Zweifelhafte Retter
Der Flüchtlingsstrom aus Krisengebieten wie zum Beispiel Syrien reißt nicht ab. In Griechenland, an der EU-Außengrenze gelegen, ist die Situation besonders dramatisch. Seit dem letzten Herbst kamen auf dem Meer 90 Flüchtlinge ums Leben. Flüchtlingsorganisationen werfen Griechenland illegale Rückschiebe-Praktiken vor.
Später Nachmittag im Hafen von Mytilini, der Hauptstadt der Insel Lesbos. Ein Schiff der griechischen Küstenwache startet zu einer Patrouille in der Meeresenge zwischen Lesbos und der türkischen Küste.
An Bord sind drei Mitglieder der griechischen Küstenwache und ihr Kapitän. Der kräftige Mann mit den dunkelblonden Haaren und der blauen Uniform sitzt hinterm Steuer. Seinen Namen will er nicht nennen. Rechts vor ihm ist eine Wärmebildkamera angebracht - "Unsere stärkste Waffe", sagt er stolz.
"Dadurch kann man sehr schnell illegale Einwanderer lokalisieren und im Falle eines Schiffsunglücks im Meer Überlebende finden. Sie kann bei idealen Bedingungen einen Bereich von drei Seemeilen abdecken, was das Radar nicht kann."
Das Schiff nähert sich der türkisch-griechischen Grenzlinie. Die Lichter an der gegenüberliegen Küste sind klar zu sehen. An diesen Stränden steigen Flüchtlinge und MigrantInnen in der Dunkelheit der Nacht in ihre kleinen Boote. Ihr Ziel: Europa.
Die meisten kommen aus Syrien und Afghanistan, erzähl der Kapitän. Mit kleinen überfüllten Schlauchbooten versuchen sie die griechische Küste zu erreichen.
"Wenn sie uns sehen, sagen sie, dass sie Flüchtlinge sind, dass sie kleine Kinder an Bord haben, nach Europa möchten und ärztliche Hilfe brauchen. Wir haben Menschen gesehen, die von Waffen verursachte Narben haben, und in zwei, drei Fällen sogar Menschen, denen Gliedmaßen fehlen. Da sieht man dann sofort, dass sie aus Kriegsgebieten kommen."
Trotzdem müssen die Beamten ihren Befehlen folgen. Den Flüchtlingen den Weg versperren, um so die Einreise weiterer Menschen zu verhindern.
"Falls sie sich auf der Grenzlinie befinden, sagen wir: "alter your course, you are proceeding Greek territory water." Man kann sie auch warnen, dass man auf sie schießen wird. Wir sagen halt das, was wir sagen müssen."
Die Beamten dürfen keine Waffen einsetzen, so lange die Flüchtlinge unbewaffnet sind. Das wüssten insbesondere die Afghanen längst, sagt der Kapitän. Und deshalb könnten er und seine Männer die Flüchtlinge auch nicht wirklich daran hindern, griechisches Gewässer zu erreichen.
"Die Syrer, die noch nicht wissen, wie es ist, kehren zurück, wenn wir sie erschrecken. Bis auch sie lernen: Dass wir nicht auf sie schießen, ihr Boot nicht versenken können und sie in unsere Gewässer eindringen können. Die Afghanen hingegen wissen, dass wir nicht schießen dürfen und dass sie, wenn sie ihr Boot selber versenken, Schiffbrüchige werden und wir dann verpflichtet sind, sie zu retten."
Nach etwa zwei Stunden endet die Patrouille ohne dass ein Flüchtlingsboot entdeckt wurde. Ein paar Meter weiter, in der Nähe des Hafens, wartet Mohamad auf die Fähre nach Piräus. Der junge Mann ist vor drei Tagen mit andern Flüchtlingen auf Lesbos angekommen. Es war sein fünfter Versuch, Europa zu erreichen. Bei seinem vierten, erzählt Mohamad, hatte die griechische Küstenwache ihn und andere Flüchtlinge in ihrem Schlauchboot geortetund einfach zurück in die türkischen Gewässer gebracht.
"Die Beamten der griechischen Küstenwache haben uns erwischt und uns den Motor weggenommen. Sie haben uns an Bord ihres Schiffes geholt und unser Schlauchboot hinten festgemacht. Ein bisschen später haben sie uns wieder ins Schlauchboot gesetzt und uns ein Paddel gegeben. Nur mit dem Paddel und den bloßen Händen haben wir es dann zurück zur türkischen Küste geschafft."
Was Mohamed hier beschreibt, ist eine illegale Rückschiebung auf hoher See - ein sogenanntes"push back". Andere Flüchtlinge auf Lesbos erzählen, dass die Grenzschützer sie mit Gewehren bedroht hätten. Das alles streiten die griechische Küstenwache sowie das Pressebüro der europäischen Grenzschutzagentur Frontex in Warschau ab. Das Retten von Menschenleben hätte immer die absolute Priorität auf dem Meer, so die Pressesprecherin von Frontex.
Ein paar Kilometer vom Hafen entfernt, im Bergdorf Agiasos, in einer Unterkunft für minderjährige unbegleitete Flüchtlinge, ist MohamendBahtzi gerade mit dem Fußballspielen fertig. Der 16-jährige Afghane ist einer der beiden Überlebenden aus einem Schiffsunglück vor der Küste von Lesbos im vergangenen Dezember. In einem Regal über seinem Bett liegen als Dekoration zwei kleine Schiffe, ein paar Plastikblumen und der Koran. Mit einem gezwungenen Lächeln versucht Mohamed, gelassen das Unglück zu beschreiben.
"Wir waren auf dem Boot. Plötzlich ist Wasser eingedrungen und das Boot ist vollgelaufen. Ich trug eine Rettungsweste und hielt mich an zwei Taschen fest. Und sah, wie die anderen unter Wasser verschwunden sind."
Mohamad liegt bereits zwölf Stunden im Wasser, als ihn ein Frontex-Schiff findet. Später werden die Leichen seiner Mitreisenden an die Strände der Insel gespült. Bei einem weiteren Schiffsunglück Mitte März sterben neun Syrer, unter ihnen eine schwangere 17-Jährige.
Obwohl die Flüchtlinge schon Anfang März von ihren Angehörigen bei den griechischen Behörden als vermisst gemeldet werden, beginnt auch diesmal die Suchaktion erst Tage später. Einwohner der Insel und Menschenrechtsaktivisten kritisieren das scharf. Das Schiffsunglück wurde nicht mal offiziell als solches registriert, wie aus den Angaben des zuständigen Ministeriums hervorgeht.
Mohamad begutachtet zurückhaltend eine Landkarte, die an der Wand hängt. Er fühlt sich in Griechenland nicht sicher und will deswegen weiter nach Nordeuropa, wieder über den Seeweg, diesmal von Griechenland nach Italien. Und dies, obwohl er riesige Angst vor dem Meer hat.
"Ich werde das Unglück nie vergessen, es wird immer in meinen Kopf bleiben. Wenn du aber ohne Papiere nach Griechenland und Europa kommen willst, dann gibt es nur diesen Weg."
An Bord sind drei Mitglieder der griechischen Küstenwache und ihr Kapitän. Der kräftige Mann mit den dunkelblonden Haaren und der blauen Uniform sitzt hinterm Steuer. Seinen Namen will er nicht nennen. Rechts vor ihm ist eine Wärmebildkamera angebracht - "Unsere stärkste Waffe", sagt er stolz.
"Dadurch kann man sehr schnell illegale Einwanderer lokalisieren und im Falle eines Schiffsunglücks im Meer Überlebende finden. Sie kann bei idealen Bedingungen einen Bereich von drei Seemeilen abdecken, was das Radar nicht kann."
Das Schiff nähert sich der türkisch-griechischen Grenzlinie. Die Lichter an der gegenüberliegen Küste sind klar zu sehen. An diesen Stränden steigen Flüchtlinge und MigrantInnen in der Dunkelheit der Nacht in ihre kleinen Boote. Ihr Ziel: Europa.
Die meisten kommen aus Syrien und Afghanistan, erzähl der Kapitän. Mit kleinen überfüllten Schlauchbooten versuchen sie die griechische Küste zu erreichen.
"Wenn sie uns sehen, sagen sie, dass sie Flüchtlinge sind, dass sie kleine Kinder an Bord haben, nach Europa möchten und ärztliche Hilfe brauchen. Wir haben Menschen gesehen, die von Waffen verursachte Narben haben, und in zwei, drei Fällen sogar Menschen, denen Gliedmaßen fehlen. Da sieht man dann sofort, dass sie aus Kriegsgebieten kommen."
Trotzdem müssen die Beamten ihren Befehlen folgen. Den Flüchtlingen den Weg versperren, um so die Einreise weiterer Menschen zu verhindern.
"Falls sie sich auf der Grenzlinie befinden, sagen wir: "alter your course, you are proceeding Greek territory water." Man kann sie auch warnen, dass man auf sie schießen wird. Wir sagen halt das, was wir sagen müssen."
Die Beamten dürfen keine Waffen einsetzen, so lange die Flüchtlinge unbewaffnet sind. Das wüssten insbesondere die Afghanen längst, sagt der Kapitän. Und deshalb könnten er und seine Männer die Flüchtlinge auch nicht wirklich daran hindern, griechisches Gewässer zu erreichen.
"Die Syrer, die noch nicht wissen, wie es ist, kehren zurück, wenn wir sie erschrecken. Bis auch sie lernen: Dass wir nicht auf sie schießen, ihr Boot nicht versenken können und sie in unsere Gewässer eindringen können. Die Afghanen hingegen wissen, dass wir nicht schießen dürfen und dass sie, wenn sie ihr Boot selber versenken, Schiffbrüchige werden und wir dann verpflichtet sind, sie zu retten."
Nach etwa zwei Stunden endet die Patrouille ohne dass ein Flüchtlingsboot entdeckt wurde. Ein paar Meter weiter, in der Nähe des Hafens, wartet Mohamad auf die Fähre nach Piräus. Der junge Mann ist vor drei Tagen mit andern Flüchtlingen auf Lesbos angekommen. Es war sein fünfter Versuch, Europa zu erreichen. Bei seinem vierten, erzählt Mohamad, hatte die griechische Küstenwache ihn und andere Flüchtlinge in ihrem Schlauchboot geortetund einfach zurück in die türkischen Gewässer gebracht.
"Die Beamten der griechischen Küstenwache haben uns erwischt und uns den Motor weggenommen. Sie haben uns an Bord ihres Schiffes geholt und unser Schlauchboot hinten festgemacht. Ein bisschen später haben sie uns wieder ins Schlauchboot gesetzt und uns ein Paddel gegeben. Nur mit dem Paddel und den bloßen Händen haben wir es dann zurück zur türkischen Küste geschafft."
Was Mohamed hier beschreibt, ist eine illegale Rückschiebung auf hoher See - ein sogenanntes"push back". Andere Flüchtlinge auf Lesbos erzählen, dass die Grenzschützer sie mit Gewehren bedroht hätten. Das alles streiten die griechische Küstenwache sowie das Pressebüro der europäischen Grenzschutzagentur Frontex in Warschau ab. Das Retten von Menschenleben hätte immer die absolute Priorität auf dem Meer, so die Pressesprecherin von Frontex.
Ein paar Kilometer vom Hafen entfernt, im Bergdorf Agiasos, in einer Unterkunft für minderjährige unbegleitete Flüchtlinge, ist MohamendBahtzi gerade mit dem Fußballspielen fertig. Der 16-jährige Afghane ist einer der beiden Überlebenden aus einem Schiffsunglück vor der Küste von Lesbos im vergangenen Dezember. In einem Regal über seinem Bett liegen als Dekoration zwei kleine Schiffe, ein paar Plastikblumen und der Koran. Mit einem gezwungenen Lächeln versucht Mohamed, gelassen das Unglück zu beschreiben.
"Wir waren auf dem Boot. Plötzlich ist Wasser eingedrungen und das Boot ist vollgelaufen. Ich trug eine Rettungsweste und hielt mich an zwei Taschen fest. Und sah, wie die anderen unter Wasser verschwunden sind."
Mohamad liegt bereits zwölf Stunden im Wasser, als ihn ein Frontex-Schiff findet. Später werden die Leichen seiner Mitreisenden an die Strände der Insel gespült. Bei einem weiteren Schiffsunglück Mitte März sterben neun Syrer, unter ihnen eine schwangere 17-Jährige.
Obwohl die Flüchtlinge schon Anfang März von ihren Angehörigen bei den griechischen Behörden als vermisst gemeldet werden, beginnt auch diesmal die Suchaktion erst Tage später. Einwohner der Insel und Menschenrechtsaktivisten kritisieren das scharf. Das Schiffsunglück wurde nicht mal offiziell als solches registriert, wie aus den Angaben des zuständigen Ministeriums hervorgeht.
Mohamad begutachtet zurückhaltend eine Landkarte, die an der Wand hängt. Er fühlt sich in Griechenland nicht sicher und will deswegen weiter nach Nordeuropa, wieder über den Seeweg, diesmal von Griechenland nach Italien. Und dies, obwohl er riesige Angst vor dem Meer hat.
"Ich werde das Unglück nie vergessen, es wird immer in meinen Kopf bleiben. Wenn du aber ohne Papiere nach Griechenland und Europa kommen willst, dann gibt es nur diesen Weg."