Zwischen Aufmüpfigkeit und Tradition
Im vergangenen Sommer erhielt Sam Frenzel aus Berlin-Kreuzberg den Nachwuchspreis "Designer for tomorrow". Modemagazine aus aller Welt feierten ihn in den folgenden Wochen als das neue deutsche Designtalent. Nun zeigt der 29-Jährige seine Mode auf der Fashion Week.
Er sei wie ein Schwamm, sagt Sam Frenzel, sauge alles auf. Wenn er erklärt, was ihn zu seinen Kleidern inspiriert, nennt der Modemacher Filme wie Mad Max, Designer wie Pierre Cardin, den Maler Edward Hopper oder die Schauspielerin Francoise Hardy. Er sprudelt. Kaum einen Satz bringt er zu Ende, immer wieder schweift er ab.
Sam Frenzel: "Ich bin definitiv jemand, der aus der Geschichte rausholt, aber Bekleidung sollte genauso wie Kunst, Fotografie und Musik forward sein, das bedeutet, wir sollten neuen Input in die Gesellschaft geben, um einen Teil mitzuformen. Und den Anspruch habe ich."
Dann wendet sich der 29-Jährige, der selbst in Jogginghose und T-Shirt steckt, einer Ankleidepuppe zu. Sie trägt ein weißes, ärmelloses Minikleid aus Wolle. Auf den ersten Blick vermutet man hinter den großen Maschen eine Stricktechnik.
Sam Frenzel: "Aber das ist kein Strick, das ist Häkel. Also das, was wir unter Topflappen kennen. Jetzt ist der Häkel aber nicht traditionell gemacht, sondern sehr weitmaschig und er wird durchwirkt von zusätzlicher Wolle. Das ist eine ganz neue Optik."
Die Biederkeit von Häkel will er mit diesem Minikleid durchbrechen. Sam Frenzel mixt hauchdünne Fasern mit dicken Wollstoffen. Manchmal wirkt seine Mode auch futuristisch, wenn Oberteile beispielsweise zwei Schulterpartien andeuten. Immer sind die Kleider, Röcke, Hosen und Blusen aber feminin, sehr feminin: Da ist beispielsweise ein graues Bustierkleid mit voluminösem Rock, das der Modemacher mit einem dunkelgrauen Schleifengürtel aus PVC und einer transparenten Bluse mit Schulterornamenten kombiniert. Auf die handwerklichen Details legt er großen Wert.
Aufgewachsen ist der Deutsch-Türke Sam Frenzel mit zwei Schwestern in Berlin Kreuzberg. Wie er selbst sagt: zwischen Aufmüpfigkeit und Tradition, Soja-Aufstrich und islamischer Erziehung.
Sam Frenzel: "Mein Vater war Herrenschneider, das hat er in der Türkei gelernt, hat dann in Deutschland auch in der Industrie gelernt. Hat dann zu Hause auch eine Nähmaschine gehabt. Das war mir jetzt nicht fremd: Männer an der Nähmaschine."
Sam Frenzel: "Meine Mutter, eine Arbeiterin mit überhaupt nicht viel Geld und drei Kindern, sie ist eigentlich der Grund, warum ich mit Bekleidung angefangen habe. Weil sie mir die Sensibilität für Bekleidung beigebracht hat."
Bevor sie sich drei billige Teile zulegte, erzählt der 29-Jährige, habe sie nur ein modisches, hochwertiges Stück gekauft. Selbstbewusst, weiblich und elegant, so sind die Frauen, für die Sam Frenzel Mode machen will.
"Das bedeutet, dass ein Model bei mir niemals rauskommen würde und aussieht wie eine Kugel oder ein Quader. Davon halte ich überhaupt nichts. Ich mache Bekleidung für Frauen, ich mach ja kein Design fürs Museum."
Nach dem Abitur beginnt Sam Frenzel ein Modedesign-Studium an der Hochschule für Technik und Wirtschaft in Berlin, unterbricht es immer wieder, geht nach Paris, arbeitet dort an großen Modehäusern wie Christian Lacroix, Dior oder Chloè -
zunächst als Praktikant, später als Assistent. Schnell erkennt man auch dort sein Talent.
Sam Frenzel: "Ich habe viel aufgenommen von meinen Chefs und auch der Geschichte der Häuser jeweils. Wenn Du da Assistent bist, musst Du auch durch die Archive gehen, die sie haben, die immens sind. Wenn man bei Dior ist in den Archiven, ich habe Dinge gesehen, Kostümgeschichte, alles Mögliche - wirklich lebendig."
Vor einem halben Jahr macht Sam Frenzel seinen Abschluss in Berlin. Die internationale Agentur IMG entdeckt ihn und ermuntert ihn, sich für den Nachwuchspreis "Designer for tomorrow" zu bewerben. Er gewinnt. Alles geht rasend schnell. Teil des Preises ist die Modenschau in der nächsten Saison - im Januar 2010.
Viel Zeit bleibt ihm nicht für die 25 Outfits, die bei einer Modenschau auf der Fashion Week erwartet werden. Eine Praktikantin hilft ihm bei der Produktion. Seit einigen Wochen übernachtet Sam Frenzel nur noch im Atelier.
Sam Frenzel: "Eine Kollektion ist jetzt nicht wie in der Mathematik berechenbar. Gerade in den großen Häusern, manchmal sind Teile nicht einmal vier Stunden vor der Show fertig oder überhaupt sicher. Da wird das Kleid genommen, abgeschnitten und dann ist es ein Top oder wir färben es auf einmal schwarz. Man muss die Angst verlieren, Sachen zu ändern."
Das ist ihm noch nicht gelungen. Zwischendurch wird er immer wieder von italienischen und französischen Modehäusern zu Bewerbungsgesprächen eingeflogen. Die Entscheidung, ein eigenes Label zu gründen, hat er noch nicht gefällt. Darüber müsse er in Ruhe nachdenken und die Zeit dafür habe er jetzt eben nicht.
Sam Frenzel: "Ich fühle mich wie Faustus in einer innerlichen Diskussion. Die Geschichte, die ich hier habe, die habe ich nicht geplant. Ich war auch an der Uni immer einer der Studenten, die gesagt haben, ich brauch mein eigenes Atelier nicht, ich geh an ein großes Haus, werde Chef dort, muss keine blöden Kompromisse schließen bei den Materialien, weil ich mir die nicht leisten kann. Das habe ich immer angelegt, ja."
Sam Frenzel: "Ich bin definitiv jemand, der aus der Geschichte rausholt, aber Bekleidung sollte genauso wie Kunst, Fotografie und Musik forward sein, das bedeutet, wir sollten neuen Input in die Gesellschaft geben, um einen Teil mitzuformen. Und den Anspruch habe ich."
Dann wendet sich der 29-Jährige, der selbst in Jogginghose und T-Shirt steckt, einer Ankleidepuppe zu. Sie trägt ein weißes, ärmelloses Minikleid aus Wolle. Auf den ersten Blick vermutet man hinter den großen Maschen eine Stricktechnik.
Sam Frenzel: "Aber das ist kein Strick, das ist Häkel. Also das, was wir unter Topflappen kennen. Jetzt ist der Häkel aber nicht traditionell gemacht, sondern sehr weitmaschig und er wird durchwirkt von zusätzlicher Wolle. Das ist eine ganz neue Optik."
Die Biederkeit von Häkel will er mit diesem Minikleid durchbrechen. Sam Frenzel mixt hauchdünne Fasern mit dicken Wollstoffen. Manchmal wirkt seine Mode auch futuristisch, wenn Oberteile beispielsweise zwei Schulterpartien andeuten. Immer sind die Kleider, Röcke, Hosen und Blusen aber feminin, sehr feminin: Da ist beispielsweise ein graues Bustierkleid mit voluminösem Rock, das der Modemacher mit einem dunkelgrauen Schleifengürtel aus PVC und einer transparenten Bluse mit Schulterornamenten kombiniert. Auf die handwerklichen Details legt er großen Wert.
Aufgewachsen ist der Deutsch-Türke Sam Frenzel mit zwei Schwestern in Berlin Kreuzberg. Wie er selbst sagt: zwischen Aufmüpfigkeit und Tradition, Soja-Aufstrich und islamischer Erziehung.
Sam Frenzel: "Mein Vater war Herrenschneider, das hat er in der Türkei gelernt, hat dann in Deutschland auch in der Industrie gelernt. Hat dann zu Hause auch eine Nähmaschine gehabt. Das war mir jetzt nicht fremd: Männer an der Nähmaschine."
Sam Frenzel: "Meine Mutter, eine Arbeiterin mit überhaupt nicht viel Geld und drei Kindern, sie ist eigentlich der Grund, warum ich mit Bekleidung angefangen habe. Weil sie mir die Sensibilität für Bekleidung beigebracht hat."
Bevor sie sich drei billige Teile zulegte, erzählt der 29-Jährige, habe sie nur ein modisches, hochwertiges Stück gekauft. Selbstbewusst, weiblich und elegant, so sind die Frauen, für die Sam Frenzel Mode machen will.
"Das bedeutet, dass ein Model bei mir niemals rauskommen würde und aussieht wie eine Kugel oder ein Quader. Davon halte ich überhaupt nichts. Ich mache Bekleidung für Frauen, ich mach ja kein Design fürs Museum."
Nach dem Abitur beginnt Sam Frenzel ein Modedesign-Studium an der Hochschule für Technik und Wirtschaft in Berlin, unterbricht es immer wieder, geht nach Paris, arbeitet dort an großen Modehäusern wie Christian Lacroix, Dior oder Chloè -
zunächst als Praktikant, später als Assistent. Schnell erkennt man auch dort sein Talent.
Sam Frenzel: "Ich habe viel aufgenommen von meinen Chefs und auch der Geschichte der Häuser jeweils. Wenn Du da Assistent bist, musst Du auch durch die Archive gehen, die sie haben, die immens sind. Wenn man bei Dior ist in den Archiven, ich habe Dinge gesehen, Kostümgeschichte, alles Mögliche - wirklich lebendig."
Vor einem halben Jahr macht Sam Frenzel seinen Abschluss in Berlin. Die internationale Agentur IMG entdeckt ihn und ermuntert ihn, sich für den Nachwuchspreis "Designer for tomorrow" zu bewerben. Er gewinnt. Alles geht rasend schnell. Teil des Preises ist die Modenschau in der nächsten Saison - im Januar 2010.
Viel Zeit bleibt ihm nicht für die 25 Outfits, die bei einer Modenschau auf der Fashion Week erwartet werden. Eine Praktikantin hilft ihm bei der Produktion. Seit einigen Wochen übernachtet Sam Frenzel nur noch im Atelier.
Sam Frenzel: "Eine Kollektion ist jetzt nicht wie in der Mathematik berechenbar. Gerade in den großen Häusern, manchmal sind Teile nicht einmal vier Stunden vor der Show fertig oder überhaupt sicher. Da wird das Kleid genommen, abgeschnitten und dann ist es ein Top oder wir färben es auf einmal schwarz. Man muss die Angst verlieren, Sachen zu ändern."
Das ist ihm noch nicht gelungen. Zwischendurch wird er immer wieder von italienischen und französischen Modehäusern zu Bewerbungsgesprächen eingeflogen. Die Entscheidung, ein eigenes Label zu gründen, hat er noch nicht gefällt. Darüber müsse er in Ruhe nachdenken und die Zeit dafür habe er jetzt eben nicht.
Sam Frenzel: "Ich fühle mich wie Faustus in einer innerlichen Diskussion. Die Geschichte, die ich hier habe, die habe ich nicht geplant. Ich war auch an der Uni immer einer der Studenten, die gesagt haben, ich brauch mein eigenes Atelier nicht, ich geh an ein großes Haus, werde Chef dort, muss keine blöden Kompromisse schließen bei den Materialien, weil ich mir die nicht leisten kann. Das habe ich immer angelegt, ja."