Zwischen sich und der Welt ein Zeichentisch
Als Illustrator und Cartoonist ist er eine Legende, als Künstler ist er noch zu entdecken. Saul Steinberg (1914-1999) wurde in Rumänien geboren und emigrierte als junger Mann nach New York. Dort wurde er vor allem durch seine Zeichnungen für das Magazin "New Yorker" bekannt. Das Kunsthaus Zürich zeigt über hundert seiner Werke.
Die Welt ist klein und Amerika, besser gesagt New York, ist ihr Herz. Ganz vorne, mitten in Manhattan, liegt breit die 9th Avenue, wimmelnd von Menschen, Autos und Geschäften. Drüben aber, gleich jenseits des Hudson River, schrumpft der Globus auf ein Puppenstuben-Panorama: Kansas eine kleine grüne Wiese, der Pazifik ein schmales blaues Band, und die winzigen Würstchen am Horizont sind Japan, Russland und China.
So hat Saul Steinberg die Welt gesehen, 1976 zierte die liebevoll mit Buntstift gestrichelte Zeichnung die Titelseite der Zeitschrift "The New Yorker". Natürlich ist das legendäre Blatt in Zürich zu sehen, wenn auch leider nicht im Original, und Sheila Schwartz von der New Yorker Steinberg Foundation überrascht uns mit der Nachricht, dass Steinberg der Erfolg, den er damit hatte, gar nicht gefiel:
" Er bereute, dass er dem "New Yorker” erlaubt hatte, ein Plakat daraus zu machen, das rund 25 000 Mal verkauft wurde. Es hat ihn sehr geärgert, wie andere Zeichner das für andere Städte übernommen haben. In den 80er Jahren hat er einen dieser Fälle sogar gerichtlich verfolgt und den Urheberstreit dann auch gewonnen. Vor allem störte ihn, dass es ihn nur als Plakatkünstler bekannt gemacht hat. Dabei war das eigentlich kein Plakat, sondern eine größere Zeichnung. Das ging auf Kosten seiner Kunst. Es wurde zu einer Ikone, die aber überhaupt nicht repräsentativ für ihn ist. "
Zürich zeigt Steinberg als Zeichenkünstler, nicht als Humoristen oder Cartoonisten, und schon gar nicht als Witzezeichner. In Italien hatte der gebürtige Rumäne Architektur studiert, und die Promotionsurkunde, die er im Gepäck hatte, als er 1942 auf der Flucht vor den Nazis in die USA kam, bescheinigte ihrem Inhaber neben der Doktorwürde auch, dass er "hebräischer Rasse" sei. Kein Wunder, dass Steinberg später solche Papiere mit dem ihm eigenen Sarkasmus immer wieder parodiert: kunstvoll fingierte Dokumente, Urkunden mit pompös verschnörkelten Unterschriften, Tintenklecksen und Phantasie-Stempeln bis hin zum wolkig gefleckten Pergament – alles täuschend echt gezeichnet und gemalt.
Steinberg hat sein Leben lang die halbe Welt bereist, so als wäre er ständig auf der Flucht. Doch zwischen sich und der Welt lag sein Zeichentisch, und auch den hat er immer wieder thematisiert: seine Geräte, Stifte, Federn und Pinsel, seine Radiergummis und Lineale, gezeichnet, geschnitzt, gebastelt, eincollagiert.
Auf weiten Strecken handelt Steinbergs Werk vom Zeichnen selbst, von seiner künstlerischen Zwitterexistenz, von der forcierten Unbeholfenheit seines Strichs, die sein Stilmittel wurde. Dass er sich dabei immer wieder mit der so genannten seriösen Kunst auseinandersetzt und oft so tut, als ob er zeichnend das Zeichnen selbst parodiere, ist sein Thema und vermutlich auch sein persönliches Trauma, glaubt Ausstellungskurator Tobia Bezzola:
" Sicher ist bestimmt immer ein Moment bei Steinberg, dass er auch so der gescheiterte Künstler war oder derjenige, der sich nicht getraut hat, der dann eben Zeichnungen machte für Magazine. Also eine solche Spannung ist immer da. Aber ich denke, er hat das sehr fruchtbar zu machen gewusst. "
Seine Hassliebe aber galt Amerika, seinen Menschen und Gebräuchen. In New York, am Union Square, hatte er sein Atelier, drei Stockwerke über der "Factory" von Andy Warhol. Hier brütet Steinberg seine urbanen Albträume des amerikanischen Alltags aus, kreuz und quer durchs Land reisend wird er zum spöttischen Chronisten der Neuen Welt und gewissermaßen zum Entdecker Amerikas.
Sheila Schwartz: " Man könnte sagen, er hat sein eigenes Amerika entdeckt. Oder, indem er Amerika vom Standpunkt eines Immigranten gezeigt hat, hat er Amerika für uns entdeckt. "
Amerika war für Steinberg wie ein weißes Blatt Papier, das nur darauf wartete, von ihm vollgezeichnet zu werden. Immer reizen ihn Maskeraden, Paradoxien, Kostümierungen und Verwandlungen. Die bizarren Art-Déco-Fassaden in Miami, die lächerlichen Asphalt-Cowboys in den Cities, Frauen mit dicken Schenkeln und grotesk aufgetürmten Frisuren.
Schriftzüge und Buchstaben verwandeln sich bei Steinberg in bizarre Bauwerke, typografische Wucherungen werden zu Figuren, sein formaler Erfindungsreichtum kennt keine Grenzen: 1949 zeichnet er eine nackte Frau in eine leere Badewanne, lässt das Wasser einlaufen und macht ein Foto davon. Ein Klassiker.
Es gibt kaum ein Thema, das Steinberg, der kritzelnde Grübler, ausgelassen hat, mit einer Ausnahme:
Tobia Bezzola: " Was er ausgelassen hat, ist seine eigene Geschichte, der Holocaust. Das ist das Thema, das er nie irgendwie mit künstlerischen Mitteln angegangen ist. "
Leute, die ihn kannten, schildern den Zeichner als schwierigen Eigenbrötler und komischen Kauz. Doch vermutlich kann man nur mit einem solchen Naturell Steinbergs typischen Humor entwickeln und jene Bitterkeit, die sein Werk noch stets vor billigem Witz gerettet hat.
Service:
Die Ausstellung "Saul Steinberg – Illuminations" ist bis zum 2. November 2008 im Kunsthaus Zürich zu sehen, vom 13. März bis zum 1. Juni 2009 auch im Ham-burger Museum für Kunst und Gewerbe.
So hat Saul Steinberg die Welt gesehen, 1976 zierte die liebevoll mit Buntstift gestrichelte Zeichnung die Titelseite der Zeitschrift "The New Yorker". Natürlich ist das legendäre Blatt in Zürich zu sehen, wenn auch leider nicht im Original, und Sheila Schwartz von der New Yorker Steinberg Foundation überrascht uns mit der Nachricht, dass Steinberg der Erfolg, den er damit hatte, gar nicht gefiel:
" Er bereute, dass er dem "New Yorker” erlaubt hatte, ein Plakat daraus zu machen, das rund 25 000 Mal verkauft wurde. Es hat ihn sehr geärgert, wie andere Zeichner das für andere Städte übernommen haben. In den 80er Jahren hat er einen dieser Fälle sogar gerichtlich verfolgt und den Urheberstreit dann auch gewonnen. Vor allem störte ihn, dass es ihn nur als Plakatkünstler bekannt gemacht hat. Dabei war das eigentlich kein Plakat, sondern eine größere Zeichnung. Das ging auf Kosten seiner Kunst. Es wurde zu einer Ikone, die aber überhaupt nicht repräsentativ für ihn ist. "
Zürich zeigt Steinberg als Zeichenkünstler, nicht als Humoristen oder Cartoonisten, und schon gar nicht als Witzezeichner. In Italien hatte der gebürtige Rumäne Architektur studiert, und die Promotionsurkunde, die er im Gepäck hatte, als er 1942 auf der Flucht vor den Nazis in die USA kam, bescheinigte ihrem Inhaber neben der Doktorwürde auch, dass er "hebräischer Rasse" sei. Kein Wunder, dass Steinberg später solche Papiere mit dem ihm eigenen Sarkasmus immer wieder parodiert: kunstvoll fingierte Dokumente, Urkunden mit pompös verschnörkelten Unterschriften, Tintenklecksen und Phantasie-Stempeln bis hin zum wolkig gefleckten Pergament – alles täuschend echt gezeichnet und gemalt.
Steinberg hat sein Leben lang die halbe Welt bereist, so als wäre er ständig auf der Flucht. Doch zwischen sich und der Welt lag sein Zeichentisch, und auch den hat er immer wieder thematisiert: seine Geräte, Stifte, Federn und Pinsel, seine Radiergummis und Lineale, gezeichnet, geschnitzt, gebastelt, eincollagiert.
Auf weiten Strecken handelt Steinbergs Werk vom Zeichnen selbst, von seiner künstlerischen Zwitterexistenz, von der forcierten Unbeholfenheit seines Strichs, die sein Stilmittel wurde. Dass er sich dabei immer wieder mit der so genannten seriösen Kunst auseinandersetzt und oft so tut, als ob er zeichnend das Zeichnen selbst parodiere, ist sein Thema und vermutlich auch sein persönliches Trauma, glaubt Ausstellungskurator Tobia Bezzola:
" Sicher ist bestimmt immer ein Moment bei Steinberg, dass er auch so der gescheiterte Künstler war oder derjenige, der sich nicht getraut hat, der dann eben Zeichnungen machte für Magazine. Also eine solche Spannung ist immer da. Aber ich denke, er hat das sehr fruchtbar zu machen gewusst. "
Seine Hassliebe aber galt Amerika, seinen Menschen und Gebräuchen. In New York, am Union Square, hatte er sein Atelier, drei Stockwerke über der "Factory" von Andy Warhol. Hier brütet Steinberg seine urbanen Albträume des amerikanischen Alltags aus, kreuz und quer durchs Land reisend wird er zum spöttischen Chronisten der Neuen Welt und gewissermaßen zum Entdecker Amerikas.
Sheila Schwartz: " Man könnte sagen, er hat sein eigenes Amerika entdeckt. Oder, indem er Amerika vom Standpunkt eines Immigranten gezeigt hat, hat er Amerika für uns entdeckt. "
Amerika war für Steinberg wie ein weißes Blatt Papier, das nur darauf wartete, von ihm vollgezeichnet zu werden. Immer reizen ihn Maskeraden, Paradoxien, Kostümierungen und Verwandlungen. Die bizarren Art-Déco-Fassaden in Miami, die lächerlichen Asphalt-Cowboys in den Cities, Frauen mit dicken Schenkeln und grotesk aufgetürmten Frisuren.
Schriftzüge und Buchstaben verwandeln sich bei Steinberg in bizarre Bauwerke, typografische Wucherungen werden zu Figuren, sein formaler Erfindungsreichtum kennt keine Grenzen: 1949 zeichnet er eine nackte Frau in eine leere Badewanne, lässt das Wasser einlaufen und macht ein Foto davon. Ein Klassiker.
Es gibt kaum ein Thema, das Steinberg, der kritzelnde Grübler, ausgelassen hat, mit einer Ausnahme:
Tobia Bezzola: " Was er ausgelassen hat, ist seine eigene Geschichte, der Holocaust. Das ist das Thema, das er nie irgendwie mit künstlerischen Mitteln angegangen ist. "
Leute, die ihn kannten, schildern den Zeichner als schwierigen Eigenbrötler und komischen Kauz. Doch vermutlich kann man nur mit einem solchen Naturell Steinbergs typischen Humor entwickeln und jene Bitterkeit, die sein Werk noch stets vor billigem Witz gerettet hat.
Service:
Die Ausstellung "Saul Steinberg – Illuminations" ist bis zum 2. November 2008 im Kunsthaus Zürich zu sehen, vom 13. März bis zum 1. Juni 2009 auch im Ham-burger Museum für Kunst und Gewerbe.