Der Vatikan berät über das katholische Weltbild
Beim Umgang mit Geschiedenen und Homosexuellen tut sich die katholische Kirche schwer. Bereits zum zweiten Mal wird im Vatikan nun über das kirchliche Familienbild beraten. Das zeigt, dass Handlungsbedarf besteht, meint die Theologin Eva-Maria Faber.
Bei der Bischofssynode im Vatikan beraten 270 Bischöfe und Ordensleute aus aller Welt drei Wochen lang in Anwesenheit des Papstes über die Haltung der katholischen Kirche zu Ehe und Familie. Dabei wird auch um Positionen zu kontroversen Themen wie dem kirchliche Umgang mit wiederverheiraten Geschiedenen und Homosexuellen gerungen.
Als Doppelsynode zum Thema "Ehe, Familie und Sexualität" setzt die Bischofssynode vom 4. bis zum 25. Oktober 2015 die außerordentliche Familiensynode des vergangenen Jahres fort. Dies zeige, dass "wirklich Handlungsbedarf besteht", erklärte die Theologin Eva-Maria Faber im Deutschlandradio Kultur.
"Es ist ein Zeichen dafür, (...) dass man wünscht, dass wirklich etwas geschieht", sagte Faber. Die Doppelsynode sei unter dem Zeichen echten Handelsbedarfs angetreten, "dass Dinge so reflektiert werden können, sodass hinterher auch gehandelt werden kann. In diesem Sinn ist das ein gutes Zeichen", sagte die Professorin der Theologischen Hochschule Chur im Deutschlandradio Kultur anlässlich des heutigen Festaktes im Vatikan zum 50. Gründungsjahr der Institution Bischofssynode.
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Das vollständige Interview im Wortlaut:
Ute Welty: Feierlich geht es heute in Rom zu, denn Papst Franziskus gedenkt heute eines ganz besonderen Schreibens, eines Schreibens des damaligen Papstes, mit dem Paul VI. vor 50 Jahren die Bischofssynode gründete. Die Synode als Zusammenkunft der Bischöfe sollte den Geist der Gemeinschaft zeigen, der den Papst und die Bischöfe miteinander verbindet, allerdings bislang nur in beratender Funktion. Entscheidungs- oder Beschlussfunktion hat nach wie vor das Konzil. Was also bringen 50 Jahre Bischofssynode, zumal sich zurzeit ja bereits zum zweiten Mal dieses Forum trifft, um das Thema Ehe und Familie miteinander zu besprechen? Wir ziehen Bilanz zusammen mit Eva-Maria Faber, Professorin in Chur in der Schweiz, und zwar für Dogmatik und Fundamentaltheologie. Guten Morgen!
Eva-Maria Faber: Guten Morgen, Frau Welty!
Welty: Wenn Sie auf diese 50 Jahre blicken, wann haben sich Synoden gelohnt und wann eher nicht?
Im Rückblick auch eine Geschichte der Enttäuschungen
Faber: Oh, das ist schwierig zu sagen! Es war sicher am Anfang erst mal eine positive Erfahrung, dass so etwas möglich geworden ist, nachdem Synoden eigentlich über viele Jahrhunderte in der Kirche keine so große Rolle gespielt haben. Es war dann aber sehr bald auch eine Geschichte von Enttäuschungen, sodass dann die Frage "Hat sich das gelohnt" oft sich so gestellt hat oder die Antwort sich nahelegte, dass es eigentlich so ein Prozess gewesen ist, der viel aufgewirbelt hat, ohne dass dann viel herausgekommen ist.
Welty: Warum hat sich Paul VI. überhaupt dazu entschlossen, ein weiteres Gesprächsformat einzurichten? Es gab und es gibt ja eine Reihe von Konsultationen, wobei vielleicht das Zweite Vatikanische Konzil das wirkmächtigste war, oder?
Faber: Ja, aber es ist auch dem Zweiten Vatikanischen Konzil bewusst geworden, dass die Art, wie sich die römisch-katholische Kirche strukturiert hat in den vorausgehenden Jahrhunderten, immer mehr eigentlich auf ein Zentrum zugelaufen ist. Also, alles geht von Rom aus, dort sind die Entscheidungskompetenzen. Und man hat dann gemerkt, dass das eigentlich dem authentischen Kirchenbild nicht so entspricht, weil die Ortskirchen mehr Raum haben sollten. Und in diesem Zusammenhang ist dann über Kollegialität gesprochen worden, also, damit wird ausgesagt, dass alle Bischöfe eine Gemeinschaft bilden, also dass wir nicht einfach nur monarchische Struktur haben, sondern dass da auch eine Gemeinschaftsform bei der Leitung eine Rolle spielt und dass auch die Bischöfe gemeinsam eine Mitverantwortung nicht nur in der Ortskirche, sondern auch in der Gesamtkirche haben.
Welty: Ist das denn so?
Faber: Theologisch ist das so, ja.
Welty: Theologisch oder theoretisch?
Ursprünglich reklamierten die Bischöfe mehr Mitverantwortung
Faber: Also, theologisch eben, von der Theorie her ist es so ... Es ist sicher auch seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil mehr ins Bewusstsein getreten und es gibt auch Bischöfe, die dann mehr reklamieren, dass sie eine Mitverantwortung haben müssten. Aber jetzt hat sich das dann eben nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil nicht so ausgewirkt, wie man sich das vorgestellt hat. Es ist auch interessant, die Konzilsväter wollten eigentlich einen Senat für die Kirche, also ein ständiges Gremium, das auch mitregieren sollte, also nicht einfach nur ein Beratungsgremium, wie das heute ist. Und Paul VI. hat dann diese Bischofssynode eigentlich am Konzil vorbei dann einberufen oder gegründet und das hat wohl auch nicht einfach den Vorstellungen der Konzilsväter entsprochen.
Welty: Zwischen Gründung und tatsächlich stattfinden lagen ja dann noch mal zwei Jahre. Warum hat das so lange gedauert? Oder sind zwei Jahre im Hinblick auf die katholische Kirche und ihre Geschichte eher kurz?
Faber: Die zwei Jahre waren damals eher kurz. Also, man musste ja erst mal sich klarwerden, was ist das überhaupt, und dann hat sich gezeigt gerade bei der ersten Synode, dass die Vorlaufzeit zu kurz war. Die Bischöfe haben damals reklamiert, dass sie früher informiert werden müssen, worum es geht, dass man früher auch eine Traktandenliste eigentlich haben müsste. Und das war bei der ersten Synoden, das ist dann bei den Folgesynoden besser geworden.
Welty: Franziskus und auch sein Vorgänger Benedikt XVI. haben den Ablauf der Synoden stets weiter verändert. Inwieweit haben Päpste da freie Hand und inwieweit sind sie an Vorgaben gebunden?
Kleinere Diskussionszirkel statt ermüdender Monologe
Faber: Ja, Päpste haben eigentlich ziemlich viel freie Hand. Es ist eigentlich so, dass es eher umgekehrt war, dass von unten her, also von den Bischöfen her immer wieder überlegt worden ist ... Sie waren zum Teil sehr unzufrieden mit dem Ablauf der Synoden, man hat beklagt etwa, was man jetzt auch in der Berichterstattung etwas wahrnimmt, dass die vielen Einzelbeiträge zu monoton sind. Also, wenn einfach immer nur eine Person nach der anderen da ihre Rede abgibt, dann ist das irgendwann sehr ermüdend. Und die früheren Synoden haben größtenteils so stattgefunden, dass einfach ein Beitrag nach dem anderen kam, man nicht direkt aufeinander Bezug nehmen konnte und so. Und man hat dann nach jeder Synode gesagt, es müsste nächstes Mal besser werden, und es ist eigentlich nichts geschehen. Papst Benedikt war dann eigentlich der Erste, der wenigstens mal freie Redezeiten eingeführt hat, aber sehr begrenzt. Und das ist jetzt so diese Umstellung der Methodologie in der jetzigen Synode, dass man den kleinen Sprachzirkeln einen viel größeren Stellenwert gibt. Die gab es früher auch schon, aber in einem begrenzteren Ausmaß. Also kleinere Zirkel, wo man erstens besser sprechen kann, weil man die Sprache voneinander versteht, und zweitens, wo man besser aufeinander Bezug nehmen kann.
Welty: Diese Synode zum Thema Ehe und Familie zurzeit in Rom ist ja die zweite ihrer Art zum Thema. Ist das denn jetzt ein Zeichen für mehr Möglichkeit für Debatte oder ist das ein Zeichen dafür, dass sich die Fronten in dieser Frage eher verhärten?
Doppelsynode zu Ehe und Familie zeigt, dass "echter Handlungsbedarf besteht"
Faber: Es ist ein Zeichen dafür, so schätze ich das ein, dass man wünscht, dass wirklich etwas geschieht. Frühere Synoden, da hatte man glaube ich eher so auch den Eindruck, ja, wir reden jetzt mal darüber, aber es ist eigentlich jetzt nicht wirklich im Sinn, dass da irgendwas Weltbewegendes sich ereignet, während jetzt die beiden Synoden angetreten sind unter dem Zeichen, dass wirklich da Handlungsbedarf besteht und dass Dinge so reflektiert werden müssen, dass hinterher auch gehandelt werden kann. In diesem Sinne ist das eigentlich ein gutes Zeichen. Auch das war ein Reformvorschlag, der früher schon mal geäußert worden ist, zwei Synoden zum selben Thema abzuhalten.
Welty: Entscheidungsfindungsprozesse sind auch oder gerade in der katholischen Kirche nicht immer ganz einfach. Wir waren dem auf der Spur zusammen mit der Theologin Eva-Maria Faber, danke dafür!
Faber: Ich danke Ihnen!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.