Zwitschernd zum Erfolg
Die Reputation in sozialen Netzwerken könnte bald darüber entscheiden, ob wir ein kostenloses Hotelupgrade bekommen oder sogar bessere Jobchancen haben, meint der Netzjournalist Olaf Kolbrück. Scores von Internetnutzern dienten als "polizeiliches Führungszeugnis des sozialen Lebens".
Susanne Führer: Die sogenannten sozialen Netzwerke werden für die Wirtschaft immer interessanter. Nicht nur wegen der Werbung, die die Unternehmen dank der vielen Datenspuren immer passgenauer schalten können. Untersucht wird jetzt auch, wie stark vernetzt die Nutzer sind, anders gesagt, welchen Wirkungsgrad sie haben. Der wird dann in einer Punktzahl zwischen null und 100 angegeben, dem sogenannten Score der sozialen Reputation. Und diese Punktzahl könnte bald verdammt wichtig für unser Leben werden. Mein Gesprächspartner, der Politologe und Internetjournalist Olaf Kolbrück hat einen recht hohen Score, 61 nämlich. Guten Tag, Herr Kolbrück.
Olaf Kolbrück: Guten Tag. Herzlich willkommen!
Führer: Wie kommen Sie zu diesen 61 Punkten? Anders gefragt, wie wird das errechnet?
Kolbrück: Das frage ich mich auch manchmal. Ich kann Ihnen sagen, wie er errechnet wird. Es spielen im Wesentlichen für diese verschiedenen Dienste, ob sie nun Klout heißen oder ob sie Peerindex heißt oder Kred – es gibt ja mittlerweile so knapp 20 Nachfolger dieser Dienste – im Wesentlichen drei Faktoren, die da eine Rolle spielen. Also da ist zum einen die tatsächliche Reichweite, die jemand erreicht, also wie viele Freunde habe ich bei Facebook, wie viele Follower habe ich bei Twitter, wie viele Leute habe ich, die meinen Youtube-Kanal abonniert haben, das spielt eine Rolle. Dann, zum zweiten, das sogenannte Verstärkungspotential ist also wichtig. Also wie oft werden meine Nachrichten bei Twitter beispielsweise verbreitet. Wie oft werden die retweeted, wie oft werden die zitiert. Das wird mit reinberechnet in diesen Algorithmus, und zum dritten dann natürlich auch, wie wichtig wiederum sind diese Nutzer, die dann meine Tweets oder meine Postings bei Facebook retweeted oder weiterverbreitet haben. Das wird da mit reinberechnet.
Führer: Und wie wichtig die sind, misst sich wieder danach dann wiederum, wie viele Follower und Friends die dann haben, oder wie?
Kolbrück: Genau, richtig. Da schließt sich dann der Kreis. Da wird dann wieder geguckt, wie viele Leute erreichen die wiederum. Und daraus errechnet sich dann so eine Gesamtreichweite an Leuten, die ich erreichen kann. Und daraus dann der jeweilige Score und der Wert des einzelnen Nutzers im Social-Media-Umfeld.
Führer: Woher kennen Sie denn überhaupt Ihre Punktzahl?
Kolbrück: Die kenne ich von einem der Dienste, bei dem ich angemeldet bin. Der nennt sich Klout. Dem habe ich gesagt, auf welchen Diensten ich unterwegs bin, halt bei Twitter, bei Facebook, bei Youtube und noch ein paar anderen. Und dann hab ich ihm sozusagen die Erlaubnis gegeben, meine Daten abzugreifen. Also Klout weiß jetzt beispielsweise, wie sehen meine Freundeslisten aus, wie sehen die Leute aus, denen ich bei Twitter folge. Das weiß Klout jetzt alles über mich und errechnet daraus dann hoch, wie mein Score ist und hat dann für sich wiederum, das ist das Geschäft, Daten über mich, die es dann weiterverkaufen kann.
Führer: Und das heißt, die Firma errechnet das nur, wenn Sie dieser Firma das Einverständnis geben, oder machen die das nicht automatisch?
Kolbrück: Nicht ganz. Also das Problem so ein bisschen bei diesen Diensten ist, dass sie so eine Art Schattenprofil von Nutzern bilden, die sich eben nicht für diesen Dienst registriert haben. Ein Beispiel: Wenn sich zum Beispiel ein Facebook-Freund von mir auf meiner Pinwand - und ich bin nun mal bei diesem Dienst Klout angemeldet - einen Kommentar hinterlässt, gerät dieser Freund, auch wenn er nicht in einem dieser Dienste ist, automatisch mit auf das Radar dieser Scoring-Dienste, und dann wird automatisch von ihm auch ein Profil angelegt.
Führer: Vielleicht verlieren Sie dann demnächst ganz viele Freunde.
Kolbrück: Das ist möglich. Das hat es auch schon gegeben in meinen Follower-Kreisen, wo Leute gesagt haben, wenn du bei dem und dem Dienst bist, dann möchte ich mit dir nichts mehr zu tun haben.
Führer: Bisher, hab ich gelesen, wird das vor allen Dingen in den USA genutzt. Sie haben gerade gesagt, Klout, die Firma verkauft diese Daten. An wen denn? Wer hat denn Interesse an diesen Daten?
Kolbrück: Vor allen Dingen sind es natürlich Markenartikler, die da Interesse daran haben, weil sie dann die Chance haben oder glauben zu haben, ihre Kunden besser zu verstehen und ihre Kunden besser zu erreichen. Und wenn sie Kunden erreichen oder Fans erreichen, die eine hohe Scoring-Zahl haben, eine hohe Reichweite haben, dann hoffen, diese sozusagen zu Markenbotschaftern zu machen. Und da gibt es eine ganze Reihe von Beispielen, von Marken, die das beispielsweise nutzen. Im Herbst letzten Jahres ist beispielsweise Microsoft hingegangen und hat gesagt: Hier, wir haben hier ein schickes, neues Smartphone und das würden wir gern an 500 Leute verteilen. Wen nehmen wir da? Nicht einfach irgendwelche Kunden, sondern Kunden, die eine hohe Reichweite in sozialen Netzwerken haben. Wie messen wir diese Reichweite? Anhand dieses Klout-Scores. Also haben 500 Leute, die sich beworben haben und die den höchsten Score hatten, haben dann entsprechend dieses Windows-Phone bekommen.
Führer: Und die sich dann freuen, weil sie es gratis bekommen haben und das dann überall weiterverbreiten.
Kolbrück: Genau. Das Unternehmen hofft dann auf ein bisschen kostenlose Werbung und ein bisschen Dankbarkeit, die dann von dem einen oder anderen natürlich auch gewährt wird, weil er sagt, hier, ich hab ein schickes neues Phone, und dann erzählt, wie toll er das möglicherweise findet.
Führer: Aber die Frage ist ja, wie automatisch das passiert. Also wenn ich gehört habe, dass Menschen mit einem hohen Score, wenn Sie jetzt, was weiß ich, in die USA fliegen und der Hotelmanager, woher sieht der Ihren Score, sagt, der kriegt ein kostenloses Upgrade, damit er hinterher schreibt, der Olaf Kolbrück, also das Four Seasons in New York ist überhaupt ganz toll, ich hab nur 50 Dollar bezahlt und war in einer Suite für 250, woher kennt der das, woher weiß der das?
Kolbrück: Der braucht sich ja selber auch nur bei Klout einzuloggen beispielsweise, oder auch bei Peerindex einzuloggen und kann dann einfach sehen, aha, der Olaf Kolbrück hat den und den Peerindex oder den und den Klout-Score oder den und den Wert. Das ist eigentlich relativ transparent, wenn man einmal in diesen Diensten dabei ist. Hinzu kommt natürlich auch, für den einen oder anderen befriedigt das natürlich auch ein wenig die eigene Eitelkeit, wenn er sagen kann, meine Reputation in den sozialen Medien ist so und so hoch. Und die Dienste regen die einzelnen Nutzer auch dazu an, permanent ihre eigenen Werte selber zu kommunizieren und weiterzuverbreiten und dafür zu sorgen, dass andere das auch permanent sehen können.
Führer: Das Scoring der sozialen Reputation ist unser Thema im Deutschlandradio Kultur mit dem Internetjournalisten Olaf Kolbrück. Herr Kolbrück, das mit dem Upgrade, das ist ja gut, da kann man nun auch drauf verzichten, es ist vielleicht ein bisschen schade drum, aber es nimmt ja doch ernste Formen an. Ich hab eben gelesen, dass ein Mann, ein PR-Manager eine bestimmte Stelle nicht bekommen hat in den USA, weil die gesagt haben, nee, dein Score ist zu niedrig. Du bist zwar super qualifiziert, aber du bist zu wenig vernetzt bei Facebook und so weiter.
Kolbrück: Also wenn der tatsächlich einen PR-Job gesucht hat, der auch sich natürlich mit sozialen Medien beschäftigen soll, dann ist das sicherlich auch ein Punkt, wo es durchaus sinnvoll sein kann, dass dieser jenige Mensch dann auch entsprechend gut vernetzt ist bei Twitter, Facebook und so weiter. Insgesamt glaube ich allerdings, dass diese Aktion als solche vielleicht auch eher ein von mehreren Seiten gewollter PR-Gag war, um diesen Dienst einfach in dem Bereich noch weiter zu pushen.
Nichtsdestotrotz glaube ich, dass da auch tatsächlich so etwas wie eine Art polizeiliches Führungszeugnis des sozialen Lebens entsteht, wenn halt die Dienste einfach sagen können, derjenige ist in diesen und jenen Bereichen so und so wichtig und hat so eine so hohe Reichweite. Das kann dann tatsächlich vielleicht sogar dann dazu führen, dass ich in einem Hotel ankomme und einchecken will und für den einen Gast, der einen niedrigen Score hat, ist kein Zimmer mehr frei, und für mich, der einen Wert von 61 hat, ist vielleicht noch ein Zimmer frei, weil ich mich hinterher dann über die sozialen Kanäle darüber äußere, was für ein toller Service das ist, dass man mir in letzter Sekunde noch ein Zimmer gegeben hat.
Führer: Mich erinnert das mehr ein bisschen fast an eine SCHUFA-Auskunft, muss ich sagen. Also man kennt ja dieses Scoring über die Adressen, ja, ich will irgendetwas bestellen, über Telefon im Callcenter und dann sagen die, nee, Sie wohnen in der finstersten Ecke von Hm-hm-hm, also nur gegen Vorkasse. Und wenn die in Zukunft, diese Callcenteragenten da, mein Scoring sehen, dann sagen die, na ja, gut vernetzt, das ist irgendwie eine verlässlichere Person, der liefern wir das.
Kolbrück: Ganz richtig, das hat durchaus was von SCHUFA-Zeugnis. Man hat es ja in der Vergangenheit auch schon beobachtet, dass viele Unternehmen ja auch Twitter beispielsweise als Servicekanal nutzen und dann die Beschwerden der Kunden dann bei Twitter reinlaufen, und dann geschaut wird, wie reagiert man als Unternehmen auf solche Beschwerden. Und da wurde in der Vergangenheit vielleicht geguckt: Bloggt derjenige welche, ist das ein Journalist, kennt man den Namen irgendwo anders her. Und künftig, bin ich von überzeugt, werden Unternehmen noch vermehrt danach schauen, was für einen Social-Media-Wert hat der Mensch, der da möglicherweise eine Anfrage hat oder eine Beschwerde hat. Und dann glaube ich, dass Leute, die einen hohen Score haben, deutlich bevorzugt behandelt werden oder einfach auch anders behandelt werden als jemand, der sich sozusagen vielleicht mit drei Followern bei Twitter und fünf Freunden bei Facebook mit einem Score von sechs irgendwo durchs Netz bewegt, dann eben gesagt wird, na ja, der kann jetzt erst mal noch eine Stunde länger warten.
Führer: Aber kommen wir noch mal zu den Kriterien, was Sie vorhin aufgezählt haben, Herr Kolbrück, das geht doch wirklich rein um die Menge, also die Quantität. Es geht nicht um die Qualität, also. Ich habe gelesen, dass der Score des gerade 18 gewordenen Justin Bieber höher ist als der Barak Obamas, was ja doch immerhin der Präsident der USA ist. Also da hat man schon den Eindruck, dass es wieder diese Trennung gibt zwischen Real World, also zwischen dem realen Leben und der Internetwelt. Und dann wirkt das doch ein bisschen blödsinnig. Wird dann aber gefährlich, wenn alle an diesen Blödsinn glauben.
Kolbrück: Das ist sicherlich richtig. Also der Gehalt von Justin Bieber ist, manch einer wird da anders zu denken, aber der ist mit Sicherheit nicht so hoch wie der, das was inhaltlich ein Barak Obama dann möglicherweise rüberbringt. Und das ist auch ein Problem …
Führer: Nein, nicht rüberbringt, aber die tatsächliche Macht, die ein Präsident der USA hat, dürfte doch größer sein.
Kolbrück: Das mit Sicherheit, aber die Frage ist, wer verkauft mehr Platten, das ist für den anderen vielleicht wichtig. Für die Markenartikelindustrie ist ein Justin Bieber möglicherweise wichtiger in dem Moment. Aber es stimmt in der Tat, die Zahl der Quantität der Follower ist eine wichtige Größe, und das ist ja auch eine Gefahr, weil ich ja mittlerweile auch bei Ebay hingehen kann und sagen kann, ich möchte mir Facebook-Fans kaufen, ich möchte mir Twitter-Follower kaufen. Wenn Sie beispielsweise mal auf der Seite bei Ebay gucken, momentan steht das Angebot für, ich glaube, 10.000 Facebook-Fans, bekommen Sie schon für 49 Euro. Und da können Sie sich also ganz schnell zunächst mal dafür sorgen, dass Sie dann eine gewisse Wichtigkeit und eine gewisse Größenordnung in diesen Diensten erreichen, obwohl Sie eigentlich noch gar nichts dafür getan haben.
Führer: Herr Kolbrück, kurz zum Schluss, glauben Sie, das wird sich durchsetzen?
Kolbrück: Ich weiß nicht, ob sich die Dienste, die wir jetzt haben, durchsetzen werden, aber es wird sich durchsetzen, dass wir immer mehr messen werden und mehr messen wollen, wie die Einzelnen in ihrer Bedeutung im sozialen Umfeld dastehen.
Führer: Sagt der Politologe und Internetjournalist Olaf Kolbrück. Danke für das Gespräch, Herr Kolbrück! Ich hab viel gelernt.
Kolbrück: Dankeschön!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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Olaf Kolbrück: Guten Tag. Herzlich willkommen!
Führer: Wie kommen Sie zu diesen 61 Punkten? Anders gefragt, wie wird das errechnet?
Kolbrück: Das frage ich mich auch manchmal. Ich kann Ihnen sagen, wie er errechnet wird. Es spielen im Wesentlichen für diese verschiedenen Dienste, ob sie nun Klout heißen oder ob sie Peerindex heißt oder Kred – es gibt ja mittlerweile so knapp 20 Nachfolger dieser Dienste – im Wesentlichen drei Faktoren, die da eine Rolle spielen. Also da ist zum einen die tatsächliche Reichweite, die jemand erreicht, also wie viele Freunde habe ich bei Facebook, wie viele Follower habe ich bei Twitter, wie viele Leute habe ich, die meinen Youtube-Kanal abonniert haben, das spielt eine Rolle. Dann, zum zweiten, das sogenannte Verstärkungspotential ist also wichtig. Also wie oft werden meine Nachrichten bei Twitter beispielsweise verbreitet. Wie oft werden die retweeted, wie oft werden die zitiert. Das wird mit reinberechnet in diesen Algorithmus, und zum dritten dann natürlich auch, wie wichtig wiederum sind diese Nutzer, die dann meine Tweets oder meine Postings bei Facebook retweeted oder weiterverbreitet haben. Das wird da mit reinberechnet.
Führer: Und wie wichtig die sind, misst sich wieder danach dann wiederum, wie viele Follower und Friends die dann haben, oder wie?
Kolbrück: Genau, richtig. Da schließt sich dann der Kreis. Da wird dann wieder geguckt, wie viele Leute erreichen die wiederum. Und daraus errechnet sich dann so eine Gesamtreichweite an Leuten, die ich erreichen kann. Und daraus dann der jeweilige Score und der Wert des einzelnen Nutzers im Social-Media-Umfeld.
Führer: Woher kennen Sie denn überhaupt Ihre Punktzahl?
Kolbrück: Die kenne ich von einem der Dienste, bei dem ich angemeldet bin. Der nennt sich Klout. Dem habe ich gesagt, auf welchen Diensten ich unterwegs bin, halt bei Twitter, bei Facebook, bei Youtube und noch ein paar anderen. Und dann hab ich ihm sozusagen die Erlaubnis gegeben, meine Daten abzugreifen. Also Klout weiß jetzt beispielsweise, wie sehen meine Freundeslisten aus, wie sehen die Leute aus, denen ich bei Twitter folge. Das weiß Klout jetzt alles über mich und errechnet daraus dann hoch, wie mein Score ist und hat dann für sich wiederum, das ist das Geschäft, Daten über mich, die es dann weiterverkaufen kann.
Führer: Und das heißt, die Firma errechnet das nur, wenn Sie dieser Firma das Einverständnis geben, oder machen die das nicht automatisch?
Kolbrück: Nicht ganz. Also das Problem so ein bisschen bei diesen Diensten ist, dass sie so eine Art Schattenprofil von Nutzern bilden, die sich eben nicht für diesen Dienst registriert haben. Ein Beispiel: Wenn sich zum Beispiel ein Facebook-Freund von mir auf meiner Pinwand - und ich bin nun mal bei diesem Dienst Klout angemeldet - einen Kommentar hinterlässt, gerät dieser Freund, auch wenn er nicht in einem dieser Dienste ist, automatisch mit auf das Radar dieser Scoring-Dienste, und dann wird automatisch von ihm auch ein Profil angelegt.
Führer: Vielleicht verlieren Sie dann demnächst ganz viele Freunde.
Kolbrück: Das ist möglich. Das hat es auch schon gegeben in meinen Follower-Kreisen, wo Leute gesagt haben, wenn du bei dem und dem Dienst bist, dann möchte ich mit dir nichts mehr zu tun haben.
Führer: Bisher, hab ich gelesen, wird das vor allen Dingen in den USA genutzt. Sie haben gerade gesagt, Klout, die Firma verkauft diese Daten. An wen denn? Wer hat denn Interesse an diesen Daten?
Kolbrück: Vor allen Dingen sind es natürlich Markenartikler, die da Interesse daran haben, weil sie dann die Chance haben oder glauben zu haben, ihre Kunden besser zu verstehen und ihre Kunden besser zu erreichen. Und wenn sie Kunden erreichen oder Fans erreichen, die eine hohe Scoring-Zahl haben, eine hohe Reichweite haben, dann hoffen, diese sozusagen zu Markenbotschaftern zu machen. Und da gibt es eine ganze Reihe von Beispielen, von Marken, die das beispielsweise nutzen. Im Herbst letzten Jahres ist beispielsweise Microsoft hingegangen und hat gesagt: Hier, wir haben hier ein schickes, neues Smartphone und das würden wir gern an 500 Leute verteilen. Wen nehmen wir da? Nicht einfach irgendwelche Kunden, sondern Kunden, die eine hohe Reichweite in sozialen Netzwerken haben. Wie messen wir diese Reichweite? Anhand dieses Klout-Scores. Also haben 500 Leute, die sich beworben haben und die den höchsten Score hatten, haben dann entsprechend dieses Windows-Phone bekommen.
Führer: Und die sich dann freuen, weil sie es gratis bekommen haben und das dann überall weiterverbreiten.
Kolbrück: Genau. Das Unternehmen hofft dann auf ein bisschen kostenlose Werbung und ein bisschen Dankbarkeit, die dann von dem einen oder anderen natürlich auch gewährt wird, weil er sagt, hier, ich hab ein schickes neues Phone, und dann erzählt, wie toll er das möglicherweise findet.
Führer: Aber die Frage ist ja, wie automatisch das passiert. Also wenn ich gehört habe, dass Menschen mit einem hohen Score, wenn Sie jetzt, was weiß ich, in die USA fliegen und der Hotelmanager, woher sieht der Ihren Score, sagt, der kriegt ein kostenloses Upgrade, damit er hinterher schreibt, der Olaf Kolbrück, also das Four Seasons in New York ist überhaupt ganz toll, ich hab nur 50 Dollar bezahlt und war in einer Suite für 250, woher kennt der das, woher weiß der das?
Kolbrück: Der braucht sich ja selber auch nur bei Klout einzuloggen beispielsweise, oder auch bei Peerindex einzuloggen und kann dann einfach sehen, aha, der Olaf Kolbrück hat den und den Peerindex oder den und den Klout-Score oder den und den Wert. Das ist eigentlich relativ transparent, wenn man einmal in diesen Diensten dabei ist. Hinzu kommt natürlich auch, für den einen oder anderen befriedigt das natürlich auch ein wenig die eigene Eitelkeit, wenn er sagen kann, meine Reputation in den sozialen Medien ist so und so hoch. Und die Dienste regen die einzelnen Nutzer auch dazu an, permanent ihre eigenen Werte selber zu kommunizieren und weiterzuverbreiten und dafür zu sorgen, dass andere das auch permanent sehen können.
Führer: Das Scoring der sozialen Reputation ist unser Thema im Deutschlandradio Kultur mit dem Internetjournalisten Olaf Kolbrück. Herr Kolbrück, das mit dem Upgrade, das ist ja gut, da kann man nun auch drauf verzichten, es ist vielleicht ein bisschen schade drum, aber es nimmt ja doch ernste Formen an. Ich hab eben gelesen, dass ein Mann, ein PR-Manager eine bestimmte Stelle nicht bekommen hat in den USA, weil die gesagt haben, nee, dein Score ist zu niedrig. Du bist zwar super qualifiziert, aber du bist zu wenig vernetzt bei Facebook und so weiter.
Kolbrück: Also wenn der tatsächlich einen PR-Job gesucht hat, der auch sich natürlich mit sozialen Medien beschäftigen soll, dann ist das sicherlich auch ein Punkt, wo es durchaus sinnvoll sein kann, dass dieser jenige Mensch dann auch entsprechend gut vernetzt ist bei Twitter, Facebook und so weiter. Insgesamt glaube ich allerdings, dass diese Aktion als solche vielleicht auch eher ein von mehreren Seiten gewollter PR-Gag war, um diesen Dienst einfach in dem Bereich noch weiter zu pushen.
Nichtsdestotrotz glaube ich, dass da auch tatsächlich so etwas wie eine Art polizeiliches Führungszeugnis des sozialen Lebens entsteht, wenn halt die Dienste einfach sagen können, derjenige ist in diesen und jenen Bereichen so und so wichtig und hat so eine so hohe Reichweite. Das kann dann tatsächlich vielleicht sogar dann dazu führen, dass ich in einem Hotel ankomme und einchecken will und für den einen Gast, der einen niedrigen Score hat, ist kein Zimmer mehr frei, und für mich, der einen Wert von 61 hat, ist vielleicht noch ein Zimmer frei, weil ich mich hinterher dann über die sozialen Kanäle darüber äußere, was für ein toller Service das ist, dass man mir in letzter Sekunde noch ein Zimmer gegeben hat.
Führer: Mich erinnert das mehr ein bisschen fast an eine SCHUFA-Auskunft, muss ich sagen. Also man kennt ja dieses Scoring über die Adressen, ja, ich will irgendetwas bestellen, über Telefon im Callcenter und dann sagen die, nee, Sie wohnen in der finstersten Ecke von Hm-hm-hm, also nur gegen Vorkasse. Und wenn die in Zukunft, diese Callcenteragenten da, mein Scoring sehen, dann sagen die, na ja, gut vernetzt, das ist irgendwie eine verlässlichere Person, der liefern wir das.
Kolbrück: Ganz richtig, das hat durchaus was von SCHUFA-Zeugnis. Man hat es ja in der Vergangenheit auch schon beobachtet, dass viele Unternehmen ja auch Twitter beispielsweise als Servicekanal nutzen und dann die Beschwerden der Kunden dann bei Twitter reinlaufen, und dann geschaut wird, wie reagiert man als Unternehmen auf solche Beschwerden. Und da wurde in der Vergangenheit vielleicht geguckt: Bloggt derjenige welche, ist das ein Journalist, kennt man den Namen irgendwo anders her. Und künftig, bin ich von überzeugt, werden Unternehmen noch vermehrt danach schauen, was für einen Social-Media-Wert hat der Mensch, der da möglicherweise eine Anfrage hat oder eine Beschwerde hat. Und dann glaube ich, dass Leute, die einen hohen Score haben, deutlich bevorzugt behandelt werden oder einfach auch anders behandelt werden als jemand, der sich sozusagen vielleicht mit drei Followern bei Twitter und fünf Freunden bei Facebook mit einem Score von sechs irgendwo durchs Netz bewegt, dann eben gesagt wird, na ja, der kann jetzt erst mal noch eine Stunde länger warten.
Führer: Aber kommen wir noch mal zu den Kriterien, was Sie vorhin aufgezählt haben, Herr Kolbrück, das geht doch wirklich rein um die Menge, also die Quantität. Es geht nicht um die Qualität, also. Ich habe gelesen, dass der Score des gerade 18 gewordenen Justin Bieber höher ist als der Barak Obamas, was ja doch immerhin der Präsident der USA ist. Also da hat man schon den Eindruck, dass es wieder diese Trennung gibt zwischen Real World, also zwischen dem realen Leben und der Internetwelt. Und dann wirkt das doch ein bisschen blödsinnig. Wird dann aber gefährlich, wenn alle an diesen Blödsinn glauben.
Kolbrück: Das ist sicherlich richtig. Also der Gehalt von Justin Bieber ist, manch einer wird da anders zu denken, aber der ist mit Sicherheit nicht so hoch wie der, das was inhaltlich ein Barak Obama dann möglicherweise rüberbringt. Und das ist auch ein Problem …
Führer: Nein, nicht rüberbringt, aber die tatsächliche Macht, die ein Präsident der USA hat, dürfte doch größer sein.
Kolbrück: Das mit Sicherheit, aber die Frage ist, wer verkauft mehr Platten, das ist für den anderen vielleicht wichtig. Für die Markenartikelindustrie ist ein Justin Bieber möglicherweise wichtiger in dem Moment. Aber es stimmt in der Tat, die Zahl der Quantität der Follower ist eine wichtige Größe, und das ist ja auch eine Gefahr, weil ich ja mittlerweile auch bei Ebay hingehen kann und sagen kann, ich möchte mir Facebook-Fans kaufen, ich möchte mir Twitter-Follower kaufen. Wenn Sie beispielsweise mal auf der Seite bei Ebay gucken, momentan steht das Angebot für, ich glaube, 10.000 Facebook-Fans, bekommen Sie schon für 49 Euro. Und da können Sie sich also ganz schnell zunächst mal dafür sorgen, dass Sie dann eine gewisse Wichtigkeit und eine gewisse Größenordnung in diesen Diensten erreichen, obwohl Sie eigentlich noch gar nichts dafür getan haben.
Führer: Herr Kolbrück, kurz zum Schluss, glauben Sie, das wird sich durchsetzen?
Kolbrück: Ich weiß nicht, ob sich die Dienste, die wir jetzt haben, durchsetzen werden, aber es wird sich durchsetzen, dass wir immer mehr messen werden und mehr messen wollen, wie die Einzelnen in ihrer Bedeutung im sozialen Umfeld dastehen.
Führer: Sagt der Politologe und Internetjournalist Olaf Kolbrück. Danke für das Gespräch, Herr Kolbrück! Ich hab viel gelernt.
Kolbrück: Dankeschön!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Vitamin S - Selbstvermarktung in sozialen Netzwerken hilft der Karriere auf die Sprünge (DLF)
"Wir setzen auf die Mündigkeit der Nutzer" - Digitale Sorglosigkeit in sozialen Netzwerken hat Konsequenzen (DLF)
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