Zwischen den Polen

Von Adalbert Siniawski |
Ein Deutscher geht nach Polen, nimmt nach Herzenslust Land und Leute und die eigene Heimat auf die Schippe - und wird dafür auch noch geliebt. Steffen Möller, Kabarettist, Schauspieler und Entertainer, hat in Polen Karriere gemacht. Mit seinen Witzen und Alltagsbeobachtungen ist er zum Fachmann für deutsch-polnische Beziehungen geworden - und bekam dafür sogar das Bundesverdienstkreuz. Mit dem Programm "Expedition zu den Polen - Ein Crashkurs für Auswanderer" tourt er jetzt durch Deutschland.
Szene aus Möllers Show: "Ich heiße Steffen. Als ich nach Polen gegangen bin, stellte sich heraus: Die Leute sagen nicht mehr 'Steffen'. Plötzlich hieß ich 'Steffek'." (Lacher)

Wenn er auf die Bühne kommt, sind Lacher garantiert. Auch hier im ausverkauften Stadtmuseum Borken, vor 200 Zuschauern. Der Saal ist in rot-weißes Licht getaucht, die polnischen Nationalfarben. Rote Krawatte, weißes Hemd, dazu ein grauer Anzug und Hausschuhe mit eingesticktem polnischen Wappen - so zelebriert der Kabarettist Steffen Möller seine Polen-Lehrstunde. Im Publikum sind deutsche und polnischstämmige Zuschauer: Spätaussiedler, deutsche Ehemänner mit ihren polnischen Ehefrauen, und Polen-interessierte Einheimische. Bei ihnen kommen die Witze des 41-Jährigen gut an:

"Er ist ja nicht beleidigend, er ist ja halt ehrlich und lustig - und das weiß ich zu schätzen."

In Krakau beginnt Möllers eigene "Expedition zu den Polen". Anfang der 90er-Jahre ist er Student der Theologie und Philosophie an der Freien Universität Berlin. In der Mensa entdeckt er ein Werbeplakat für einen zweiwöchigen Polnisch-Sprachkurs. Polen kommt ihm gerade recht:

"Ich wollte in ein Land, das möglichst nah an Berlin ist. Sodass ich, wenn es nicht klappt, schnell zurückfliehen kann. Und dazu kam noch, dass ich in ein Land wollte, wo man eine Sprache spricht, die ich nicht in der Schule hatte, weil ich in Französisch und Englisch schlecht war. Vielleicht hatte ich ja doch Sprachtalent, dachte ich."

Seine Familie und Freunde schütteln nur den Kopf. Trotzdem steigt der schlaksige Student in den Zug nach Krakau. Was er dort sieht, ist ein fremdes Land im Umbruch.

"Ich fand's faszinierend anders, es war ziemlich verrottet und verkommen damals, 1993 in Krakau. Heute ist das alles ja blitzblank renoviert. Und es war faszinierend, dass man schon auf dem Bahnhof kein einziges Schild mehr versteht. Fand ich toll, das war ein Anfang bei Null. Ich bin ein Typ, der Nullanfänge liebt."

Nach dem Sprachkurs beendet Möller sein Studium in Berlin und wandert 1994 nach Warschau aus. Dort verdingt er sich zunächst als schlecht bezahlter Deutschlehrer, dann als Linguistikdozent an der Warschauer Universität. Als ihm die Deutsch-Lehrbücher zu langweilig werden, schreibt er seine Unterrichtstexte selbst - meist in Parodieform. Da blitzt sein komödiantisches Talent auf: Schon als Schüler hatte der gebürtige Wuppertaler Kabarett gemacht und Lehrer karikiert.

"In Polen habe ich gemerkt: 'Komm, ich mach' mal was über die polnische Mentalität'. Das ist so interessant für uns Deutsche, da kann man viel sagen. Und übrigens die Polen selbst kann man leicht überraschen, wenn man sagt: 'Leute, ich bin freiwillig in Polen'. Das ist schon die halbe Miete, wenn man das sagt."

Möller stellt ein erstes Kabarettprogramm auf die Beine. Mit seinen Alltagsbeobachtungen über Polen und Deutsche, seiner Sprachgewandtheit und dem deutschen Akzent gewinnt er schnell Aufmerksamkeit.

Seine Auftritte in einem Warschauer Jazzkeller sind der Renner. Beim Kabarettfestival "Paka" in Krakau holt er den zweiten Platz. Legendär ist seine Fähigkeit, einen Text geradezu sinnlich erfahrbar zu machen - wie die stampfende "Lokomotive" aus einem Kindergedicht von Julian Tuwim:

Szene aus Möllers Show: "... das ist HipHop! A co to to, co to to, kto to tak pcha? Że pędzi, że wali, że bucha, buch-buch? To para gorąca wprawiła to w ruch. To para, co z kotła rurami do tłoków, a tłoki kołami ruszają z dwóch boków ...”"

Für Möller geht es im Eiltempo aufwärts. Er lädt einen polnischen Filmproduzenten zu seinem Auftritt ein, für den er früher Drehbücher übersetzt hat. Dieser ist vom Talent des Deutschen schwer begeistert und holt ihn ins öffentlich-rechtliche Fernsehen. Möller bekommt eine Rolle in der Telenovela "M jak Miłość", auf Deutsch: "L wie Liebe." Darin spielt er einen tollpatschigen, deutschen Kartoffelbauern, dem die Frauen weglaufen.

Zehn Millionen Zuschauer gucken ihm dabei zu, die Serie erreicht traumhafte Einschaltquoten. Kabarettist Möller ist Schauspieler geworden und einem breiten Publikum bekannt. Er wird Dauergast in einer Unterhaltungsshow und bekommt 2005 seine eigene Sendung. "Załóż się", die polnische Version von "Wetten, dass ...?".

""Ludzie to jest, niestety, to jest mojim kosztem ten dowcip. Jam mam sie na to połorzyć? O ludzie ...!"

In Polen erhält er zwei Fernsehpreise. Weitere Ehrungen folgen, darunter das Bundesverdienstkreuz für seine Leistungen für die deutsch-polnische Verständigung. Der mit einer Polin liierte Kabarettist bedient keine alten Vorurteile - er schafft einfach neue.

"Ich bemühe mich, zumindest unbekannte Verallgemeinerungen zu finden, zum Beispiel, dass die Polen alle Masochisten sind und am liebsten über ihr eigenes Land herziehen. Es ist also unvorstellbar, dass man in der polnische Nationalhymne anfängt mit: 'Einigkeit und Recht und Freiheit'. Nein!"

Polnische Nationalhymne: "Jeszcze Polska nie zginęła, kiedy my żyjemy ..."

Steffen Möller: "Die polnische Nationalhymne fängt an mit: 'Eeeeeh, noch ist Polen nicht verloren' - aber bald."

Polnische Nationalhymne: "...marsz, marsz Dąbrowski, z ziemi włoskiej do Polski. Za twoim przewodem, złączym się z narodem."

Masochismus oder nicht? Die Hintergründe von "noch ist Polen nicht verloren", erklärt Möller nicht. Tiefergehende polnische Befindlichkeiten, die den Deutschen bisweilen skurril erscheinen mögen, spart er aus - wie Katholizismus, Vertriebenenzentrum oder die Kaczynskis.

"Das ist nicht mein Thema. Ich beschreibe die Polen aus der Sicht eines Deutschen, das ist mein Thema. Und letztlich interessiert mich daran der Spiegel für uns selbst. Und es ist mein Ehrgeiz, diese alten Selbstbildnisse ein bisschen aufzubrechen - sowohl hüben als auch drüben."
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