Zwischen Okzident und Orient

Von Dorlies Landwehr |
Sich in die demokratische Gesellschaft integrieren, gleichzeitig aber die islamische Identität wahren, dies zu fördern, ist Ziel des Zentrums für Islam in Europa, das 2008 in München entstehen soll. Vorarbeit leistet jetzt schon die in der Nähe von München gelegene Gemeinde Penzberg. Dort haben sich 600 Muslime aus elf Ländern zusammengefunden, um ihr Konzept einer offenen islamischen Gemeinde zu leben.
"”Der Gebetsaufruf hier im islamischen Forum ist fünfmal am Tag, so viele Male, wie eben Muslime verpflichtet sind zu beten. Wir sehen jetzt Herrn Imam Idriz und die Gemeinde hier im islamischen Forum, in der Moschee Richtung Kaaba gewandt mit dem Gesicht der Gebetsrichtung von uns Muslimen. Wir sehen hier mitten im Raum platziert eine goldgefärbte Gebetsnische, die filigran ausgearbeitet ist, und dieses Filigrane gibt den Vers 2/144 aus dem Koran wieder, das heißt, wir finden hier eine Schrift initiiert, die uns besagt, dass, wo immer sich Muslime auf der Erde befinden, sie während des Gebetes ihren Körper Richtung Kaaba wenden sollen.""

So beschreibt Gönül Yerli die Architektur ”ihrer Moschee”. Die Religionspädagogin ist stellvertretende Direktorin der islamischen Gemeinde Penzberg. Zwei Jahre ist das Gebäude jetzt alt und verbindet Orient und Okzident: Große Glasflächen sind in einem schimmernden Blau gehalten, der offene Gebetsraum und das filgrane Minarett sollen Transparenz und Offenheit nach außen wiederspiegeln, aber auch die islamische Identität wahren.

Hier können Männer und Frauen gemeinsam beten. So stellen sich auch der geistliche und der weltliche Führer eine moderne muslimische Gemeinde vor. Imam Benjamin Idriz und Beyram Yerli:

"”Die Religion und der Glaube spielen eine große Rolle im Herzen der Menschen,
und deswegen versuchen wir, uns mit der Religiösität, mit dem Islam hier in dieser Gesellschaft zu integrieren. Also, was Islam uns lehrt, wie kann man sich hier in dieser Gesellschaft zu integrieren und diese Kultur hier zu akzeptieren.""

"”Manche verstehen unter Integration zum Beispiel, dass man so ziemlich alles ablegt, womit man gekommen ist, und das verstehen wir eben nicht so. In einem Integrationsprozess ist ein Geben und Nehmen. Das ist nicht eine Einbahnstraße, sondern sicherlich müssen die, die neu ankommen, mehr geben als die hiesige Gesellschaft, aber man darf man zum Beispiel auch von den Frauen nicht verlangen, dass man die Kopftücher ablegen muss, um integriert zu sein. Wir erwarten da schon einen gewissen Respekt davor.""

Auch drei moderne junge Frauen, alle in farbenfrohe Kopftücher gehüllt, prägen das Gesicht der Gemeinde: Sekir Baldik, Vorsitzende des Frauenbundes, die Sozialarbeiterin Nermina Idriz und Gönül Yerli sind hoch motiviert und fühlen sich durchaus als gleichberechtigt:

"”Ich versuche gerade die Frauen, die normalerweise sich vielmehr mit Haushalt und Kindern beschäftigen, in die islamische Gemeinde zu ziehen. Gerade im Ramadan haben wir sehr viel Aktivitäten gehabt: also Essenkochen für das Fastenbrechen, soziale Einrichtungen werden von uns besucht, wie zum Beispiel die Lebenshilfe oder auch Klöster, Kirchen und so weiter.”"

"”Wir haben uns den Schwerpunkt im Bereich Sprache gesetzt, das heißt, wir haben Sprachförderung für die kleinen Kinder im Rahmen von einer interkulturellen Spielgruppe in Zusammenarbeit mit der katholischen und evangelischen Kirche, Die Leitung ist multikulturell, die Gruppe ist multikulturell. Das ist auf dem ersten Niveau der Sprachförderung, das sich dann soweit ausdehnt, dass wir dann auch Seminare anbieten für unsere Mütter.”"

"Mein Aufgabenschwerpunkt liegt in der Dialog- und Öffentlichkeitsarbeit, das heißt, im interreligiösem Bereich, und dazu gehört es vor allen Dingen, hier in den Moscheeräumlichkeiten Führungen anzubieten und im Anschluss die Menschen dann auch zu einem Gespräch einzuladen. Und für uns gehört zum interreligiösem Dialog, dass man an der Basis anfängt, das heißt, einfach die menschliche Begegnung zunächst einmal, sich als Mensch zu begegnen und in zweiter Linie dann die Religion dazukommt."

Integration - das ist das Zauberwort, das einem ständig in dieser Gemeinde begegnet. Da gibt es viermal die Woche einen "Integrationskurs”, in denen gerade die neu Hinzugekommenen gefördert werden sollen, es gibt ein interkulturelles Frühstück, und die Predigt im Freitagsgebet wird einmal pro Monat auf deutsch gehalten.

Und es gibt veschiedenste Arten des Unterrichts in den großzügigen Seminarräumen: Nachhilfeunterricht in Mathe und Deutsch nicht nur für muslimische Kinder, islamischer Religionsunterricht, der sich mit dem Koran, aber auch mit der Auslegung der islamischen Vorschriften beschäftigt. Erfolgreich lief der "Integrationskurs Deutsch", verpflichtend nach dem neuen Einwanderungsgesetz: 17 Frauen aus unterschiedlichsten Nationen erhielten ihr Zertifikat. Imam Benjamin Idriz ist begeistert von einem Projekt, das im Januar 2008 anläuft unter dem Motto: "Muslimische Jugend, wir mischen mit":

"”Wir wollen die Jugend hier einladen von Salzburg bis Stuttgart und natürlich in Bayern, mit den verschiedensten Themen, ein Bespiel: Bedeutung der Ehe im Islam und Verständnis zwischen den Kulturen, Gewalt und Fanatismus, Ghetto und Parallelgesellschaft, Konfliktmanagement, Umwelt und Klimaschutz sind die globalen Themen. Und darüber wollen wir mit der Jugend diskutieren, das ist nur ein Beispiel, was die muslimische Jugend in Penzberg macht.”"

So global und multikulturell soll es dann auch weitergehen in Penzberg und möglichst auch in einem "Europäischen Zentrum" in München. Demokratisch wollen sie sein und dazugehören, denn nicht nur für Imam Idriz ist Penzberg zu einer neuen Heimat geworden:

"”Deswegen ist unsere Aufgabe, die Imame hier in Deutschland oder in Europa,
überall in der Welt zusammen mit den anderen geistlichen Führern, sei es christlich oder jüdisch, zusammen für den Frieden in der Welt zu arbeiten. Die Bildung ist eine sehr wichtige Sache - wie man kämpfen kann gegen Extremismus und Gewalt aller Art.”"