Zwischen Fußbällen und NS-Kriegspanzern

Als Rapid Wien vor 80 Jahren großdeutscher Meister wurde

05:24 Minuten
Blick auf ein Tor von hinten. Man sieht wie der Ball im Tor landet und der Torwart sich noch in die Richtung des Balles streckt. Der Torwart trägt eine Schiebermütze. (Historische Fotografie)
Mit einem wohlplatzierten Elfmeter sorgte Spieler Franz „Bimbo“ Binder vor 80 Jahren für den 3:3 Ausgleich von Rapid Wien im Match gegen den Favoriten Schalke 04. (*) © picture alliance / dpa / Votava
Von Eduard Hoffmann |
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Mitten im Zweiten Weltkrieg wird eine österreichische Fußballmannschaft deutscher Meister. Seit dem "Anschluss" an Nazi-Deutschland gab es nur noch großdeutsche Mannschaften. Nennenswerten Widerstand gab es seitens der österreichischen Kicker offenbar nicht.
"Kampf um die Deutsche Fußballmeisterschaft im Olympiastadion, die Gegner sind Schalke, Westfalen und Rapid Wien."
So erklang es in einen Radiobericht vor 80 Jahren. Seit die Nationalsozialisten 1938 in Österreich einmarschiert waren und den Anschluss der Alpenrepublik ans Deutsche Reich vollzogen hatten, spielten auch vormals österreichische Mannschaften mit um die Deutsche Fußball-Meisterschaft.
Wie selbstverständlich stehen sich im Berliner Olympiastadion am Nachmittag des 22. Juni 1941, mitten im Krieg, Schalke 04 und der Sportklub Rapid Wien gegenüber. Obwohl seit dem frühen Morgen Hitlers Angriff auf die Sowjetunion rollt.

Das Leben sollte einfach weitergehen

Das Stadion ist ausverkauft, 90.000 Fußballfans sind gekommen. Drei Reichsmark und drei Groschen kostet ein Sitzplatz. Auf der Ehrentribüne haben Gauleiter Baldur von Schirach, der als Reichsstatthalter in der Wiener Hofburg residiert, Platz genommen und Reichssportführer Hans von Tschammer und Osten. Ihm zu Ehren ist bis 1943 der DFB-Pokal Wettbewerb benannt. Auf dem Programmblatt steht in Großbuchstaben zu lesen: "Meisterschaft wie im Frieden".
"Also ich glaub, die Funktion war zu sagen, selbst bei Kriegswirren, selbst bei allen möglichen Umständen: 'Das Leben geht weiter.' Und ich glaube, dass das die wesentliche Funktion vom Sport auch war."
Das sagt der österreichische Politologe und Herausgeber des Fußballmagazins "ballesterer" Jakob Rosenberg. Er war maßgeblich am Forschungsprojekt über Rapid Wien zur "braunen" Zeit beteiligt. Die Ergebnisse sind im Buch "Grün-Weiß unterm Hakenkreuz. Der Sportklub Rapid im Nationalsozialismus" veröffentlicht.

Ein Wiener Verein wird Deutscher Meister

Im Duell der beiden Arbeitervereine ist der fünffache Deutsche Meister klarer Favorit. Das Team aus Gelsenkirchen war für den sogenannten Schalker Kreisel berühmt.
Der bekannte damalige Spieler Ernst Kuzorra erklärte das technisch versierte Kurzpass-Spiel mit viel Ballbesitz später so: "Das war unser Spiel und das nannte man dann Kreisel, weil wir den Ball laufen ließen und die anderen mussten hinterherlaufen."
"Scheiberlspiel" hatten das die Österreicher in den 20er und 30er Jahren genannt. Sie waren damit im Club-Fußball und mit der Nationalelf, dem sogenannten "Wunderteam", in Europas Spitze vorgedrungen. 1941 kann man davon aber bei Rapid Wien kaum mehr etwas erkennen. So bestimmen die Schalker von Anfang an das Finale.
Aus der Reportage von damals: "3:0 für Schalke - der Kampf scheint bereits entschieden. Da stürmen die Wiener los, gleichen aus und gewinnen schließlich mit 4:3 Toren die zweite Deutsche Kriegsfußballmeisterschaft."
Innerhalb von gut zehn Minuten dreht Rapid das Spiel und wird zum ersten und einzigen Mal Deutscher Meister. Der dreifache Wiener Torschütze Franz "Bimbo" Binder muss anschließend an die Front. Viele interpretieren das als Bestrafung für den Sieg über Schalke.

Widerständige österreichischen Mannschaften? Legende!

Die Spiele zwischen deutschen und ehemals österreichischen Vereinen führen damals immer wieder zur Legendenbildung: Hier die vom Nationalsozialismus bevorzugten deutschen Teams, da die aufmüpfigen, widerständigen österreichischen Mannschaften. Davon aber könne keine Rede sein, sagt Politikwissenschaftler und Fußballhistoriker Jakob Rosenberg. Seit der Eingliederung 1938 habe es gar keinen "österreichischen" Klub mehr gegeben. Auch Rapid Wien sei eine großdeutsche Mannschaft gewesen.
"Ich glaub, man muss da aufpassen, auch bei der Einordnung, weil: Es hat keinen nennenswerten Widerstand gegen den Nationalsozialismus aus dem Sport oder wo auch immer gegeben", stellt Rosenberg klar. "Österreich war mitverantwortlich für den Nationalsozialismus, und ich glaube, wenn man diese Differenzierung aufmacht und sagt, eigentlich waren das ja eh Österreicher, die da gespielt haben, dann leistet man diesem Opfermythos oder dieser Opfererzählung ein bisschen Vorschub."

Vom Spielfeld an die Front

Und was die Fronteinsätze von Fußballern nach dem Meisterschaftsfinale 1941 anbelangt, davon seien alle Vereine im Reich betroffen gewesen, betont der Fußballhistoriker:
"Wir haben keinen Hinweis darauf gefunden, dass das irgendwas mit dem Spiel zu tun hat, sondern das lag einfach an der Kriegssituation. Es gab auch andere Vereine, zum Beispiel der FC Schalke 04 oder auch der Dresdener SC, glaube ich, wo zum selben Zeitpunkt Spieler an die Front beordert worden sind, die davor Fußball spielen konnten. Also an diesen Mythen ist nix dran."
Viele Fußballer mussten im Krieg ihr Leben lassen, auch aus den Reihen von Rapid Wien und Schalke 04 – vor allem in der Sowjetunion, deren Überfall die Nationalsozialisten mit dem sogenannten "Unternehmen Barbarossa" an dem Tag begannen, als in Berlin das Finale um die Deutsche Fußballmeisterschaft stattfand, am 22. Juni 1941.
(*) Redaktioneller Hinweis: Wir haben die Bildunterschrift korrigiert, die in der ersten Version einen sachlichen Fehler enthielt.
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