Zwischen Mut und Opportunismus
Das Frankfurter Städel-Museum bemüht sich seit einigen Jahren um die Aufarbeitung seiner ambivalenten NS-Vergangenheit. Die Ergebnisse dieses Prozesses können Kunstfreunde nun in einer exzellenten Studie nachlesen.
Bei der Aufarbeitung seiner Geschichte während der Zeit des Nationalsozialismus leistet das Frankfurter Städel Museum schon seit Jahren Pionierarbeit. 2002 richtete es ein Projekt zur Provenienzforschung ein, und 2008 ging die Direktion unter Max Hollein noch einen Schritt weiter: Nicht nur die Herkunft einzelner Bilder sollte geklärt, sondern auch die Rolle des Museums innerhalb der nationalsozialistischen Kulturpolitik untersucht und die Handlungsstrategien seiner Direktoren transparent gemacht werden. Die Ergebnisse dieser gemeinsam mit einem externen Team der Forschungsstelle "Entartete Kunst" um den Kunsthistoriker Uwe Fleckner geleisteten Aufarbeitung liegen nun als Buch vor.
"Museum im Widerspruch" ist nicht nur eine exzellente Forschungsarbeit, sondern auch eine eindrückliche, über weite Strecken spannend zu lesende Geschichte der ambivalenten Rolle, die das Städel Museum während des Dritten Reichs gespielt hat. Darin kommen Mut, Kraft zum Widerstand und Zivilcourage ebenso vor wie Opportunismus, moralische Inkompetenz und – in Maßen – auch Zusammenarbeit mit dem Regime.
Noch viele Jahre nach 1945 sah sich das Museum allein in der Opferrolle: Der Gründungsdirektor der Städtischen Galerie, Georg Swarzenski, der die französischen Impressionisten ebenso sammelte wie die deutschen Expressionisten, wurde wegen seiner jüdischen Herkunft 1933 "in den Ruhestand versetzt". Und die folgenden Säuberungsaktionen der Nazis – Stichwort "Entartete Kunst"– nahmen den Frankfurter Museen 680 Kunstwerke, verstümmelten die Sammlung und machten das Museums- und Sammlungskonzept für immer zunichte.
Aber, so zeigen die Forscher in ihren insgesamt sechs Aufsätzen, das Museum handelte auch als Täter – und das war in dieser Dimension bisher nicht bekannt. So standen die beiden Swarzenski nachfolgenden Direktoren Alfred Wolters und Ernst Holzinger dem NS-Regime als Sachverständige zur Verfügung, wenn es um die Beurteilung von Kunstwerken aus jüdischen Sammlungen ging. Sie schreckten nicht davor zurück, aus der Verfolgung und Enteignung jüdischer Sammler Profit für ihr Museum zu schlagen. Vielmehr bemühte man sich in Frankfurt sehr um die Sammlungen Nathan und Rothschild und konnte daran auch nach 1945 nichts Verwerfliches entdecken.
Diesem Handeln, das die Bedeutung der eigenen Sammlung über das Schicksal der jüdischen Sammler stellte und das vollkommen frei von jeglichem Unrechtsbewusstsein blieb, steht andererseits couragiertes Eintreten für die eigene Überzeugung gegenüber und der nicht ungefährliche Einsatz für "entartete" Kunst. So versteckte eben jener Wolters, der Martha Nathan großen Schaden zufügt hatte, die Sammlung Jakob Nussbaums in falsch etikettierten Kisten im Museum. Für ihn war das kein Widerspruch. Dem Leser dieser herausragenden Studie bereitet es hingegen genauso Kopfzerbrechen, wie die vielen anderen ambivalenten Handlungsweisen, die hier zu Tage treten. Eine lange überfällige, akribisch recherchierte Forschungsarbeit – die hoffentlich auch andere Museen anregt.
Besprochen von Eva Hepper
Uwe Fleckner / Max Hollein: Museum im Widerspruch. Das Städel und der Nationalsozialismus
Akademie Verlag, Berlin 2011
370 Seiten, 49,80 Euro
"Museum im Widerspruch" ist nicht nur eine exzellente Forschungsarbeit, sondern auch eine eindrückliche, über weite Strecken spannend zu lesende Geschichte der ambivalenten Rolle, die das Städel Museum während des Dritten Reichs gespielt hat. Darin kommen Mut, Kraft zum Widerstand und Zivilcourage ebenso vor wie Opportunismus, moralische Inkompetenz und – in Maßen – auch Zusammenarbeit mit dem Regime.
Noch viele Jahre nach 1945 sah sich das Museum allein in der Opferrolle: Der Gründungsdirektor der Städtischen Galerie, Georg Swarzenski, der die französischen Impressionisten ebenso sammelte wie die deutschen Expressionisten, wurde wegen seiner jüdischen Herkunft 1933 "in den Ruhestand versetzt". Und die folgenden Säuberungsaktionen der Nazis – Stichwort "Entartete Kunst"– nahmen den Frankfurter Museen 680 Kunstwerke, verstümmelten die Sammlung und machten das Museums- und Sammlungskonzept für immer zunichte.
Aber, so zeigen die Forscher in ihren insgesamt sechs Aufsätzen, das Museum handelte auch als Täter – und das war in dieser Dimension bisher nicht bekannt. So standen die beiden Swarzenski nachfolgenden Direktoren Alfred Wolters und Ernst Holzinger dem NS-Regime als Sachverständige zur Verfügung, wenn es um die Beurteilung von Kunstwerken aus jüdischen Sammlungen ging. Sie schreckten nicht davor zurück, aus der Verfolgung und Enteignung jüdischer Sammler Profit für ihr Museum zu schlagen. Vielmehr bemühte man sich in Frankfurt sehr um die Sammlungen Nathan und Rothschild und konnte daran auch nach 1945 nichts Verwerfliches entdecken.
Diesem Handeln, das die Bedeutung der eigenen Sammlung über das Schicksal der jüdischen Sammler stellte und das vollkommen frei von jeglichem Unrechtsbewusstsein blieb, steht andererseits couragiertes Eintreten für die eigene Überzeugung gegenüber und der nicht ungefährliche Einsatz für "entartete" Kunst. So versteckte eben jener Wolters, der Martha Nathan großen Schaden zufügt hatte, die Sammlung Jakob Nussbaums in falsch etikettierten Kisten im Museum. Für ihn war das kein Widerspruch. Dem Leser dieser herausragenden Studie bereitet es hingegen genauso Kopfzerbrechen, wie die vielen anderen ambivalenten Handlungsweisen, die hier zu Tage treten. Eine lange überfällige, akribisch recherchierte Forschungsarbeit – die hoffentlich auch andere Museen anregt.
Besprochen von Eva Hepper
Uwe Fleckner / Max Hollein: Museum im Widerspruch. Das Städel und der Nationalsozialismus
Akademie Verlag, Berlin 2011
370 Seiten, 49,80 Euro