Zwischen Kostüm und Katakombe

Von Paul Stänner · 07.03.2011
Christoph Kuckelkorn ist selbst für die Ausnahmejecken im Kölner Karneval eine außergewöhnliche Erscheinung: Er ist Bestatter und Leiter des Karnevalszuges am heutigen Rosenmontag.
"Meine Aufgabe ist es, den Kölner Rosenmontagszug hier ideell und auch organisatorisch an den Start zu bringen, das heißt, ich bin zuständig für das Thema des Zuges, für die Auswahl der Persiflagen und aber auch für den organisatorischen Ablauf."

Christoph Kuckelkorn ist Bestattungsunternehmer und Thanatopraktiker, also jemand, der Verstorbene so einbalsamiert und herrichtet, dass sie auch im Tode ihr natürliches Aussehen zurückerhalten …

"… und darüber hinaus noch im Karneval sehr aktiv."

Thanatopraktiker und Bestatter – Christoph Kuckelkorn leitet das Familienunternehmen in der fünften Generation. Schon zu den Tagen des Großvaters gab es das geflügelte Wort: "Und so entgehst du Gottes Zorn – in einem Sarg von Kuckelkorn".

"Sowohl bei einer Bestattung, also auch beim jetzt speziell Rosenmontag kommt es darauf an, dass eine absolut perfekte logistische Planung im Hintergrund läuft. das heißt, bei einer Bestattung kann ich mir nicht erlauben, den Angehörigen zu sagen, der Redner hat nicht gut gesprochen, die Blumen waren nicht schön und irgendwas hat nicht gut funktioniert, machen wir morgen noch mal, das muss bei ersten Anlauf klappen, das ist immer live und so ist es im Rosenmontagszug auch."

Christoph Kuckelkorn, 46 Jahre alt, trägt nach hinten gekämmte, kragenlange Haare, ausgeprägte Koteletten und einen Bart um Mund und Kinn. In einer konservativen Fernsehshow könnte er als Moderator auftreten. Einer seiner bedeutendsten Aufträge war die Beerdigung des Volksschauspielers Willy Millowitsch unter den Augen des gesamten Rheinlands.

"Ganz plastisch ist es so, wenn wir einen Staatsakt als Beerdigung ausrichten und im Dom ist der Sarg und davor steht der Leichenwagen und die Träger kommen raus, dann steht in der Parallelstraße ein zweiter Leichenwagen, einfach, falls der eine nicht anspringt oder einen Unfall hat, um direkt einzuspringen. Und genau so ist es im Rosenmontagszug: Fällt ein Traktor aus, ist ein Reservetraktor direkt zur Stelle und das zeigt, wie ähnlich diese Planungen sind, die müssen ganz minutiös sein."

5000 Jobs hängen in Köln von der Karnevalsindustrie ab, was eine ungefähre Vorstellung von der Bedeutung dieses Unternehmens gibt. Allein sieben Mitarbeiter arbeiten das ganze Jahr über für das jecke Vergnügen in Kuckelkorns Karnevalsbüro. Aber das ist nur das Ehrenamt – im wirklichen Leben leitet Kuckelkorn ein Bestattungsunternehmen mit 15 Mitarbeitern und außerdem hat er eine Familie mit Frau und sechs Kindern. Man könnte meinen, Kuckelkorn hätte ein Freizeitproblem.

"Ein Freizeitproblem hab ich nicht, da haben aber meine Frau und ich völlig unterschiedliche Wahrnehmungen, glaub ich. Nein, es ist schon so, dass man sich Freiräume schaffen muss. Der Mensch Christoph Kuckelkorn und die Familie sind für mich ganz wichtig, stehen auch für mich an ganz oberer Stelle, wenngleich es dann in heißen Zeiten wie jetzt im Karneval dazu kommt, dass die Familie hier und da mal zurückstecken muss, aber das machen sie auch gern, weil sie wissen, wie ich für das Thema brenne."

Bereits als Kind spielte Kuckelkorn zwischen den Särgen im Geschäft seines Vaters. Tod war für ihn eine alltägliche Erfahrung, und das erklärt vielleicht, warum er schon mit 18 Jahren wusste, dass er einmal den Familienbetrieb weiterführen würde.

"An meinem Brotberuf fasziniert mich der Umgang mit Menschen in Ausnahmesituationen, das heißt, wenn ich mit Familien zusammensitze, dann verlieren diese Menschen oftmals die Maske, die sie im wirklichen Leben tragen. Man lernt die Menschen hinter ihrer Funktion und hinter ihrer Außendarstellung kennen, das ist sehr sehr wertvoll, das macht unwahrscheinlich viel Spaß, weil man dahinter ganz ganz viel entdecken kann. Genauso ist es dann auch im Karneval, hier politische Themen aufzusuchen und dann auch im Zug zu spielen ist genauso prickelnd. Ja das ist rundum irgendwie klasse!"

Christoph Kuckelkorn ist in zweiter Ehe verheiratet. Seine erste Frau starb vor zehn Jahren bei einem Motorradunfall. Er selbst hat die Verstorbene für die Bestattung vorbereitet, eine große emotionale Herausforderung, die weitreichende Folgen hatte.

"Für mich gab es verschiedene Punkte in meinem Leben, die mir eine neue Ausrichtung haben. Der Tod der ersten Frau war bestimmt einer dieser Punkte. Ich hab erfahren, wie wichtig es ist für Menschen, ja vielleicht diesen letzten Dienst - das heißt, die Verstorbene vorzubereiten, sie einzusargen - auch selber zu tun.

Das finde ich sehr sehr viel ehrlicher und das ist seitdem auch Konzept unseres Unternehmens, dass wir Menschen anleiten ... diese letzten Schritte, das Schminken, das Waschen, das Ankleiden von Verstorbenen, selber zu machen."

Kuckelkorn ist auch Mitarbeiter der Organisation deathcare, die nach Katastrophen wie beispielsweise dem Tsunami in Thailand die Leichen versorgt und zur Überführung in ihre Herkunftsländer vorbereitet. Kuckelkorn scheint sich nur glücklich zu fühlen, wenn er etwas unternehmen und erledigen, wenn er mit Gefühlen und Händen arbeiten kann.

"Ich lebe sehr stark im Heute. Ich erlebe beruflich leider viel zu oft Menschen, die sagen, ja jetzt ist mein Mann gerade in Rente, jetzt steht hier gerade diese Flasche Cognac, die wir Weihnachten trinken wollten, wir wollten anfangen zu reisen und all so Sachen und das sind dann Sachen, die nicht mehr passieren können und deswegen geh ich jeden Abend ins Bett und hab in mir doch so eine gewisse Ruhe und sag, wenn du morgen nicht wach wirst, dann war das bis hier ein Leben und du hast auf nichts verzichtet. Aber ich könnte heute aufhören und damit zufrieden sein und das ist glaube was ganz ganz Großartiges."