Zwischen Tannenbaum und Gottes Sohn
Weihnachten ist längst kein ausschließlich christliches Fest mehr. Auch Muslime begehen die Geburt Jesu mit Tannenbaum, Weihnachtsmann und Geschenken. Im Koran wird zwar Jesus ausführlich erwähnt, seine Geburt beschrieben und er als Gesandter Gottes verehrt. Aber die christliche Vorstellung von Christus als Gottes Sohn teilen die Muslime nicht.
Ein großer Supermarkt im Westen Beiruts. In der ersten Etage gleich neben der Rolltreppe wird Weihnachtsschmuck zum Verkauf angeboten. In den Regalen steht eine große Auswahl an Baumschmuck, Kugeln in verschiedenen Größen und Farben, Lametta und Lichterketten. Der Supermarkt liegt in einem vorwiegend von Muslimen bewohnten Stadtviertel. Einige Straßen weiter führt Abu Khalid seit über 40 Jahren ein Spielwarengeschäft. Jedes Jahr Ende November schiebt er ferngesteuerte Autos, Spielzeugpistolen und Barbie-Puppen beiseite und macht Platz für die Ware, die zu dieser Jahreszeit am meisten verlangt wird:
"Bei mir kaufen Angehörige aller Religionen ein. Ich habe sogar beoachtet, dass Muslime aufwendiger Weihnachten feiern als Christen. Die künstlichen Bäume bei mir fangen bei sieben Dollar an und gehen bis über 100 Dollar. Den größten Baum mit über zwei Meter hat letztes Jahr ein Muslim gekauft."
Weihnachten im Libanon ist nicht nur für Christen ein Grund zum Feiern. Auch für viele Muslime sind Heiligabend und das christliche Neujahrsfest besondere Ereignisse am Jahresende. Zum Beispiel für Thurayya. Die 40- jährige Sunnitin lebt in Shiyah, einem Vorort im Süden von Beirut. Thurayya beschreibt sich als praktizierende Muslimin, die regelmäßig betet und das Fasten an Ramadan einhält. Aber auch Heiligabend ist für sie und ihre Familie ein fester Termin in ihrem Feiertagskalender:
"Die Geburt Jesu ist auch für Muslime ein besonderes Ereignis. Seit meiner Kindheit feiere ich dieses Fest. Früher hat meine Mutter am ersten Dezember einen Baum aufgestellt und geschmückt. Damals hat mein Vater immer einen echten Tannenbaum besorgt. Ich habe diese Tradition fortgesetzt. Als meine Kinder noch klein waren, habe ich auch einen Baum aufgestellt und ihnen am 24. Geschenke darunter gelegt. Jetzt kaufen wir an Heiligabend eine Buche de Noel und ich koche ein schönes Abendessen."
Auch in Thurayyas Nachbarschaft und Bekanntenkreis sind solche Bräuche verbreitet, unter Schiiten und Sunniten gleichermaßen. Wenn man im Dezember nachts durch ihr Stadtviertel fährt, dann kann man in vielen Fenstern bunt blinkende Bäume sehen. In den Konditoreien des Viertels wird der französische Weihnachtsbiskuit Buche de Noel verkauft. Und Eltern veranstalten für ihre Kinder Partys mit einem Weihnachtsmann, der Geschenke verteilt:
"Die Begeisterung vieler Muslime für das Fest der Geburt Jesu liegt vielleicht daran, dass wir bei unseren Festen nur wenige feierliche Rituale haben. Wir gehen in die Moschee und besuchen uns gegenseitig. Das ist schon alles. Hinzu kommt, dass wir doch relativ viele Kontakte zu Christen haben. Im Nachbarviertel leben größtenteils Christen und ich habe auch christliche Verwandte."
Acht Frauen sitzen in einem geschmackvoll eingerichteten Wohnzimmer. Sie sind zwischen 30 und 50 Jahre alt. Einige tragen Kopftuch, andere nicht. Jeden Donnerstagvormittag trifft sich dieser Frauenkreis und lässt sich von einer sunnitischen Religionslehrerin im Islam unterweisen. Auch Fragen zu aktuellen Themen werden aufgeworfen. In dieser Woche diskutieren die Teilnehmerinnen darüber, ob Muslime Weihnachten begehen dürfen oder nicht. Die Meinungen der Anwesenden gehen auseinander. Yusra ist dagegen:
"Das ist doch alles nur Business und hat mit Religion nichts zu tun. Vielleicht wissen viele noch nicht mal, wer Jesus wirklich war!"
Nada widerspricht ihr und beschreibt, wie gerne sie mit ihrer Familie Weihnachten feiert:
"Ich liebe es, meine Wohnung zu dekorieren. An jedem Fest, zum Opferfest, zu Ramadan und auch zu Weihnachten dekoriere ich meine vier Wände dem Anlass entsprechend. Wenn es draußen kalt ist und drinnen die Farben rot und grün überwiegen, dann wirkt das einfach gemütlich."
Für Muna, die jedes Jahr ebenfalls einen Baum in ihrem Wohnzimmer aufstellt, ist Weihnachten eine Möglichkeit, den Christen im Land näher zu kommen:
"Ich habe den Eindruck, dass nach dem Bürgerkrieg das Feiern zugenommen hat. Die Menschen haben das Gefühl, dass sie etwas Gemeinsames brauchen, ein Band, das sie eint. Besonders die jüngeren Generationen unter den Muslimen haben diese Feier als Symbol entdeckt."
Mitte der 70er- bis Anfang der 90er-Jahre des letzten Jahrhunderts herrschte im Libanon Krieg. Die Fronten liefen nicht immer entlang der religiösen Zugehörigkeiten. Trotzdem wirkt der Bürgerkrieg heute noch wie ein nationales Trauma, wie eine unsichtbare Wand, die die Angehörigen der verschiedenen Religionen voneinander trennt. Interreligiöse Ehen und gemischte muslimisch-christliche Stadtviertel haben im Vergleich zu der Zeit vor dem Krieg deutlich abgenommen.
Dennoch bleibt der Zedernstaat ein Mosaik aus verschiedenen christlichen und islamischen Konfessionen. Der Staat erkennt 18 Konfessionen mit ihrem eigenen Personenstandsrecht an. Die wichtigsten Feste der größten religiösen Gruppen sind offizielle Feiertage. So schließen Schulen, Behörden und Banken nicht nur am Ramadan- und am Opferfest, sondern auch an den Weihnachtstagen der westlichen und orthodoxen Kirchen.
Ob nun Muslime Weihnachten feiern dürfen oder nicht, darüber gehen die Standpunkte islamischer Gelehrter auseinander. Sana Qatarji, die Religionslehrerin, die jede Woche dem Frauenkreis Unterricht gibt, kann sich nicht mit einer muslimischen Feier der Geburt Jesu anfreunden:
"Muslime sollten sich von den Angehörigen anderer Religionen unterscheiden. Auch wenn die Umgebung dieses Fest feiern sollte, heißt das nicht, dass wir das mitmachen sollten. Ich liebe Jesus auch, aber ich halte nichts davon, deswegen einen Baum aufzustellen. Ich befürchte auch, dass diese Feier unter Muslimen die Idee von Jesus als Gottes Sohn populär macht - eine Idee, die wir ablehnen."
Anders dagegen Hussain Khishen. Für den Direktor einer Ausbildungsstätte für Imame in Beirut überwiegen die positiven Aspekte der muslimischen Weihnacht:
"Wir führen ja keinen neuen islamischen Feiertag ein, sondern zeigen unsere Hochachtung gegenüber einem großen Propheten. Aus diesem Anlass rufen wir Christen und Muslime gleichermaßen auf, sich an die Werte zu erinnern, für die Jesus steht. Und wir leben schließlich in einem multireligiösen Land. Wenn Muslime Weihnachten feiern, dann ist das auch ein Beitrag zum friedlichen Zusammenleben."
"Bei mir kaufen Angehörige aller Religionen ein. Ich habe sogar beoachtet, dass Muslime aufwendiger Weihnachten feiern als Christen. Die künstlichen Bäume bei mir fangen bei sieben Dollar an und gehen bis über 100 Dollar. Den größten Baum mit über zwei Meter hat letztes Jahr ein Muslim gekauft."
Weihnachten im Libanon ist nicht nur für Christen ein Grund zum Feiern. Auch für viele Muslime sind Heiligabend und das christliche Neujahrsfest besondere Ereignisse am Jahresende. Zum Beispiel für Thurayya. Die 40- jährige Sunnitin lebt in Shiyah, einem Vorort im Süden von Beirut. Thurayya beschreibt sich als praktizierende Muslimin, die regelmäßig betet und das Fasten an Ramadan einhält. Aber auch Heiligabend ist für sie und ihre Familie ein fester Termin in ihrem Feiertagskalender:
"Die Geburt Jesu ist auch für Muslime ein besonderes Ereignis. Seit meiner Kindheit feiere ich dieses Fest. Früher hat meine Mutter am ersten Dezember einen Baum aufgestellt und geschmückt. Damals hat mein Vater immer einen echten Tannenbaum besorgt. Ich habe diese Tradition fortgesetzt. Als meine Kinder noch klein waren, habe ich auch einen Baum aufgestellt und ihnen am 24. Geschenke darunter gelegt. Jetzt kaufen wir an Heiligabend eine Buche de Noel und ich koche ein schönes Abendessen."
Auch in Thurayyas Nachbarschaft und Bekanntenkreis sind solche Bräuche verbreitet, unter Schiiten und Sunniten gleichermaßen. Wenn man im Dezember nachts durch ihr Stadtviertel fährt, dann kann man in vielen Fenstern bunt blinkende Bäume sehen. In den Konditoreien des Viertels wird der französische Weihnachtsbiskuit Buche de Noel verkauft. Und Eltern veranstalten für ihre Kinder Partys mit einem Weihnachtsmann, der Geschenke verteilt:
"Die Begeisterung vieler Muslime für das Fest der Geburt Jesu liegt vielleicht daran, dass wir bei unseren Festen nur wenige feierliche Rituale haben. Wir gehen in die Moschee und besuchen uns gegenseitig. Das ist schon alles. Hinzu kommt, dass wir doch relativ viele Kontakte zu Christen haben. Im Nachbarviertel leben größtenteils Christen und ich habe auch christliche Verwandte."
Acht Frauen sitzen in einem geschmackvoll eingerichteten Wohnzimmer. Sie sind zwischen 30 und 50 Jahre alt. Einige tragen Kopftuch, andere nicht. Jeden Donnerstagvormittag trifft sich dieser Frauenkreis und lässt sich von einer sunnitischen Religionslehrerin im Islam unterweisen. Auch Fragen zu aktuellen Themen werden aufgeworfen. In dieser Woche diskutieren die Teilnehmerinnen darüber, ob Muslime Weihnachten begehen dürfen oder nicht. Die Meinungen der Anwesenden gehen auseinander. Yusra ist dagegen:
"Das ist doch alles nur Business und hat mit Religion nichts zu tun. Vielleicht wissen viele noch nicht mal, wer Jesus wirklich war!"
Nada widerspricht ihr und beschreibt, wie gerne sie mit ihrer Familie Weihnachten feiert:
"Ich liebe es, meine Wohnung zu dekorieren. An jedem Fest, zum Opferfest, zu Ramadan und auch zu Weihnachten dekoriere ich meine vier Wände dem Anlass entsprechend. Wenn es draußen kalt ist und drinnen die Farben rot und grün überwiegen, dann wirkt das einfach gemütlich."
Für Muna, die jedes Jahr ebenfalls einen Baum in ihrem Wohnzimmer aufstellt, ist Weihnachten eine Möglichkeit, den Christen im Land näher zu kommen:
"Ich habe den Eindruck, dass nach dem Bürgerkrieg das Feiern zugenommen hat. Die Menschen haben das Gefühl, dass sie etwas Gemeinsames brauchen, ein Band, das sie eint. Besonders die jüngeren Generationen unter den Muslimen haben diese Feier als Symbol entdeckt."
Mitte der 70er- bis Anfang der 90er-Jahre des letzten Jahrhunderts herrschte im Libanon Krieg. Die Fronten liefen nicht immer entlang der religiösen Zugehörigkeiten. Trotzdem wirkt der Bürgerkrieg heute noch wie ein nationales Trauma, wie eine unsichtbare Wand, die die Angehörigen der verschiedenen Religionen voneinander trennt. Interreligiöse Ehen und gemischte muslimisch-christliche Stadtviertel haben im Vergleich zu der Zeit vor dem Krieg deutlich abgenommen.
Dennoch bleibt der Zedernstaat ein Mosaik aus verschiedenen christlichen und islamischen Konfessionen. Der Staat erkennt 18 Konfessionen mit ihrem eigenen Personenstandsrecht an. Die wichtigsten Feste der größten religiösen Gruppen sind offizielle Feiertage. So schließen Schulen, Behörden und Banken nicht nur am Ramadan- und am Opferfest, sondern auch an den Weihnachtstagen der westlichen und orthodoxen Kirchen.
Ob nun Muslime Weihnachten feiern dürfen oder nicht, darüber gehen die Standpunkte islamischer Gelehrter auseinander. Sana Qatarji, die Religionslehrerin, die jede Woche dem Frauenkreis Unterricht gibt, kann sich nicht mit einer muslimischen Feier der Geburt Jesu anfreunden:
"Muslime sollten sich von den Angehörigen anderer Religionen unterscheiden. Auch wenn die Umgebung dieses Fest feiern sollte, heißt das nicht, dass wir das mitmachen sollten. Ich liebe Jesus auch, aber ich halte nichts davon, deswegen einen Baum aufzustellen. Ich befürchte auch, dass diese Feier unter Muslimen die Idee von Jesus als Gottes Sohn populär macht - eine Idee, die wir ablehnen."
Anders dagegen Hussain Khishen. Für den Direktor einer Ausbildungsstätte für Imame in Beirut überwiegen die positiven Aspekte der muslimischen Weihnacht:
"Wir führen ja keinen neuen islamischen Feiertag ein, sondern zeigen unsere Hochachtung gegenüber einem großen Propheten. Aus diesem Anlass rufen wir Christen und Muslime gleichermaßen auf, sich an die Werte zu erinnern, für die Jesus steht. Und wir leben schließlich in einem multireligiösen Land. Wenn Muslime Weihnachten feiern, dann ist das auch ein Beitrag zum friedlichen Zusammenleben."