Zwei neue Bücher über den Künstler

Gerhard Richters Bedeutung für die Malerei

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Cover der beiden Bücher über Gerhard Richter.
Zwei neue Bücher befassen sich mit Gerhard Richter. © Deutschlandradio
Von Thorsten Jantschek |
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Gleich zwei Bücher befassen sich mit dem bekanntesten deutschen Maler Gerhard Richter. Fotoprofessor Klaus Honnef und Kunsthistoriker Armin Zweite legen in der Machart sehr unterschiedliche Bücher vor - doch jedes ist auf seine Art gut und kenntnisreich.
Um es in der Sprache der Weinliebhaber zu sagen: Mit dem 200. Band der schönen "Kleine Reihe Kunst" im Taschen Verlag zum Werk des bekanntesten deutschen Malers Gerhard Richter bekommt man einen ausgezeichneten Alltagswein. Klaus Honnef, der 1969 in Aachen die erste institutionelle Einzelausstellung für Richter kuratierte, schafft es auf kleinem Raum, das komplexe Schaffen dieses Künstlers darzustellen.

"Das wird Ihnen Spaß machen"

Mehr noch: Der Professor für Fototheorie an der Kunsthochschule Kassel erzeugt ein Verständnis dafür, dass der beständige Stilwechsel Richters - von den berühmten verwischten, nach Fotografien gemalten Bilder und Portraits, der Landschaftsmalerei, über die frühen reinen Farbtafeln oder die grauen Glasflächen bis hin zu den schrundigen, farbintensiven abstrakten Bildern - Teil seines Werks ist. Eines Werks, das einer intellektuellen Haltung verpflichtet ist, die davon ausgeht, dass Malerei nicht die unmittelbare Aneignung von Wirklichkeit ist, erst recht nicht ein subjektiver Ausdruck von Erlebtem, sondern stets die Bedingungen der Möglichkeit von Malerei hinterfragt. Der Weinhändler würde sagen: "Der wird Ihnen Spaß machen, mit dem können Sie gar nichts verkehrt machen."
Und dann gibt es eben die Weine für die ganz besonderen Anlässe. Die elegant und komplex sind, die konzentriert und sinnlich zugleich sind, die zum Genießen einladen, dem Genießenden aber auch einiges abverlangen. In diesem Sinne ist Armin Zweites Buch "Gerhard Richter – Leben und Werk" der Grand Cru - also so etwas wie der beste Wein - des Richter-Universums. Wobei man über das Leben kaum etwas erfährt, über das Werk dagegen so ziemlich alles. Zweite legt in einer ungeahnten erkenntnistheoretischen Tiefe, kunstgeschichtlichen Breite und zeitgeschichtlichen und zeitdiagnostischen Finesse offen, welche Bedeutung Gerhard Richters tief von der europäischen Malerei imprägniertes Werk für die Malerei im Ganzen hat.

"Das Denken ist beim Malen das Malen"

Der Kunsthistoriker und Museumsdirektor entfaltet einen umfassenden Richter-Diskurs. Er zeigt wie der in Dresden aufs gründlichste ausgebildete Maler sich nach der Übersiedlung in den Westen (wenige Monate vor dem Mauerbau) von den Schlacken seines Frühwerks, etwa einer Reihe monumentaler Wandbildern im Stil des Sozialistischen Realismus, befreite; und schon früh in Düsseldorf (dem deutschen Labor für Gegenwartskunst) so etwas werden konnte wie ein "verborgener, ja sich versteckender Chronist einer Gesellschaft, die über keine Mitte und keine tragfähige Basis verfügt." Wenn Richter sagt: "Das Denken ist beim Malen das Malen" – für Armin Zweite ein Schlüsselsatz zu Verständnis dieses Œuvres - , dann könnte man bei diesem Buch sagen: "Das Malen von Gerhard Richter ist beim Denken das Schreiben eines solchen Textes!
Auch bei Zweite steht Richters erkenntnistheoretischer Skeptizismus im Zentrum. Selbst im Falle eines jener zum Teil berauschend schönen kühlen Portraits, bei denen es klassisch um das Erfassen des Wesens der dargestellten Person geht, markiere Richter, dass es gerade nicht um das Malen eines Menschen, sondern um das Malen eines Bildes von einem Menschen geht. "Ich misstraue nicht der Realität, von der ich ja so gut wie nichts weiß", hat Gerhard Richter einmal gesagt, "sondern dem Bild von der Realität, das uns unsere Sinne vermitteln und das unvollkommen ist."

Ein außerordentliches Buch

Das gilt auch für Richters vielleicht berühmteste Bildserien: "18. Oktober 1977", in der sich Richter mit dem Tod der RAF-Terroristen in Stammheim auseinandersetzt; und die abstrakten Birkenau-Bilder, bei denen er von Häftlingsfotografien aus dem KZ Birkenau ausgeht, die er auf Leinwände übertragen hat, um sie in einer brüchigen, düsteren Farblandschaft verschwinden zu lassen.
"Da jeder Bezug", so Armin Zweite, "auf einer außerbildliche Realität im vollendeten Werk unterbunden ist, kann nur durch Wissen und Erinnerung auf ihn verwiesen werden." Armin Zweite jedenfalls, langjähriger Wegbegleiter von Gerhard Richter, stiftet dieses Wissen. So wird dieses außerordentliche Buch, das die Richter-Werke überdies in unglaublich brillanten Reproduktionen wiedergibt, zugleich zu einem intellektuellen wie sinnlichen Ereignis. Nichts weniger darf man von einem Grand Cru erwarten.

Klaus Honnef: Gerhard Richter. Kleine Reihe Kunst
Taschen Verlag, Köln 2019
96 Seiten, 10 Euro

Armin Zweite: Gerhard Richter. Leben und Werk. Das Denken ist beim Malen das Malen
Schirmer/Mosel Verlag, München 2019
480 Seiten, 128 Euro

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