Zwischen Ministrantendienst und Chatroom

Von Rainer Brandes |
Immerhin rund ein Fünftel der Dauerteilnehmer beim Katholikentag sind unter 18 Jahre alt. Sie sind in Zeiten steigender Kirchenaustritte besonders wichtig für die Kirche. Beim Katholikentag wird um die jungen Leute geworben, aber auch bei denen geht das Glaubensspektrum auseinander.
Der Mannheimer Jungbusch: Ein jugendliches Szeneviertel etwas abseits der Innenstadt. Vor der Jungbusch-Schule liegt die Jugendmeile des Katholikentages. Zwischen Würstchenbude und improvisiertem Hochseilgarten chillen Jugendliche in regenbogenfarbenen Hängematten, Kinder tollen auf dem angrenzenden Abenteuerspielplatz.

In der Aula hat Robert Flossmann seinen Stand. Er ist Pastoralreferent im Bistum Augsburg. Dort betreut er die Internetplattform "Touch me Gott". Es geht darum, Jugendlichen einen Raum zum Austausch über ihren Glauben bereitzustellen.

"Eine graphisch gestaltete Internetseite, die von der Metapher her aufgebaut ist wie ein Haus mit verschiedenen Räumen, der Praystation eben, wo es die Gebete gibt, den Gospelboden, wo ich die Evangelien nachlesen kann, und wir nennen es die Lounge, wo man zu den geprägten Zeiten - zum Advent und zur Fastenzeit - dann einen Kurs mitmachen kann. Das heißt, da steht 15 Tage lang jeden Tag ein Brief online, mit einem religiösen Impuls, mit einem Bild. Da kann ich mir selber Gedanken zu machen und mir das Ergebnis, meine eigenen Gedanken, als Brief auch per E-Mail zukommen lassen."

Gerade haben sich Lukas und Raphael vor den Computer gesetzt, um die Plattform auszuprobieren. Sie sind beide 12 Jahre alt und Messdiener.

"Also, wir klicken jetzt auf den Klingelknopf und jetzt sind wir in diesem Haus drin."

"Und jetzt öffnet sich hier ein Fenster. Was werdet ihr da gefragt?"

"Willst du ablegen? Und jetzt drück ich grad auf Ja. Jetzt ist da grad eine Jacke, eine Tasche und ein Paar Schuhe an der Garderobe und dann gibt's zwei Türen mit jeweils auch 'nem Knopf."

Nach mehreren Klicks finden die beiden Jungen schließlich die Praystation. Zwischen virtuell flackernden Teelichtern liegt dort ein offenes Gebetbuch bereit.

"Jetzt drück ich auf das Buch und da steht dann 'Gebetbuch: Beten geht ganz einfach. Lass dein Herz sprechen. Wenn du möchtest, dann schreibe dein Gebet hier in das Buch. So können auch andere lesen und es zu ihrem eigenen machen.'"

Da aber sind Lukas und Raphael skeptisch. Sie wollen nicht, dass jedermann ihre persönlichen Gebete lesen kann.

"Weil es könnt' ja sein, dass irgendwer darüber lacht und das wär' ja dann gemein eigentlich."

Auch Robert Flossmann gibt zu, dass der öffentliche Charakter der Plattform einige Jugendliche abschrecken könnte. Lukas und Raphael passen genau in sein Zielpublikum. Denn es geht Robert Flossmann ausdrücklich nicht darum, kirchenferne Jugendliche zu missionieren. Eher ist es eine moderne Form der Ansprache kirchlich engagierter Jugendlicher.

"Die Lebenswelt vieler Jugendlicher ist virtuell geworden. Und da Gott rauszuhalten, wär' meines Erachtens der falsche Weg, sondern genau da muss er vorkommen. Genau da muss jemand da sein, der mitliest, wenn einer sagt, mir geht's heut' nicht gut."

Als einen virtuellen Raum, in dem sie sich mit anderen über ihren Glauben austauschen können, finden auch Lukas und Raphael die Plattform attraktiv.

"Also, ich find, dass das 'ne eigene Seite hat, find' ich schon gut. Weil in Facebook, da können ja welche, die nicht glauben, irgendeinen Scheiß dazu schreiben. Und dann ist das schon gut, dass das 'ne eigene Seite hat."

Ein paar Kilometer weiter, auf der zentralen Kirchenmeile am Rosengarten, werben die Katholischen Studentenverbände um neue Mitglieder. Mit Sonnenbrille, zurückgegelten kurzen, blonden Haaren, rot-kariertem Hemd und Schärpe steht Ludger Breul vor seinem weißen Zelt an einem Klapptisch. Für katholische Werte werben und diese auch leben: Das ist ihm ein zentrales Anliegen.

"Werte wie Nächstenliebe, Toleranz, Respekt gegeneinander. Und diese Werte halten wir hoch. Und insofern bin ich froh, Katholik zu sein, dass mir diese Kraft geschenkt wird, und ich versuche, diesen Glauben dann auch nach außen zu tragen."

Für den 24-jährigen Studenten der Verwaltungswissenschaften bietet die katholische Kirche eine verlässliche Heimat.

"Bindung bedeutet ja auch immer Verlässlichkeit. Ich weiß halt, wenn ich nach Münster komme, dass ich, wenn ich aufs Haus komme, dass dort immer Leute sind, mit denen ich mich unterhalten kann, die gewisse Wertvorstellungen mit mir teilen. Und das ist etwas, das hat man in losen Bindungen vielleicht etwas weniger. Und das ist das, was vielleicht auch den Geist von einer solchen Korporation ausmacht."

Für ihn ist der Katholizismus geprägt von einer weltweit verbindenden Einheit. Deshalb tut er sich schwer mit Rufen nach radikalen Veränderungen, wie der Abschaffung des zwangsweisen Zölibats für Priester oder der Frauenordination. Die Katholischen Studentenverbindungen hätten dazu zwar keine einheitliche Meinung. Trotzdem gibt Ludger Breul zu bedenken:

"Das einzige, was man vielleicht dazu sagen kann, ist, dass man ein bisschen aufpassen muss, dass wir in Deutschland nicht alleine sind auf der Welt in der katholischen Kirche. Das sollten wir vielleicht, wenn wir Forderungen an den Vatikan erheben, immer berücksichtigen, dass der Vatikan für eine Milliarde Katholiken auf der ganzen Welt und nicht nur für uns deutsche Katholiken da ist."

Drei Zelte weiter, beim BDKJ - dem Bund der deutschen katholischen Jugend - steht eine Gruppe Jugendlicher zusammen. Sie kommen aus katholischen Elternhäusern. Der Katholikentag ist für sie ein interessantes Event. Eine besonders enge Beziehung zur Kirche haben sie deshalb aber noch lange nicht. Jannik,16 Jahre alt, beschreibt sein Verhältnis zur Katholischen Kirche so:

"Schwierig. Weil ich glaub an Gott, bin aber nicht so ein Fan von der Kirche. Also, ich find' die eigentlich viel zu streng. Das ist typisch 2000 vor Christus oder so."

Die 16-jährige Carlotta wird da noch deutlicher:

"Also, man sollte schon mit der Zeit gehen. Also, es gibt halt viele Sachen, die ich bemängeln würde oder blödsinnig finde. Dass Frauen halt so kaum Rechte haben, Priesterinnen zu werden, oder so was."


Mehr Informationen zum Deutschen Katholikentag auf dradio.de:

Eine zukunftsfähige katholische Kirche? - 98. Deutscher Katholikentag in Mannheim
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