Zweiter Weltkrieg

Als die Wehrmacht in Polen einfiel

Das im Hafenkanal von Neufahrwasser (Danzig) liegende deutsche Linienschiff "SMS Schleswig-Holstein" nimmt am 01.09.1939 das auf der Westerplatte liegende polnische Munitionslager unter Beschuss
Das im Hafenkanal von Neufahrwasser (Danzig) liegende deutsche Linienschiff "SMS Schleswig-Holstein" nimmt am 1.9.1939 das auf der Westerplatte liegende polnische Munitionslager unter Beschuss © dpa/picture alliance/Ullstein
Von Volker Ullrich |
Mit dem Überfall der deutschen Wehrmacht auf Polen begann am 1. September 1939 der Zweite Weltkrieg. Die vor allem von englischer Seite in den letzten Augusttagen unternommenen Versuche, doch noch den Frieden zu retten, waren vergeblich.
"Niemand weiß von den Danzigern, was in dieser Stunde geschieht. In aller Stille sind die Vorbereitungen getroffen worden, in aller Stille soll Danzig nun endlich wieder deutsch werden. Das Linienschiff 'Schleswig Holstein' wird in wenigen Sekunden den Feuerkampf um die Westerplatte eröffnen."
Mit dem Beschuss des polnischen Munitionslagerns auf der Halbinsel Westerplatte bei Danzig am frühen Morgen des 1. September 1939 begann der deutsche Überfall auf Polen. Zur gleichen Zeit überschritten 54 Divisionen der Wehrmacht die deutsch-polnische Grenze. Auf den Krieg hatte Hitler seit seiner Machtübernahme 1933 zielstrebig hingearbeitet. Von Anfang an ging es ihm nicht nur um eine Revision des Versailler Vertrages, sondern darüber hinaus um die Eroberung von "Lebensraum im Osten", um die Errichtung eines "Großgermanischen Reiches" auf rassistischer Grundlage.
Deshalb fasste er auch unmittelbar nach dem Münchner Abkommen von Ende September 1938, das ihm mit der Abtretung der sudetendeutschen Gebiete einen weiteren Erfolg beschert hatte, die Zerschlagung des tschechischen Rumpfstaates ins Auge. Am 15. März 1939 marschierten deutsche Truppen in Prag ein. Mit diesem Vertragsbruch hatte Hitler freilich eine Grenze überschritten.
Die Westmächte England und Frankreich erkannten, dass ihre Appeasement-Politik, also der Versuch, den deutschen Diktator durch Zugeständnisse zu beschwichtigen, gescheitert war und gaben Garantieerklärungen für die Unabhängigkeit Polens ab.
Tatsächlich richtete sich Hitlers Augenmerk bereits auf Polen als nächstes Objekt seiner ungehemmten Expansionslust. Am 3. April befahl er der Wehrmacht, unter dem Decknamen "Fall Weiß" den Angriff vorzubereiten. Die deutsche Propaganda entfesselte eine antipolnische Hetzkampagne, die sich von Woche zu Woche steigerte. Unaufhörlich berichteten die Medien über angebliche Gräueltaten an der deutschen Minderheit. So meldete der deutsche Rundfunk am 26. August:
"Die Zahl der gestern in Oberschlesien verhafteten Deutschen wird auf über 300 geschätzt. Unter diesen befinden sich wiederum viele Frauen und Minderjährige. Die Verhaftungen erfolgten wiederum unter den schwersten Misshandlungen der gehetzten Deutschen, die wie Tiere behandelt und fortgeschleppt wurden. Sie erwartet in den polnischen Kerkern und in den Verschleppungslagern von Brest-Litowsk ein grausames Schicksal. Es wird immer deutlicher, dass es den Polen ausschließlich darum geht, das deutsche Volkstum in Oberschlesien offenbar völlig auszurotten."
Hitlers Entschluss zum Krieg stand unumstößlich fest
Um die Aggression gegen Polen diplomatisch abzusichern, steckte Hitler Fühler nach Moskau aus. Und er stieß hier auf Gegenliebe. Stalin erschien ein Arrangement mit dem ideologischen Todfeind verlockender als ein Bündnis mit den Westmächten, die ihm nicht das bieten konnten, was er brauchte: nämlich Zeit, um die Rote Armee soweit aufzurüsten, dass sie einem später erwarteten Angriff der deutschen Wehrmacht gewachsen wäre. Am 23. August unterzeichneten der deutsche Außenminister Ribbentrop und sein sowjetischer Kollege Molotow in Moskau einen Nichtangriffspakt, der in einem Zusatzprotokoll die Aufteilung Polens und des Baltikums in eine russische und deutsche Interessensphäre vorsah.
Die vor allem von englischer Seite in den letzten Augusttagen unternommenen Versuche, doch noch den Frieden zu retten, waren vergeblich. Hitlers Entschluss zum Krieg stand unumstößlich fest. In einer Ansprache vor den Spitzen der Militärs auf dem Obersalzberg am 22. August erklärte er:
"Ich habe nur Angst, dass mir noch im letzten Moment irgendein Schweinehund einen Vermittlungsplan vorlegt."
Von Kriegsbegeisterung war am 1. September allerdings, anders als im August 1914, in Berlin nichts zu spüren. Als Hitler kurz nach zehn Uhr zur Krolloper fuhr, säumten nur wenige Menschen die Straßen. In seiner Rede vor den Reichstagsabgeordneten suchte er den Anschein zu erwecken, als sei die Aggression von Polen ausgegangen, während er selbst alles unternommen habe, um zu einem friedlichen Ausgleich zu kommen.
"Polen hat heute Nacht zum ersten Mal auf unserem eigenen Territorium mit bereits regulären Soldaten geschossen. Seit 5.45 wird jetzt zurückgeschossen! Und von jetzt an wird Bombe mit Bombe vergolten!" (Jubel)
Hitlers Hoffnung, durch den Nichtangriffspakt mit Russland die Westmächte vor einem Eingreifen zugunsten Polens abschrecken zu können, sollte sich nicht erfüllen. Am 3. September erklärten England und Frankreich Deutschland den Krieg. Der Zweite Weltkrieg hatte begonnen - der Anfang vom Ende des "Dritten Reiches".
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