"Zweifellos sehr begabt, aber etwas zappelig"
Hans Mommsen, Sohn des Marburger Neuzeithistorikers Wilhelm Mommsen und Urenkel des berühmten Theodor Mommsen, zählt selbst zu den herausragenden Zeithistorikern Deutschlands. Mit zahlreichen Publikationen hat er das Selbstverständnis der Bundesrepublik geprägt.
"Es war die Absicht der Mehrheit der Volksvertreter, die sich in Weimar versammelten, an die Stelle des durch Kriegsausgang und das Versagen der Dynastie diskreditierten Kaiserreichs eine freiheitliche politische Ordnung zu setzen."
Erklärte Hans Mommsen auf einer Festveranstaltung zum 90. Jahrestag der Konstituierung der Nationalversammlung im Weimarer Nationaltheater im 6. Februar 2009. Warum diese "freiheitliche Ordnung" scheiterte, warum Hitler im Bunde mit den konservativen Eliten die erste deutsche Demokratie zerstören und eine terroristische Diktatur aufrichten konnte - diese Frage hat den prominenten Zeithistoriker sein ganzes Forscherleben lang beschäftigt. Ihr hat er auch sein wohl bedeutendstes Werk gewidmet - eine Geschichte der Weimarer Republik, die 1989 unter dem Titel "Die verspielte Freiheit" herauskam.
Sein Urgroßvater, der Althistoriker Theodor Mommsen, war einer der berühmtesten Gelehrten seiner Zeit. Für seine "Römische Geschichte" erhielt er 1902, ein Jahr vor seinem Tode, den Literaturnobelpreis. Sein Enkel Wilhelm Mommsen lehrte seit 1929 in Marburg Neuere Geschichte, wurde aber 1945 von den Amerikanern seines Amtes enthoben, weil er sich nach 1933 den neuen Machthabern angedient hatte. Dennoch entschlossen sich seine am 5. November 1930 geborenen Söhne Hans und Wolfgang für das Studium der Geschichte. Die akademische Karriere der Zwillinge weist verblüffende Parallelen auf. Beide promovierten 1959, habilitierten sich 1967 und erhielten bereits 1968 ihren ersten Ruf, Hans an die neue Ruhr-Universität in Bochum, wo er bis zu seiner Emeritierung 1998 tätig war.
"Zweifellos sehr begabt, aber etwas zappelig","
urteilte der Tübinger Historiker Hans Rothfels 1957 über seinen Schüler, und damit einen Wesenszug Hans Mommsens getroffen: seine Lust, im akademischen Elfenbeinturm Unruhe zu stiften und zählebige historische Legenden zu zerstören. So machte er bereits 1964 auf sich aufmerksam, als er in einem Aufsatz in den "Vierteljahrsheften für Zeitgeschichte" die These des Amateurhistorikers Fritz Tobias bekräftigte, wonach der Reichstagsbrand vom 27. Februar 1933 von dem Holländer Marinus van der Lubbe gelegt worden war, die Nationalsozialisten in diesem Fall nicht als Täter infrage kamen. Diese These hat sich, auch wenn der Streit darüber immer wieder aufflackert, im Wesentlichen durchgesetzt. Am nachhaltigsten beeinflusst hat Hans Mommsen die Forschung mit seinen vielen Beiträgen zum nationalsozialistischen Herrschaftssystem und zur Stellung Hitlers in ihm. Darin unternahm er den Versuch, das "Dritte Reich" rational zu analysieren, indem er den Blick weglenkte von den angeblich teuflischen Verführungskünsten Hitlers und hinlenkte auf die Strukturen und Funktionsbedingungen des NS-Regimes. Er wurde so zum Begründer der sogenannten funktionalistischen Schule, die lange Zeit die Debatten über den Nationalsozialismus in der Bundesrepublik beherrschte.
""Der schlimmste aller Fehler ist, wenn man den Rock des Bürgers auszieht, um den gelehrten Schlafrock nicht zu kompromittieren","
hat Theodor Mommsen einmal bemerkt. Sein Urenkel hat sich an diese Maxime gehalten. Er hat sich nie gescheut, zu Tagesfragen Stellung zu beziehen, und in allen großen historischen Kontroversen hat er sich streitbar zu Wort gemeldet, so auch im September 1996 in der Kontroverse um das Buch von Daniel Jonah Goldhagen "Hitlers willige Vollstrecker".
""Wie kommt es zu der Anomalie in der Geschichte des Antisemitismus, dass sich ein Antisemitismus rassisch-völkischer Art plötzlich umsetzt in eine systematische, bürokratische, mit kalter Hand, nicht emotional vorangetriebene Massentötung. Und um dieses zu erklären, reicht es nicht aus, auf die antisemitische Motivation der Gruppe hinzuweisen, die wir hier etwas vereinfacht die Täter nennen."
Hans Mommsen gehört neben seinem Bruder Wolfgang (der im August 2004 bei einem Badeunfall starb) zu den herausragenden Repräsentanten der sozialliberalen Historikergeneration, die in den 60er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts antrat, die westdeutsche Geschichtswissenschaft von verstaubten Traditionen zu befreien und sie für neue Fragen und Methoden zu öffnen. Er hat das historische Selbstverständnis der Republik im Sinne einer demokratischen Streitkultur geprägt wie kaum ein anderer.
Erklärte Hans Mommsen auf einer Festveranstaltung zum 90. Jahrestag der Konstituierung der Nationalversammlung im Weimarer Nationaltheater im 6. Februar 2009. Warum diese "freiheitliche Ordnung" scheiterte, warum Hitler im Bunde mit den konservativen Eliten die erste deutsche Demokratie zerstören und eine terroristische Diktatur aufrichten konnte - diese Frage hat den prominenten Zeithistoriker sein ganzes Forscherleben lang beschäftigt. Ihr hat er auch sein wohl bedeutendstes Werk gewidmet - eine Geschichte der Weimarer Republik, die 1989 unter dem Titel "Die verspielte Freiheit" herauskam.
Sein Urgroßvater, der Althistoriker Theodor Mommsen, war einer der berühmtesten Gelehrten seiner Zeit. Für seine "Römische Geschichte" erhielt er 1902, ein Jahr vor seinem Tode, den Literaturnobelpreis. Sein Enkel Wilhelm Mommsen lehrte seit 1929 in Marburg Neuere Geschichte, wurde aber 1945 von den Amerikanern seines Amtes enthoben, weil er sich nach 1933 den neuen Machthabern angedient hatte. Dennoch entschlossen sich seine am 5. November 1930 geborenen Söhne Hans und Wolfgang für das Studium der Geschichte. Die akademische Karriere der Zwillinge weist verblüffende Parallelen auf. Beide promovierten 1959, habilitierten sich 1967 und erhielten bereits 1968 ihren ersten Ruf, Hans an die neue Ruhr-Universität in Bochum, wo er bis zu seiner Emeritierung 1998 tätig war.
"Zweifellos sehr begabt, aber etwas zappelig","
urteilte der Tübinger Historiker Hans Rothfels 1957 über seinen Schüler, und damit einen Wesenszug Hans Mommsens getroffen: seine Lust, im akademischen Elfenbeinturm Unruhe zu stiften und zählebige historische Legenden zu zerstören. So machte er bereits 1964 auf sich aufmerksam, als er in einem Aufsatz in den "Vierteljahrsheften für Zeitgeschichte" die These des Amateurhistorikers Fritz Tobias bekräftigte, wonach der Reichstagsbrand vom 27. Februar 1933 von dem Holländer Marinus van der Lubbe gelegt worden war, die Nationalsozialisten in diesem Fall nicht als Täter infrage kamen. Diese These hat sich, auch wenn der Streit darüber immer wieder aufflackert, im Wesentlichen durchgesetzt. Am nachhaltigsten beeinflusst hat Hans Mommsen die Forschung mit seinen vielen Beiträgen zum nationalsozialistischen Herrschaftssystem und zur Stellung Hitlers in ihm. Darin unternahm er den Versuch, das "Dritte Reich" rational zu analysieren, indem er den Blick weglenkte von den angeblich teuflischen Verführungskünsten Hitlers und hinlenkte auf die Strukturen und Funktionsbedingungen des NS-Regimes. Er wurde so zum Begründer der sogenannten funktionalistischen Schule, die lange Zeit die Debatten über den Nationalsozialismus in der Bundesrepublik beherrschte.
""Der schlimmste aller Fehler ist, wenn man den Rock des Bürgers auszieht, um den gelehrten Schlafrock nicht zu kompromittieren","
hat Theodor Mommsen einmal bemerkt. Sein Urenkel hat sich an diese Maxime gehalten. Er hat sich nie gescheut, zu Tagesfragen Stellung zu beziehen, und in allen großen historischen Kontroversen hat er sich streitbar zu Wort gemeldet, so auch im September 1996 in der Kontroverse um das Buch von Daniel Jonah Goldhagen "Hitlers willige Vollstrecker".
""Wie kommt es zu der Anomalie in der Geschichte des Antisemitismus, dass sich ein Antisemitismus rassisch-völkischer Art plötzlich umsetzt in eine systematische, bürokratische, mit kalter Hand, nicht emotional vorangetriebene Massentötung. Und um dieses zu erklären, reicht es nicht aus, auf die antisemitische Motivation der Gruppe hinzuweisen, die wir hier etwas vereinfacht die Täter nennen."
Hans Mommsen gehört neben seinem Bruder Wolfgang (der im August 2004 bei einem Badeunfall starb) zu den herausragenden Repräsentanten der sozialliberalen Historikergeneration, die in den 60er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts antrat, die westdeutsche Geschichtswissenschaft von verstaubten Traditionen zu befreien und sie für neue Fragen und Methoden zu öffnen. Er hat das historische Selbstverständnis der Republik im Sinne einer demokratischen Streitkultur geprägt wie kaum ein anderer.