Zwiesprache mit Bruckner
Herbert Blomstedt, der im Juli seinen 87. Geburtstag feiern darf, gehört zu den großen Dirigenten unserer Zeit. Als Sohn schwedischer Eltern in den USA geboren, studierte er in Stockholm, Uppsala, an der Juilliard School of Music in New York, in Darmstadt und Basel. Vor 60 Jahren, im Februar 1954, gab er sein Debüt als Dirigent mit dem Stockholmer Philharmonischen Orchester.
Mit dem Deutschen Symphonie-Orchester Berlin verwirklicht er seit einigen Jahren einen Zyklus der Symphonien Anton Bruckners. Am 7. und 8. Juni ist er mit der Sechsten Symphonie des Komponisten beim DSO zu Gast. Maximilian Rauscher führte mit Herbert Blomstedt ein Gespräch für die DSO-Nachrichten; hier ein Ausschnitt:Maestro, was fasziniert Sie am Werk Anton Bruckners? Die Erhabenheit seiner Musik. Sie ist natürlich auch voller Konflikte, aber die Grundhaltung in all seinen Werken ist doch die Erhabenheit. Kein anderer Komponist hat es geschafft, diese so mit Sinn und durchgehender Schönheit zu füllen, und das in neun Symphonien, die grundverschieden sind. Aber sie sind alle gleichermaßen erhaben, was nicht bedeutet, dass sie nur religiös zu deuten sind. Bruckner war zwar ein sehr religiöser Mensch, aber ich finde, aus den Symphonien spricht noch mehr seine Verbundenheit zur Natur, in diesem Fall natürlich Gottes Natur. Und darin so eine Mannigfaltigkeit zu entdecken, das lässt auf einmalige Begabung und Genie schließen.Bevor Sie Ihren Bruckner-Zyklus im kommenden Jahr mit der sehr populären Siebten Symphonie abschließen, dirigieren Sie im Juni seine Sechste, die eher selten gespielt wird. Woran liegt das?Das hat verschiedene Gründe. Zunächst einmal ist sie völlig anders als die anderen. Die üblichen Erwartungen an Bruckner werden nicht erfüllt. Man hört kein Sausen oder Tremolo am Anfang und dann eine schöne Melodie, sondern einen markanten Rhythmus. Das Scherzo ist so überraschend wie die Musik von Anton Webern, besonders im Trio, da werden nur Fetzen gespielt. Das ist enorm modern, und es irritiert. Das Finale ist großartig, aber wenn man den richtigen Ton nicht findet, kann es ein bisschen banal wirken, und das zerstört den Eindruck der Erhabenheit.Und: Die Symphonie ist schwer zu spielen und sehr schwierig zu gestalten. Am Ende des ersten Satzes heißt es etwa: "molto ritardando" und dann "sempre molto ritardando". Das gelingt selten überzeugend. Es gibt so viele Deutungsmöglichkeiten, und die Herausforderung besteht darin, zu ergründen, was Bruckner selbst gemeint hat. Er gibt nicht immer genaue Instruktionen, da müssen Intuition und Erfahrung helfen. Aber wenn Bruckner etwas vorgibt, dann muss man ihm folgen. Dass das schwierig ist, ist ein weiterer Grund, sich mit der Sechsten Symphonie auseinanderzusetzen - es lohnt sich! (nach: Gespräch Maximilian Rauscher mit Herbert Blomstedt, in DSO-Nachrichten 05/06/2014)
Philharmonie Berlin
Aufzeichnung vom 07.06.2014
Wolfgang Amadeus Mozart
Konzert für Klavier und Orchester Nr. 25 C-Dur KV 503
ca. 20:45 Uhr Konzertpause mit Nachrichten
Anton Bruckner
Sinfonie Nr. 6 A-Dur
Richard Goode, Klavier
Leitung: Herbert Blomstedt