Zwischen Modemagazinen und Magersucht
Wie in ihrem ersten Jugendroman - in dem es um Kindesmissbrauch ging - hat sich Beate Teresa Hanika erneut ein aktuelles Thema ausgesucht. Die 20-jährige Protagonistin Leni ist Model und hat jetzt schon einen knallharten Blick für die Realität.
Leni ist Model, Anfang 20 und lebt mit zwei Kolleginnen in einer schmuddelig heruntergekommenen WG in Berlin. Mit Jobs auf dekadenten Partys halten die drei sich über Wasser. Sie sind gehetzt von Geldnot, der Angst, bald out zu sein, der immer wieder aufflackernden Hoffnung auf ein glamouröses Leben und die große Liebe.
Doch die Wirklichkeit ist bitter: Alle drei kommen sie aus kleinen Verhältnissen, in die sie nicht zurück wollen. Sie leben ein schäbiges Leben zwischen Contests und Casting-Shows und haben keine Zukunft. Und sie wissen, dass es so ist.
Wie in ihrem packenden ersten Roman, in dem es um Kindesmissbrauch ging, hat sich Beate Teresa Hanika für ein In-Thema entschieden: Models zwischen Modemagazinen und Magersucht.
Nicht mit dem Aufstieg, sondern mit dem Abstieg geht es los. Leni hat schon jede Art von Absage, Enttäuschung und Misserfolg hinter sich und einen knallharten Blick für die Realität. Sie erzählt ihre Geschichte, um wenigstens ihre seelische Haut zu retten und erfindet sich in Levi, dem Bulgaren, ihre wunderbare große Liebe. In dem Alter, in dem junge Frauen normalerweise erwachsen werden, holt sie ihre Kindheitsfantasien nach. Glück gibt es nur in ihrer Einbildung.
Eigentlich ist es eine banale Geschichte, die Beate Teresa Hanika erzählt, bekannt aus Film, Funk und Fernsehen. Doch die Autorin bürstet sie gegen den Strich und bricht sie sehr gekonnt auf, indem sie sie in viele kleine Einzelszenen zerlegt.
Verschiedene Zeitebenen – Lenis Jugend auf dem Bauernhof, ihre Modelkarriere, ein Partyabend – legen sich übereinander, viele Erzählfäden sind nur locker verknotet. Es ist, als wehre sich der spröde angelegte Text gegen die vordergründige Schönheit und Glätte der Modelwelt.
"Man muss lernen, sein wahres Ich gut zu verstecken." Das mag ein guter Rat sein für ein Model, allerdings nicht für eine Erzählerin. So bleiben Lenis Gefühle und Beobachtungen allerdings bisweilen auf Illustrierten-Niveau und ihre Sprache ist eher unindividuell und klischeehaft.
Ihre Figuren – die schweigenden Eltern, der Großvater und vor allem Levi – wirken eindimensional. Leni denkt zu viel und erzählt zu wenig, gleitet ab und zu ins Pathos ab und bedient sich verräterischer Bilder. "Ihr Zauber verpufft, und statt Sternenstaub rieselt kalte Asche vor meine Füße."
Der Roman erscheint in der neuen FJB–Reihe für "Leser fast jeden Alters". Vielleicht ist ja die missliche Crossover- bzw. All-Age-Idee auch ein wenig Schuld daran, dass die begabte Autorin Beate Teresa Hanika mit ihrem zweiten Roman hinter den ersten zurückfällt.
Denn wer vielen gefallen will, muss vieles bieten und verzettelt sich entsprechend leicht. Die schmerzhafte Lakonie von "Rotkäppchen muss weinen" ist einer Sprache gewichen, die zeitweilig so schön ist wie die "weiße, makellose Haut" von Hanna, Lenis Freundin. Ein unterhaltsamer und interessanter Sommer-Urlaubs-Schmöker ist "Erzähl mir von der Liebe" trotzdem – oder gerade deswegen.
Besprochen von Sylvia Schwab
Beate Teresa Hanika: Erzähl mir von der Liebe
Fischer, Frankfurt 2010
160 Seiten, 14, 95 Euro, ohne Altersbeschränkung
Doch die Wirklichkeit ist bitter: Alle drei kommen sie aus kleinen Verhältnissen, in die sie nicht zurück wollen. Sie leben ein schäbiges Leben zwischen Contests und Casting-Shows und haben keine Zukunft. Und sie wissen, dass es so ist.
Wie in ihrem packenden ersten Roman, in dem es um Kindesmissbrauch ging, hat sich Beate Teresa Hanika für ein In-Thema entschieden: Models zwischen Modemagazinen und Magersucht.
Nicht mit dem Aufstieg, sondern mit dem Abstieg geht es los. Leni hat schon jede Art von Absage, Enttäuschung und Misserfolg hinter sich und einen knallharten Blick für die Realität. Sie erzählt ihre Geschichte, um wenigstens ihre seelische Haut zu retten und erfindet sich in Levi, dem Bulgaren, ihre wunderbare große Liebe. In dem Alter, in dem junge Frauen normalerweise erwachsen werden, holt sie ihre Kindheitsfantasien nach. Glück gibt es nur in ihrer Einbildung.
Eigentlich ist es eine banale Geschichte, die Beate Teresa Hanika erzählt, bekannt aus Film, Funk und Fernsehen. Doch die Autorin bürstet sie gegen den Strich und bricht sie sehr gekonnt auf, indem sie sie in viele kleine Einzelszenen zerlegt.
Verschiedene Zeitebenen – Lenis Jugend auf dem Bauernhof, ihre Modelkarriere, ein Partyabend – legen sich übereinander, viele Erzählfäden sind nur locker verknotet. Es ist, als wehre sich der spröde angelegte Text gegen die vordergründige Schönheit und Glätte der Modelwelt.
"Man muss lernen, sein wahres Ich gut zu verstecken." Das mag ein guter Rat sein für ein Model, allerdings nicht für eine Erzählerin. So bleiben Lenis Gefühle und Beobachtungen allerdings bisweilen auf Illustrierten-Niveau und ihre Sprache ist eher unindividuell und klischeehaft.
Ihre Figuren – die schweigenden Eltern, der Großvater und vor allem Levi – wirken eindimensional. Leni denkt zu viel und erzählt zu wenig, gleitet ab und zu ins Pathos ab und bedient sich verräterischer Bilder. "Ihr Zauber verpufft, und statt Sternenstaub rieselt kalte Asche vor meine Füße."
Der Roman erscheint in der neuen FJB–Reihe für "Leser fast jeden Alters". Vielleicht ist ja die missliche Crossover- bzw. All-Age-Idee auch ein wenig Schuld daran, dass die begabte Autorin Beate Teresa Hanika mit ihrem zweiten Roman hinter den ersten zurückfällt.
Denn wer vielen gefallen will, muss vieles bieten und verzettelt sich entsprechend leicht. Die schmerzhafte Lakonie von "Rotkäppchen muss weinen" ist einer Sprache gewichen, die zeitweilig so schön ist wie die "weiße, makellose Haut" von Hanna, Lenis Freundin. Ein unterhaltsamer und interessanter Sommer-Urlaubs-Schmöker ist "Erzähl mir von der Liebe" trotzdem – oder gerade deswegen.
Besprochen von Sylvia Schwab
Beate Teresa Hanika: Erzähl mir von der Liebe
Fischer, Frankfurt 2010
160 Seiten, 14, 95 Euro, ohne Altersbeschränkung