Zwischen Heiklem und Heiterkeit

Von Carsten Probst |
Das Humboldt-Forum im Berlin soll ein Ort des Dialogs der Kulturen der Welt werden. Wie unterschiedliche Kulturen und Herkünfte den Alltag prägen und diese Erfahrungen für das Humboldt-Forum genutzt werden können, war Thema der Veranstaltung "Blickwechsel" mit Alfred Biolek in Berlin.
Die Suche nach einem praktischen Nutzen für das geplante Berliner Humboldt-Forum schreitet voran. Nach mannigfachen Expertenrunden und nach Eröffnung einer Ausstellung, die das immer noch wolkige Konzept dieses künftigen Universalmuseums vorstellen soll, hat man nun die Integrationspolitik für sich entdeckt.

"Was für Arten von Gesprächen können im Humboldt-Forum stattfinden?", fragt sich zum Beispiel Hermann Parzinger, Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, die mit ihren ethnologischen Sammlungen das Humboldt-Forum einmal größtenteils bespielen soll, und er ist sich gewiss: "Ich glaube, auf diesem Weg ist diese Veranstaltung heute eine ganz wichtige ...".

Sorgsam wurden dafür vier Gesprächspartner ausgewählt, Menschen mit klassischem Migrationshintergrund, mit globalisierten Patchworkbiografien, die mal mehr oder weniger tragisch verlaufen sind. Sie sollen dem engagierten Berliner Bürgertum als unterhaltsame Lebensgeschichten serviert werden, die zugleich den ernsten Hintergrund erkennen lassen. Wie potenziell heikel solche Veranstaltungen, in denen Migranten die Hauptrollen spielen, gleichwohl und trotz aller Gutwilligkeit des Publikums sind, erkennt man daran, dass darauf geachtet wurde, dass alle vier Gäste des Deutschen mächtig sind und, wie sich später herausstellt, auch ein überaus positives Bild von Deutschland haben, das sie unisono als ihr Zuhause bezeichnen.

Man erkennt diese Heikelkeit auch daran, dass man als Gesprächsleiter den Altmeister der konsensualen Gesprächsführung, Alfred Biolek, engagiert hat, der, wie es an diesem Abend mehrfach heißt, dafür prädestiniert sei. Biolek besitzt nämlich die Gabe, als Fragender im Vordergrund zu bleiben und allen das Gefühl zu geben, eigentlich sei es seine Show.

"Ich werde im Sinne einer Recherche das Leben (...) unserer Gäste Ihnen so nahezubringen, dass es für Sie leicht sein wird, herauszufinden, warum wir sie eingeladen haben und was sie mit dem Gedanken des Humboldt-Forums zu tun haben, aber (...) diese Schlussfolgerung überlasse ich Ihnen, denn vielleicht wäre meine eine andere, und dann käme es zu Konflikten. Die wollen wir vermeiden."

So geht es an diesem Abend um alles Mögliche, um Heiratsabsichten und Beischlafgeschichten, um Tanz in Nigeria und die Schönheit der mongolischen Steppe, aber nur nicht schon wieder um das leidige Humboldt-Forum. Das genießt in diesem gut gefüllten Saal jeder. Biolek schmeißt die Show mit bekannter menschlicher Nicht-Perfektion und bringt sie alle zum Lachen, auch wenn es eigentlich gar nicht lustig ist, etwa bei der jungen Ethnologin aus dem vom Bürgerkrieg zerrütteten Guatemala; und das hört sich dann etwa so an:

Biolek: "Ist man als zur europäischen Gruppe gehörig, ist man da bereit, sich auch zu verbinden mit den Indigenen?"
Escobar: "Nein, in Guatemala gibt es ein großes Problem gerade in dem Punkt, dass es eine große Diskriminierung gibt (...)"
Biolek: "Das ist schade. Denn das sind Dinge, das ist ja eine von den Sachen, auf die wir eigentlich gerne hinzielen, damit sich ( ... ) auch innerhalb eines Volkes Stämme und Herkunftsgruppen, dass die aufeinander zugehen. Aber ist nicht so einfach. Was ist Ihre Mischung?"
Escobar: "Deutsche, Spanier und Italiener, und ich glaube, auch Araber."
Biolek: "Oh! Also kann man sagen, sind Sie ja also sozusagen ein ( ... ) multikulturelles ... Erzeugnis! ... . Empfinden Sie das als spannend, als bereichernd?"
Escobar: "Ich glaube, ich empfinde das als natürlich."

Schlafwandlerisch geübt manövriert Biolek diese Gespräche mitunter haarscharf am Trashigen vorbei, aber auch das vermag am Ende der Sache zu dienen. Warum soll es bei dem ganzen hochheiligen Thema des Berliner Schlossneubaus und des Humboldt-Forums nicht auch ein bisschen lustig zugehen? Humor ist schließlich, wenn man trotzdem lacht. Und wenn so die künftigen Gespräche im Humboldt-Forum sein werden wie das, was der türkischstämmigen Schriftstellerin Emine Sevgi Özdamar, der Einzigen, die an diesem Abend Biolek in Sachen Mutterwitz Paroli bieten kann, zum Unterschied zwischen Türken und Deutschen einfällt, braucht man sich um den Zulauf für das Museum dereinst keine Gedanken zu machen:

"Männer, die ihren Frauen Taschen trugen. ( ... ) Oder dass die Männer nicht so viel zwischen den Beinen kratzen wie türkische Männer auf den türkischen Straßen ... - Biolek: "Na, das kenn ich aus den alten Zeiten in der Türkei, ja."