nach Italien. Sie hatten Glück, der Grenzer hatte Mitleid und ließ sie passieren.
"Wo andere Heißluftballons gebaut haben und kilometerlange Tunnels und irgendwelche reißende Flüsse durchschwommen haben, sind wir drauflos und eigentlich völlig irrsinnig, hanebüchen, und, ja, es hat geklappt, wahrscheinlich wegen des Irrsinns."
Die Familie geht nach England, 1977 schließlich nach Deutschland, nach Amberg in der Oberpfalz, wo die Mutter an einer ungarischen Schule Arbeit findet. Schon als Kind entdeckt er seine Leidenschaft: das Schreiben. Sein Debut erscheint allerdings erst 2001, da ist er Ende 30. 10 Jahre später sein zweiter, sein aktueller Roman, "Die allgemeine Tauglichkeit". Dazwischen liegen eine Promotion und zahlreiche Bücher, die er aus dem Ungarischen übersetzt hat - und ein Roman, den keiner drucken wollte:
"Da hab ich alle Fehler gemacht und damit die Fehler ad acta gelegt und jetzt mach ich keine Fehler mehr. "
Auf Wikipedia wurde er eine Zeit lang als "ungarischer Schriftsteller" geführt. Heute steht dort "deutscher Schriftsteller".
"Ich bin natürlich Ungar, das hört man schon, wahrscheinlich einmal Ungar immer Ungar, aber wenn ich Deutsch schreibe, dann bin ich ein deutscher Schriftsteller. Ich bin auch in keiner ungarischen literarischen Tradition beheimatet. Ich bin in Deutschland seit 1977, ich bin absolut hier beheimatet, mit meinen Themen, mit der Art, wie ich scheibe, wie ich mich ausdrücke, mit dem Ton, in dem ich spreche, und für einen Schriftsteller, ist die Sprache, in der er schreibt, seine Heimat."
Und dennoch hängt er an Ungarn. Im vergangen Jahr hat er einen Text veröffentlicht, in dem er das Land, das seit dem Regierungsantritt von Viktor Orbán stark in der Kritik steht, gegen pauschale Verurteilungen verteidigt. Da kommt dann auch wieder die Lust durch, gegen den Strom zu schwimmen. Ein Teil seiner Familie ist inzwischen wieder zurückgekehrt nach Budapest.
"Mein Vater ist wieder heimgekehrt, schon vor Jahren, meine Tante lebt dort. Ich bin schon jedes Jahr dort, das ist auch Heimat, natürlich, klar, das ist wunderbar auch mit den Kindern zurückzufahren. Wir machen jedes Jahr das gleiche, das ist irgendwie schön, ich bin nicht für Weltreisen, an tausend Orten, Weihnachten in der Karibik, ich finde das doof. Man hat eigentlich zwei Heimaten."
Akos Doma hat sich zum Lesen die Haare aus der Stirn gestrichen. Er hat ein markantes Gesicht, dunkle Augen, schwarze Brille. Im kommenden Jahr wird er 50, doch er wirkt jünger.
"Wir sind haltlos. Ungehalten. Es ist bitter nicht auserwählt zu sein. Zu nichts. Zu sehen, dass es ohne einen auch gut läuft, vermutlich besser als mit einem. Also liegen wir still und picheln vor uns hin und warten, dass etwas passiert."
Amir, Igor, Ludovik und Ferdinand haben sich eingerichtet am Rand der Gesellschaft, in einem heruntergekommenen Abbruchhaus. Sie vagabundieren in den Tag hinein - und sind mit ihrer Situation gar nicht so unzufrieden. Ihr Leben ändert sich, als Albert einzieht. Er bringt das Haus in Ordnung, will ihnen Arbeit verschaffen und sie in die Gesellschaft zurückführen, auch wenn sie sich anfangs dagegen sträuben.
"Es gibt die äußere Welt, die Welt des Erfolgs, des Ruhms, aber diese Welt verrät nichts von dem was innen ist. Und bei meinen Figuren ist außen wenig, die sind das was man vielleicht Verlierer nennen würde oder zu kurz Gekommene oder gesellschaftliche Außenseiter. Aber ich versuche diese Figuren mit einem reichen Innenleben auszustatten."
Akos Doma, geboren 1963 in Budapest, ist mit seinem Roman "Die allgemeine Tauglichkeit" eine unterhaltsame Satire gelungen, eine Satire auf den grassierenden Selbstoptimierungswahn, auf unsere neoliberal geprägte Gesellschaft, in der für viele nur Erfolg und Statussymbole zählen. Seine Figuren stehen quer zum Mainstream.
"Bei ihnen gibt es so etwas wie Freundschaft, wie Gemeinschaft. In meinem ersten Roman zumindest so etwas wie Liebe, der jetzige handelt weniger von Liebe, sondern von Freundschaft, - also es geht um das Innen und Außen, um Kälte gegen Wärme, also ich entwerfe Gegenwelten, so würde ich sagen."
Diese Gegenwelten entwirft er nachts, wenn Frau und Kinder schlafen. Um fünf Uhr früh kommen ihm die besten Ideen. Sein erster Roman "Der Müßiggänger" spielt in der kleinen bayerischen Universitätsstadt Eichstätt, wo er und seine Familie wohnen. Im Buch heißt der Ort Bruchtal. Auch in dieser Geschichte zieht sich der Hauptheld zurück, geht in die innere Emigration, wohnt in einem Abbruchhaus. In dem Buch stecke viel selbst erlebtes, sagt Akos Doma.
"Ich fühle mich von solchen Settings angezogen. Mich reizt das Neue nicht, das Abgeschleckte, das Glatte, ich mag die Sachen mit Patina, ich mag Geschichte, ich mag Sachen, die gelebt haben."
Akos Doma liebt die Außenseiter, die Unangepassten, was vielleicht auch in seiner wechselvollen Biografie begründet ist. Seine Eltern, beides Biologen, fliehen mit ihm und seiner Schwester 1971 aus Ungarn, mit dem Auto über Jugoslawien nach Italien. Sie hatten Glück, der Grenzer hatte Mitleid und ließ sie passieren.
"Wo andere Heißluftballons gebaut haben und kilometerlange Tunnels und irgendwelche reißende Flüsse durchschwommen haben, sind wir drauflos und eigentlich völlig irrsinnig, hanebüchen, und, ja, es hat geklappt, wahrscheinlich wegen des Irrsinns."
Die Familie geht nach England, 1977 schließlich nach Deutschland, nach Amberg in der Oberpfalz, wo die Mutter an einer ungarischen Schule Arbeit findet. Schon als Kind entdeckt er seine Leidenschaft: das Schreiben. Sein Debut erscheint allerdings erst 2001, da ist er Ende 30. 10 Jahre später sein zweiter, sein aktueller Roman, "Die allgemeine Tauglichkeit". Dazwischen liegen eine Promotion und zahlreiche Bücher, die er aus dem Ungarischen übersetzt hat - und ein Roman, den keiner drucken wollte:
"Da hab ich alle Fehler gemacht und damit die Fehler ad acta gelegt und jetzt mach ich keine Fehler mehr. "
Auf Wikipedia wurde er eine Zeit lang als "ungarischer Schriftsteller" geführt. Heute steht dort "deutscher Schriftsteller".
"Ich bin natürlich Ungar, das hört man schon, wahrscheinlich einmal Ungar immer Ungar, aber wenn ich Deutsch schreibe, dann bin ich ein deutscher Schriftsteller. Ich bin auch in keiner ungarischen literarischen Tradition beheimatet. Ich bin in Deutschland seit 1977, ich bin absolut hier beheimatet, mit meinen Themen, mit der Art, wie ich scheibe, wie ich mich ausdrücke, mit dem Ton, in dem ich spreche, und für einen Schriftsteller, ist die Sprache, in der er schreibt, seine Heimat."
Und dennoch hängt er an Ungarn. Im vergangen Jahr hat er einen Text veröffentlicht, in dem er das Land, das seit dem Regierungsantritt von Viktor Orbán stark in der Kritik steht, gegen pauschale Verurteilungen verteidigt. Da kommt dann auch wieder die Lust durch, gegen den Strom zu schwimmen. Ein Teil seiner Familie ist inzwischen wieder zurückgekehrt nach Budapest.
"Mein Vater ist wieder heimgekehrt, schon vor Jahren, meine Tante lebt dort. Ich bin schon jedes Jahr dort, das ist auch Heimat, natürlich, klar, das ist wunderbar auch mit den Kindern zurückzufahren. Wir machen jedes Jahr das gleiche, das ist irgendwie schön, ich bin nicht für Weltreisen, an tausend Orten, Weihnachten in der Karibik, ich finde das doof. Man hat eigentlich zwei Heimaten."